Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzungszinsen wegen Einkommensteuer 2000
Leitsatz (redaktionell)
- Zu der Verpflichtung eines FG, „aus erheblichen Gründen” einen Termin aufzuheben oder zu verlegen.
- Hat das FA dem Kl. eine Frist zur Rücknahme seines Einspruchs gesetzt und ihn dabei auf die Möglichkeit der sog. Verböserung hingewiesen, so ist eine „Verböserung” rechtmäßig, wenn der Einspruch nicht rechtzeitig zurückgenommen worden ist.
Normenkette
AO § 367 Abs. 2; FGO § 155; ZPO § 227
Streitjahr(e)
2000
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein Bescheid über Aussetzungszinsen wegen Einkommensteuer 2000 rechtmäßig ist.
Der Kläger erhob gegen einen zu seinen ungunsten geänderten Einkommensteuerbescheid 2000 Einspruch und nach erfolglosem Einspruchsverfahren beim erkennenden Gericht Klage (Az. …). Während des Klageverfahrens war die Steuer in voller Höhe von der Vollziehung ausgesetzt, zuletzt in Höhe von … €. In der mündlichen Verhandlung vom 15. Dezember 2008 verpflichtete sich das Finanzamt, den Einkommensteuerbescheid 2000 teilweise zugunsten des Klägers zu ändern. Daraufhin erging ein geänderter Einkommensteuerbescheid unter dem 15. Januar 2009, der nicht angegriffen wurde. Die Einkommensteuerschuld 2000 wurde auf … € herabgesetzt. Das Finanzamt setzte daraufhin im Bescheid vom 13. Februar 2009 Vollziehungszinsen in Höhe von … € fest.
Hiergegen hat der Kläger – über seinen Berater – Einspruch erhoben. Während des Einspruchsverfahrens hat das Finanzamt dem Kläger durch Schreiben vom 18. März 2009 darum gebeten, die Einspruchsbegründung nachzureichen und gleichzeitig darauf hingewiesen, dass Aussetzungszinsen nach der Berechnung des Finanzamts höher als bisher veranschlagt (… €), nämlich mit … € anzusetzen seien.
Hiergegen machte der Kläger durch Schreiben seines Beraters vom 26. März 2009 geltend, der geänderte Einkommensteuerbescheid sei bereits bestandskräftig, eine unzutreffende Berechnung liege nicht vor. Durch Bescheid vom 30.3.2009 erließ das Finanzamt einen Einspruchsentscheid und erhöhte, wie durch Schreiben vom 18.3.2009 angekündigt, die festgesetzten Aussetzungszinsen. Am 15.4.2009 übersandte der Kläger (persönlich) eine Rücknahme des Einspruchs.
Der Kläger beantragt,
die Einspruchsentscheidung vom 30. März 2009 aufzuheben.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen
und ist weiterhin der Auffassung, die Zinsfestsetzung sei rechtmäßig.
Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, das Sitzungsprotokoll sowie die Steuerakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat den Einspruch nicht rechtzeitig zurückgenommen.
1. Der Termin war nicht zu verlegen. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegt nur vor, wenn dem Beteiligten trotz zumutbaren eigenen Bemühens die Möglichkeit zur Äußerung verweigert oder abgeschnitten wurde (BFH-Beschluss in BFH/NV 1998, 726; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 119 Rz. 12 ff., m.w.N.).
Gemäß § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 227 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) „kann” das Gericht „aus erheblichen Gründen” einen Termin aufheben oder verlegen. Der Beteiligte muss ihm aber im Einzelfall darlegen, dass es sich um erhebliche Gründe handelt. Die erheblichen Gründe sind nach § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 2 ZPO auf Verlangen glaubhaft zu machen; dem ist der Kläger nicht ausreichend nachgekommen. Dies berührt zudem nicht die Pflicht des Beteiligten, selbst die Gründe so genau anzugeben, dass sich das Gericht aufgrund seiner Schilderung ein Urteil über deren Erheblichkeit bilden kann. Deshalb rechtfertigen formelhafte, nicht im Einzelnen nachprüfbare Begründungen eine Terminsverlegung nicht (BFH-Beschluss vom 31. August 1995, VII B 160/94, BFH/NV 1996, 228, BFH-Beschluss vom 17. Mai 2001, X B 12/01, nv, juris), zumal dem Kläger durch Verfügung vom 26. Mai 2009 und 5. Juni 2009 aufgegeben wurde, erhebliche Gründe glaubhaft zu machen. Letztlich war anhand der Angaben des Klägers nicht ausreichend nachprüfbar, ob und ggf. welche Verhinderungsgründe vorlagen, insbesondere, ob diese „erheblich” waren.
2. Die „Verböserung” war auch rechtmäßig. Gemäß § 367 Abs. 2 Satz 1 Abgabenordnung (AO) ist das Finanzamt verpflichtet, auf einen Einspruch hin die Sache in vollem Umfang erneut zu prüfen und ggf. – nach Verböserungshinweis – die Steuer bzw. steuerliche Nebenleistung höher als bisher festzusetzen (§ 367 Abs. 2 Satz 2 AO).
Der Höhe nach war die Zinsfestsetzung nicht zu beanstanden. Danach hätte das Finanzamt von vornherein Aussetzungszinsen in Höhe von … € festsetzen müssen, weil der Rechtsbehelf in Höhe von … € (abgerundet … €) endgültig erfolglos geblieben ist. Die Verzinsung endete am 18. Dezember 2008 und betrug für 75 volle Monate 37,5 %, so dass sich ein Betrag von … € ergab.
3. Der Kläger hat den Einspruch nicht rechtzeitig zurückgenommen. Zwar hat das Finanzamt zunächst dem Kläger eine Frist zur Rücknahme bis zum 15. April 2009 ...