vorläufig nicht rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Inanspruchnahme wegen Gewährleistung nach Betriebsveräußerung
Leitsatz (redaktionell)
- Zum Begriff des Ereignisses i. S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.
- Bei der Veräußerung eines Betriebs, Teilbetriebs oder MU-Anteils handelt es sich um ein einmaliges Ereignis.
- Hat sich der Veräußerer eines Betriebes verpflichtetet, den Erwerber von Schadensersatzforderungen wegen Gewährleistungen aus der Zeit vor der Betriebsveräußerung freizustellen, mindern Zahlungen des Veräußerers, die bei diesem anfallen, rückwirkend den Veräußerungsgewinn gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Das gilt gleichermaßen für Prozesskosten und andere im Zusammenhang mit der Gewährleistung entstehende Aufwendungen.
Normenkette
AO § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; EStG § 16 Abs. 2
Streitjahr(e)
2000
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob Schadensersatzleistungen rückwirkend bei der Ermittlung des Gewinnes aus der Veräußerung des Unternehmens der Kläger berücksichtigt werden können.
Die Kläger betrieben gemeinsam eine Ingenieur- und Architektengemeinschaft (im Folgenden: die Gemeinschaft), die freiwillig Bücher führte und regelmäßig Abschlüsse machte.
Mit notariell beurkundetem „Kaufvertrag über ein Ingenieur- und Architekturbüro” (im Folgenden: der Kaufvertrag) veräußerten die Kläger ihre Beteiligung an der Architektengemeinschaft mit Wirkung zum 4. Januar 2000 zu einem fixen Kaufpreis von 200.000 DM (§ 6 Abs. 1 des Kaufvertrages).
§ 3 Abs. 2 des Kaufvertrages lautet: „Mitübertragen werden ferner – soweit rechtlich möglich – die zu diesem Zeitpunkt von den Verkäufern mit Dritten eingegangenen Verträge über die Erbringung von Ingenieur- und Architektenleistungen, soweit eine endgültige Abwicklung bis zum 04. Januar 2000 nicht stattgefunden hat (…). Die Käufer sind demgemäß verpflichtet, die Verkäufer von allen Verpflichtungen aus den von ihnen übernommenen Verträgen mit Wirkung ab dem 01. Januar 2000 freizustellen”.
In § 4 Abs. 1 des Kaufvertrages wurde vereinbart: „Die Käufer treten mit Wirkung vom 01. Januar 2000 in die von den Verkäufern mit Dritten begründeten Verträge über die Erbringung von Ingenieur- und Architektenleistungen ein (…)”.
§ 7 Abs. 2 des Kaufvertrages lautet: Bezüglich der von den Käufern zu übernehmenden Vertragsverhältnisse hinsichtlich der Erbringung von Ingenieur- und Architektenleistungen haften die Verkäufer für etwaige von ihnen zu vertretende Mängel, sofern diese auf Leistungen beruhen, die von den Verkäufern bis zum 3. Januar 2000 gegenüber den Auftraggebern erbracht wurden. Insofern haben die Kläger als Gesamtschuldner die Käufer von jeglicher Inanspruchnahme durch Dritte freizustellen”.
Der am 18. Mai 2001 erstellte Jahresabschluss der Gemeinschaft auf den 4. Januar 2000 ergab einen laufenden Verlust von 14.124 DM. In der zugleich auf den 4. Januar 2000 erstellten Bilanz zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns wurde lediglich eine Rückstellung für Abschluss und Prüfung (1.500 DM), eine Umsatzsteuerverbindlichkeit (5.026,16 DM) sowie eine kurzfristige sonstige Verbindlichkeit (wg. der vorzeitigen Kündigung eines Telefonvertrages) (582 DM) ausgewiesen. Der Veräußerungsgewinn wurde mit 221.998,30 DM ausgewiesen.
Der Einkünfte der Gemeinschaft für das Streitjahr wurden erklärungsgemäß durch Bescheid vom 27. Dezember 2001 festgestellt.
Am 24. Juni 2004 wurden gegen die Kläger wegen einer von dieser im Juni 1999 in Braunschweig erbrachten Architektenleistung Klage auf Zahlung von Schadensersatz erhoben.
Aufgrund eines Urteils des Oberlandesgerichts Celle vom 16. Juni 2005 wurde die Gemeinschaft zur Zahlung von Schadensersatz aus dem Architektenvertrag verurteilt.
Mit Schreiben vom 4. November 2005 beantragten die Kläger die Änderung des Feststellungsbescheides nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (im Folgenden: AO), hilfsweise nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO, und die Berücksichtigung des Schadensersatzes zunächst im Rahmen des laufenden Gewinnes bzw. Verlustes, später bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinnes.
Im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs vom 12. Februar 2009 verpflichtete sich die Stadt Braunschweig gegenüber den Klägern zur Beteiligung an den Schadensersatzleistungen an die Bauherrin in Höhe von 50%.
Insgesamt hatten die Kläger danach folgende Kosten in Höhe von insgesamt 134.909,34 DM (= 68.978,05 €) zu tragen, die sich wie folgt zusammensetzten:
Schadensersatzleistung |
50.000,00 € |
Rechtsanwaltskosten |
16.226,45 € |
Fahrtkosten |
1.551,60 € |
Sonstige Kosten (Telefon, Steuerberater etc.) |
1.200,00 € |
Durch Bescheid vom 24. Februar 2010 lehnte der Beklagte den Antrag der Kläger auf Änderung des Feststellungsbescheides ab.
Nach erfolglosem Vorverfahren haben die Kläger Klage erhoben.
Sie sind der Auffassung, die Verurteilung zur Zahlung des Schadensersatzes stelle ein rückwirkendes Ereignis dar, weil bei der Bilanzerstellung am 18. Mai 2001 noch nicht mit einer Inanspruchnahme aus dem Architektenvertrag zu rechnen gewesen sei. Dieses sei verfahrensrechtlich nach § 1...