Trotz Unterschrift: Keine Mithaftung für Autokredit des Ex-Freundes
Mit einer aktuellen Entscheidung führt das OLG Oldenburg die Rechtsprechung des BGH zur Sittenwidrigkeit von Mithaftungserklärungen fort. Danach handelt eine Bank sittenwidrig, wenn sie einen Darlehensvertrag von der Lebensgefährtin ihres Darlehensnehmers zum Zwecke der Mithaftung mitunterzeichnen lässt, obwohl die Bank eine damit verbundene finanzielle Überforderung der Lebensgefährtin erkennen kann.
Bank verklagt Ex-Freundin auf Darlehensrückzahlung
In dem vom OLG entschiedenen Fall verklagte eine Bank die Ex-Freundin ihres Kreditnehmers auf Zahlung einer Restforderung von rund 50.000 EUR aus einem Darlehensvertrag. Der ehemalige Lebensgefährte der Beklagten hatte bei der Bank ein Darlehen in Höhe von ca. 90.000 Euro aufgenommen. Das mit einer monatlichen Rate von ca. 1.000 EUR getilgt werden sollte.
Monatlicher Nettoverdienst von 1.300 Euro
Auf Verlangen der Bank hatte die Beklagte und seinerzeitige Lebensgefährtin des Darlehensnehmers den Kreditvertrag mitunterzeichnet. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete sie als Verkäuferin in einer Bäckerei und verfügte über ein monatliches Nettoeinkommen von rund 1.300 EUR. Dies war der Bank infolge der auch von der Lebensgefährtin eingeholten Auskünfte und Einkommensnachweise bekannt.
Darlehen in Höhe von ca. 50.000 EUR fällig gestellt
Das Darlehen diente dem Ex-Freund zur Umschichtung älterer Kredite und zur Finanzierung eines Autos. Nach ca. 2 Jahren kündigte die Bank den Kreditvertrag und stellte die Restforderung fällig. In der Zwischenzeit hatten sich die Beklagte und ihr Lebensgefährte getrennt. Der Ex-Freund zahlte nicht und war hierzu wohl auch finanziell nicht in der Lage. Deshalb nahm die Bank die Beklagte auf Zahlung in Anspruch.
Klage der Bank erstinstanzlich erfolgreich
Das erstinstanzlich zuständige LG verurteilte die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung der Restforderung. Mit ihrer gegen dieses Urteil eingelegten Berufung hatte die Beklagte vor dem OLG Erfolg.
Beklagte ist nicht Darlehensnehmerin geworden
Das OLG stellte zunächst klar, dass die Beklagte nicht Darlehensnehmerin der Klägerin geworden ist. Zwar habe sie den Darlehensvertrag eigenhändig unterzeichnet, sie habe aus Sicht der Bank jedoch erkennbar kein eigenes Interesse am Abschluss des Darlehensvertrages gehabt. Zweck des Darlehensvertrages seien die Umschuldung von Krediten des damaligen Freundes der Beklagten sowie die Finanzierung eines Autokaufs gewesen. Beides habe für die Bank erkennbar allein den Interessen des damaligen Freundes gedient. Die Beklagte habe erkennbar lediglich aus emotionaler Verbundenheit mit ihrer Unterschrift ihrem damaligen Freund einen Gefallen erweisen wollen.
Unterschrift war inhaltlich eine Mithaftungserklärung
Daraus zog das OLG den Schluss, dass die Beklagte nicht selbst Vertragspartei geworden ist. Mit ihrer Unterschrift unter den Darlehensvertrag habe sie nach dem Sinn des Gesamtgeschehens im Sicherungsinteresse der Bank lediglich eine Mithaftungserklärung für die spätere Erfüllung der Forderungen der Bank aus dem Darlehensvertrag abgegeben.
Mithaftungserklärung war nichtig
Die Mithaftungserklärung bewertete der Senat als eine einseitig belastende Vertragsabrede. Diese sei wegen der für die Bank offensichtlichen, krassen finanziellen Überforderung der Beklagten sittenwidrig und damit nichtig. Die Bank habe die emotionale Verbundenheit der Beklagten zu ihrem damaligen Freund ausgenutzt, um diese zu ihrer Unterschrift zu bewegen. Die Klägerin habe gewusst, dass eine Mithaftung bei einem Gehalt von 1.300 EUR monatlich und einer Darlehensrate von 1.000 EUR monatlich zu einem finanziellen Ruin der Beklagten führen könne. Das Verhalten der Bank widersprach damit nach Auffassung des OLG dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden im Sinne von § 138 BGB.
Berufung erfolgreich
Die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebenden Urteil des LG war daher in vollem Umfang erfolgreich.
(OLG Oldenburg, Urteil v. 29.6.2023, 8 U 172/22)
Hintergrund:
Mit seinem Urteil führt das OLG die Rechtsprechung des BGH zur Sittenwidrigkeit von Darlehensverträgen fort.
Bei fehlendem Eigeninteresse bloße Mithaftung
Der BGH hat in einem Grundsatzurteil im Jahr 2016 entschieden, dass die rechtliche Einordnung der von einem Ehepartner oder Angehörigen eines Darlehensnehmers übernommenen Verpflichtung von der Interessenlage abhängt. Nur wenn der mitunterzeichnende Angehörige als gleichberechtigter Vertragspartner einen eigenen Anspruch auf Auszahlung der Darlehensvaluta haben soll und damit ein eigenes wirtschaftliches Interesse an dem Vertragsabschluss hat, sei er selbst Darlehensnehmer. Diene seine Unterschrift ausschließlich den Sicherungsinteressen der Bank, so handle es sich um eine einseitig belastende Verpflichtung. Diese begründe lediglich eine Mithaftung.
Vermutung für Sittenwidrigkeit bei krasser finanzieller Überforderung
Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist in diesen Fällen nach dem Urteil des BGH davon auszugehen, dass der Darlehensgeber die emotionale Verbundenheit des Mithaftenden zu dem eigentlichen Darlehensnehmer in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat, wenn der Darlehensgeber eine krasse finanzielle Überforderung des Mithaftenden infolge der Mithaftung erkennen konnte. In diesen Fällen sei die Haftungsabrede sittenwidrig, also nichtig nach § 138 BGB. Hierfür spreche eine tatsächliche Vermutung, die der Darlehensgeber nur durch eine substantiierte Darlegung entgegenstehender Tatsachen widerlegen könne (BGH, Urteil v. 15.11.2016, XI ZR 32/16).
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