Leitsatz (amtlich)
1. Die insolvenzrechtliche Fiktion der Fälligkeit (noch) nicht fälliger Forderungen (§ 41 Abs. 1 InsO) betrifft lediglich das Verhältnis zwischen Insolvenzschuldner und -gläubiger, nicht aber die Beziehung des letzteren zu Dritten, etwa zu Bürgen.
2. Jedenfalls dann, wenn es eine Partei alleine in der Hand hat, durch eine eigene Erklärung, etwa durch die Kündigung eines Darlehensvertrags, schon im ersten Rechtszug ihrer Klage zu Erfolg zu verhelfen, sie dies aber unterlässt, hat sie die Kosten des Berufungsrechtszuges zu tragen.
Normenkette
InsO § 41 Abs. 1; ZPO § 97 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Heidelberg (Urteil vom 14.09.2012; Aktenzeichen 2 O 391/11) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Heidelberg vom 14.9.2012 - Aktenzeichen: 2 O 391/11 - unter Aufhebung der Kostenentscheidung wie folgt abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 20.000 nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 27.9.2012 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz haben die Klägerin zu 15 %, der Beklagte zu 85 % zu tragen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten aus einer Höchstbetragsbürgschaft in Anspruch.
Die Klägerin gewährte der X-GmbH mit Vertrag vom 26.3.2007 ein unbefristetes verzinsliches Darlehen i.H.v. EUR 40.000,00. Der Beklagte, der einer der Geschäftsführer der Komplementärin der Hauptgesellschafterin der Darlehensnehmerin ist, verbürgte sich für das Darlehen mit schriftlicher Erklärung vom 29.3.2007 unwiderruflich, unbefristet, unbedingt und selbstschuldnerisch bis zum Höchstbetrag von EUR 20.000,00.
Über das Vermögen der Darlehensnehmerin wurde am 16.4.2007 das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Klägerin meldete noch im gleichen Jahr ihre Forderung zur Insolvenztabelle an. Eine Rückzahlung des Darlehens erfolgte bislang nicht.
Mit Anwaltsschreiben vom 22.12.2008 - zugestellt an den Beklagten am 23.1.2009 - zog die Klägerin die Höchstbetragsbürgschaft gegenüber dem Beklagten und forderte diesen auf, bis spätestens 31.3.2009 EUR 20.000 zu zahlen. Unter dem 2.4.2009 erfolgte eine erneute Fristsetzung bis zum 30.4.2009 und unter dem 18.11.2009 bis zum 18.12.2009.
Die Klägerin hat in erster Instanz die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von EUR 20.000 nebst gesetzlicher Verzugszinsen seit 1.4.2009, der Beklagte - insbesondere unter Erhebung der Verjährungseinrede - die Abweisung der Klage begehrt.
Mit Urt. v. 14.9.2012 - zugestellt an die Klägerin am 18.9.2012 - hat das LG die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen, da mangels Kündigung des gesicherten Darlehens noch keine Fälligkeit des streitgegenständlichen Bürgschaftsanspruchs eingetreten sei. Auf die dortigen tatsächlichen Feststellungen wird Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 24.9.2012 - jeweils zugestellt am 26.9.2012 - kündigte die Klägerin den Darlehensvertrag mit der X-GmbH sowohl gegenüber deren Insolvenzverwalter wie auch gegenüber deren Geschäftsführer und forderte die Hauptschuldnerin zur Rückzahlung des Darlehens nebst angefallener Zinsen auf.
Mit ihrer am 10.10.2012 eingegangenen und begründeten Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren weiter: Die Fälligkeit der Bürgschaftsforderung sei mit Zugang ihres Schreibens vom 22.12.2008 am 23.1.2009 eingetreten. Der - zuletzt fürsorglich ausgesprochenen - Kündigung des Darlehens gegenüber der insolventen Hauptschuldnerin habe es im Verhältnis zum Beklagten als Bürgen nicht bedurft. Dies zu fordern sei bloßer Formalismus, nachdem im Verhältnis zur Hauptschuldnerin das Darlehen als fällig fingiert werde und die Bürgschaftsforderung unstreitig mit ihren - der Klägerin - Aufforderungsschreiben gegenüber dem Beklagten wirksam fällig gestellt und dieser zur Rückzahlung aufgefordert worden sei.
Die Klägerin beantragt daher, den Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an sie EUR 20.000 nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 1.4.2009 zu zahlen.
Der Beklagte beruft sich weiterhin auf die Einrede der Verjährung und beantragt, die Klage abzuweisen.
Zum weiteren Vorbringen der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung der Klägerin hat auch in der Sache weitgehend Erfolg.
Der Klägerin steht - jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung vor dem Senat - der geltend gemachte Anspruch aus der vom Beklagten übernommenen Bürgschaft i.H.v. EUR 20.000 zu (§ 765 Abs. 1 BGB).
1. Das Bestehen einer formwirksamen selbstschuldnerischen Bürgschaft (§§ 765 Abs. 1, 766 Satz 1 BGB) zwischen den Parteien ist ebenso unstreitig wie die Begründung des durch diese bis zur Höhe von EUR 20.000 gesicherten Darlehensrückzahlungsanspruchs (§§ 767 Abs. 1, 488 Abs. 1 Satz 2 BGB...