Geld gegen Umgangsrecht kann sittenwidrig sein
Nach einer Entscheidung des BGH sind Vergleiche, in denen Zahlungen an den sorgeberechtigten, ehemaligen Ehepartner von der Realisierung des Umgangsrechts abhängig gemacht werden, nicht in jedem Fall unwirksam. In besonderen Fällen könne der Umgangsberechtigte ein anerkennenswertes Interesse daran haben, auf diese Weise sein Umgangsrecht leichter umsetzen zu können. Unzulässig ist eine solche Verknüpfung aber immer dann, wenn die Regelung keinen Raum für die Berücksichtigung des Kindeswohls lässt.
Kindesmutter mit 2 Kindern nach Peru umgezogen
In dem vom BGH entschiedenen Fall war die peruanische Ehefrau ihres deutschen Ehemannes nach Trennung der Parteien wieder nach Peru gezogen, wo sie mit den in den Jahren 2012 und 2007 geborenen gemeinsamen Kindern lebte. Einen Umgang des Kindesvaters mit den Kindern ließ sie nur dann zu, wenn dieser sich besuchsweise in Peru aufhielt.
Zugewinnansprüche mit Umgangsregelung verknüpft
Nach Scheidung der Ehe im Jahr 2017 machte die Ehefrau güterrechtliche Ansprüche geltend. In einem vor dem Amtsgericht gerichtlich protokollierten Vergleich wurde vereinbart, dass der Kindesvater und Antragsgegner zur Abgeltung der güterrechtlichen Ansprüche einen Betrag in Höhe von 60.000 EUR in 3-jährlichen Raten zu je 20.000 EUR an die Antragstellerin zahlt. Die Fälligkeit der jeweiligen jährlichen Rate war davon abhängig, dass zuvor ein 3-wöchiger Umgang der gemeinsamen Kinder mit dem Antragsgegner in Deutschland stattgefunden hat.
Güterrechtliches Verfahren durch Vergleich beendet?
Trotz dieses Vergleichs hat die Antragstellerin später die Fortführung des güterrechtlichen Verfahrens beantragt, mit der Begründung, der gerichtliche Vergleich sei nichtig. Der Antrag auf Fortführung des Verfahrens wurde sowohl vom AG als auch im Beschwerdeverfahren vom OLG zurückgewiesen. Nach Auffassung der Gerichte war das güterrechtliche Verfahren durch den Vergleich rechtswirksam beendet worden.
Umgangsvergleich ist sittenwidrig
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin hat der BGH die Entscheidung des Beschwerdegerichts aufgehoben. Der BGH hält die Vereinbarung einer Stundung der geschuldeten güterrechtlichen Zahlungen des Antragsgegners im Hinblick auf die enge Verknüpfung der Fälligkeit der Raten mit der Gewährung des vereinbarten Umgangs mit den Kindern für sittenwidrig und damit für unwirksam.
Kindesmutter sollte finanziell unter Druck gesetzt werden
Nach Auffassung des BGH sollte durch die Verknüpfung der jeweiligen jährlichen Ratenzahlung mit dem zuvor ausgeübten Umgangsrecht mit den Kindern wirtschaftlicher Druck auf die Antragstellerin ausgeübt werden, um diese zur Einhaltung der Umgangsvereinbarung zu bewegen. Damit komme der Drohung mit dem Ausbleiben einer geschuldeten Ratenzahlung ein vertragsstrafenähnlicher Charakter zu.
Verknüpfung geldwerter Aspekte mit Umgangsrecht kann zulässig sein
Dies allein führt nach der Entscheidung des BGH allerdings noch nicht zu einer Sittenwidrigkeit der Verknüpfung von wirtschaftlichen Aspekten mit dem Umgangsrecht. Insbesondere mit Blick auf den Auslandsbezug und die dadurch möglicherweise erschwerte Umsetzung des Umgangsrechts mit den in Peru lebenden Kindern sei das Motiv des umgangsberechtigten Elternteils, mit den Zahlungen ein Druckmittel zur Umsetzung seines Umgangsrechts in der Hand zu haben, nicht von vornherein zu missbilligen. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Durchsetzung des Umgangsrechts für den in Deutschland lebenden Vater mit den üblichen Ordnungsmitteln in Peru ein nur stumpfes Schwert sein dürfte.
Erfordernis der familiengerichtlichen Kindeswohlkontrolle
Der Senat sah aber die Gefahr, dass – wenn auch derzeit keine erkennbaren Anhaltspunkte in diese Richtung deuteten – in Zukunft Umstände eintreten könnten, die eine Ausübung des Umgangsrechts durch den Kindesvater als mit dem Kindeswohl nicht vereinbar erschienen ließen. Die Fassung des Vergleichs lasse für diesen Fall keine Möglichkeit einer familiengerichtlichen Kontrolle der Regelung unter Kindeswohlgesichtspunkten zu. Die Antragstellerin könnte infolge der mit der Nichtgewährung des Umgangs verbundenen wirtschaftlichen Nachteile angehalten sein, sich an die getroffene Regelung selbst dann zu halten, wenn dies aufgrund besonderer späterer Entwicklungen für das Kindeswohl schädlich wäre.
Umgangsregelung sittenwidrig
Im Ergebnis bewertete der BGH die in dem Vergleich getroffene Umgangsregelung wegen der engen Verknüpfung wirtschaftlicher Aspekte mit dem Umgangsrecht ohne Berücksichtigung von Kindeswohlgesichtspunkten als sittenwidrig und daher als unwirksam.
OLG muss über Fortführung des Güterrechtsverfahrens entscheiden
Der Senat hat das Verfahren zur weiteren Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen. Da die Frage des wirksamen Abschlusses des Güterrechtsverfahrens Gegenstand der Rechtsbeschwerde der Antragstellerin war, wird das OLG nun zu entscheiden haben, ob die Sittenwidrigkeit der Umgangsregelung den gesamten Vergleich erfasst. Davon wird abhängen, ob das Güterrechtsverfahren fortgeführt wird oder nicht.
(BGH, Beschluss v. 28.1.2024, XII ZB 385/23)
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