Entscheidungsstichwort (Thema)
sofortige weitere Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des Landgerichts Freiburg vom 15.11.1999 – 4 T 219/99 –
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob verzichtende Gläubiger bei der Abstimmung gemäß § 309 InsO mitzuzählen sind.
1. Zur Haftung des Anlagevermittlers für eine 1996 ausgesprochene Empfehlung, bei der Hanseatischen AG in Hamburg eine Beteiligung als stiller Gesellschafter zu erwerben.
2. Das Berufungsgericht kann bei einer Klage, die in 1. Instanz im Gerichtsstand des § 32 ZPO erhoben wurde, jedenfalls dann über den konkurrierenden vertraglichen Anspruch entscheiden, wenn seine örtliche Zuständigkeit für den vertraglichen Anspruch gegeben ist und die Voraussetzungen einer Klagänderung vorliegen.
Normenkette
InsO § 309 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen 4 T 219/99) |
AG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen 8 b IK 3/99) |
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des Landgerichts Freiburg vom 15.11.1999 wird zugelassen.
Auf die sofortige weitere Beschwerde des Schuldners werden die Beschlüsse des Landgerichts Freiburg vom 15.11.1999 und des Amtsgerichts Freiburg vom 17.06.1999 aufgehoben; das Verfahren wird an das Amtsgericht – Insolvenzgericht – Freiburg zurückverwiesen, welches gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 InsO zu verfahren hat.
Gründe
Durch Antrag vom 25.01.1999 – beim Amtsgericht eingegangen am 09.02.1999 – hat der Schuldner Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Antrag auf Erteilung von Restschuldbefreiung gestellt. In dem beigefügten Schuldenbereinigungsplan waren 2 Gläubiger aufgeführt, die schon im Verfahren auf außergerichtliche Einigung vollständig auf ihre Forderungen verzichtet hatten.
Von den verbleibenden 9 Gläubigern hatten 5 im Insolvenzeröffnungsverfahren den Schuldenbereinigungsplan abgelehnt, während 4 mit einer Mehrheit der Forderungen zugestimmt hatten.
Durch Beschluss vom 17.06.1999 hat das Amtsgericht festgestellt, dass der Schuldenbereinigungsplan in der Fassung vom 20.04.1999 nicht angenommen worden sei. Dabei hat das Amtsgericht es abgelehnt die beiden Gläubiger, die vor Verfahrenseröffnung auf ihre Forderungen verzichtet hatten, im Rahmen der Abstimmung gemäß § 309 InsO mitzuberücksichtigen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 15.11.1999 zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Schuldners. Sie ist darauf gestützt, dass nach dem Sinn der Vorschriften zur Restschuldbefreiung auch die beiden Gläubiger, die ihn vorgerichtlichen Einigungsverfahren auf ihre Forderungen verzichtet hatten, im weiteren Verfahren zu berücksichtigen seien.
Die sofortige weitere Beschwerde des Schuldners ist zulässig; sie ist auch gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 InsO zuzulassen.
Der Senat hätte die sofortige weitere Beschwerde auch zur Entscheidung der Frage zugelassen, ob die beiden Gläubiger, die schon im vorgerichtlichen Einigungsverfahren auf ihre Forderungen verzichtet hatten, im weiteren Verfahren zu berücksichtigen sind. Der Senat hätte diese Frage in Übereinstimmung mit den beiden Vorinstanzen verneint. Durch den Forderungsverzicht, welcher angenommen wurde, sind die Forderungen dieser Gläubiger erloschen. Es ist nicht möglich, jemanden an einem gerichtlich geregelten Verfahren als Gläubiger zu beteiligen, wenn ihm keine Forderung mehr zusteht. Dies zeigt schon die Vorschrift des § 309 Abs. 1 Satz 1 InsO, in welchem es u. a. auf mehr als die Hälfte der Summe der Ansprüche der benannten Gläubiger ankommt. Hier würden Forderungen berücksichtigt, die gar nicht mehr bedient werden können.
Die Frage bedarf jedoch keiner Vertiefung, weil sie im vorliegenden Fall letztlich nicht entscheidungserheblich ist.
Das Landgericht hat am 15.11.1999 entschieden. Am 19.10.1999 war beim Amtsgericht Freiburg ein Schreiben der Rechtsanwälte Dr. E. M. u. Collegen als Verfahrensbevollmächtigte der Gläubigerin F. Leasing eingegangen, in welchem diese dem Schuldenbereinigungsplan des Schuldners unter gewissen Einschränkungen zustimmten. Dieses Schreiben kann nicht als uneingeschränkte Zustimmung gewertet werden, es hätte jedoch Veranlassung geben müssen, gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 InsO zu verfahren.
Das Landgericht hat als weitere Tatsacheninstanz neue Tatsachen bis zu seiner Entscheidung zu berücksichtigen, wenn dies nicht durch das Gesetz ausdrücklich ausgeschlossen ist. Das ist für die vorliegende Fallgestaltung nicht der Fall. Das Landgericht hätte deshalb, wenn ihm das Schreiben bekannt gewesen wäre, den Beschluss des Amtsgerichts aufheben und dieses zum Verfahren nach § 307 Abs. 3 Satz 1 InsO anweisen müssen. Dem Landgericht lag das Schreiben nicht vor, da es ersichtlich beim Beleg des Amtsgerichts verblieb. Dies ändert jedoch nichts daran, dass ein objektiver Verfahrens- und damit auch Verfassungsverstoß i. S. d. Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vorliegt. Deshalb ist die sofortige weitere Beschwerde gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 ...