Reform des Abstammungs- und Kindschaftsrechts
Der Bundesjustizminister möchte das Familienrecht modernisieren und die rechtlichen Bestimmungen an die Realität von Trennungsfamilien, Patchwork- und Regenbogenfamilien anpassen. Das BMJ stellt die Reformvorschläge ausdrücklich in den Kontext der geplanten Reformen zum Namensrecht und zum Unterhaltsrecht.
Bewährte Prinzipien des Abstammungsrechts bleiben
Die Vorschläge zur Modernisierung des Abstammungsrechts halten an bewährten Grundsätzen wie dem Zwei-Eltern-Prinzip fest. D. h. Kinder sollen grundsätzlich 2 rechtliche Eltern haben können, von denen die Frau, die das Kind geboren hat, auch künftig stets die rechtliche Mutter des Kindes sein soll. Auch soll der Vater, der bei der Geburt eines Kindes mit der Mutter verheiratet ist und die Vaterschaft anerkennt, der rechtliche Vater des Kindes bleiben.
Was sich im Abstammungsrecht ändern soll
Geplante Neuregelungen sind:
- Gleichgeschlechtliche Paare und verschiedengeschlechtliche Paare sollen gleichgestellt werden.
- Wird ein Kind in einer Partnerschaft von 2 Frauen geboren, soll die Partnerin der biologischen Mutter ohne kostenintensives Adoptionsverfahren die zweite rechtliche Mutter des Kindes werden können.
- Sind beide Frauen verheiratet, soll die Ehefrau der biologischen Mutter kraft Gesetzes rechtliche Mutter werden.
- Ferner soll die Ehefrau der biologischen Mutter durch Anerkennung der Mutterschaft rechtliche Mutter werden können, wie auch jetzt schon ein männlicher Partner die Vaterschaft für ein Kind anerkennen kann.
Ermöglichung von Elternschaftsvereinbarungen
Im Fall von Samenspenden sollen vor Zeugung eines Kindes Elternschaftsvereinbarungen ermöglicht werden. In diesen soll vereinbart werden können, wer neben der biologischen Mutter Vater oder Mutter des Kindes werden soll. Insbesondere bei privaten Spenden (Becherspenden) soll auf diese Weise gesetzlich eine frühzeitige rechtssichere Eltern-Kind-Zuordnung ermöglicht werden.
Stärkung der Rechtsposition biologischer Väter
Die Rechtsposition leiblicher Väter soll durch verschiedene Maßnahmen gestärkt werden.
- Für Väter, die Verantwortung für ihr Kind übernehmen wollen, soll eine rechtliche Sperrwirkung eines anhängigen Vaterfeststellungsverfahrens gesetzlich verankert werden. Dies bedeutet, dass während der Dauer eines gerichtlichen Feststellungsverfahrens kein anderer die Vaterschaft für das betroffene Kind anerkennen kann.
- Darüber hinaus soll derjenige, der von seiner biologischen Vaterschaft überzeugt ist, die rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes grundsätzlich anfechten können, auch wenn eine sozial-familiäre Beziehung des Kindes zu dem anderen Mann bereits besteht. In einem solchen Fall sollen Gerichte künftig eine Einzelfallprüfung dahingehend vornehmen, ob das Interesse am Fortbestand der bisherigen Zuordnung oder das Interesse an der Anfechtung der Vaterschaft überwiegt. Im Zweifel soll zugunsten des Erhalts der gelebten Familie entschieden werden.
- Das Recht des biologischen Erzeugers soll auch in dem Fall gestärkt werden, indem eine mit einem anderen Mann verheiratete Frau von ihm ein Kind erwartet. Unter der Voraussetzung des Einverständnisses des Ehemannes soll der leibliche Vater künftig die Vaterschaft bis spätestens 8 Wochen nach der Geburt des Kindes ohne gerichtliches Verfahren anerkennen können. Die Einleitung eines Scheidungsverfahrens ist hierfür ausdrücklich nicht Voraussetzung.
Mehr Mitbestimmungsrechte für die Kinder
Gestärkt werden sollen auch die Rechte der Kinder. Kinder sollen ihr Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung künftig einfacher durchsetzen können. Im Rahmen eines statusunabhängigen Feststellungsverfahrens soll Kindern ermöglicht werden, durch gerichtlichen Beschluss feststellen zu lassen, ob eine Person ihr leiblicher Vater ist, ohne dass sich an der rechtlichen Elternschaft etwas ändert. Kinder sollen so die Möglichkeit erhalten, feststellen zu lassen, wer ihr leiblicher Vater ist, ohne die rechtliche Bindung zu ihrem bisherigen Vater aufgeben zu müssen.
Erweitertes Samenspenderregister
Schließlich ist der Ausbau des Samenspenderregisters zu einem allgemeinen Spenderregister vorgesehen. Neben Samenspenden aus Samenbanken sollen auch private Samenspenden und Embryonenspenden erfasst werden können.
Änderungen im Kindschaftsrecht
Das Eckpunktepapier zur Reform des Kindschaftsrecht sieht folgende Neuregelungen vor:
- Das in der Praxis bereits vielfach praktizierte Wechselmodell, wonach beide Eltern die Kinder abwechselnd betreuen, soll gesetzlich geregelt werden. Das Gesetz soll sowohl die Vereinbarung eines symmetrischen Wechselmodells (gleich lange Betreuungsabschnitte) als auch eines asymmetrischen Wechselmodells (unterschiedliche Betreuungszeiten) ermöglichen.
- In nichtehelichen Lebensgemeinschaften sollen Väter, die mit der Mutter zusammenwohnen künftig durch eine einseitige, beurkundete Erklärung das Sorgerecht erlangen können, wenn die Mutter nicht widerspricht.
- Für die Eltern sollen Vereinbarungen über das Sorgerecht deutlich vereinfacht werden. U. a. soll auch die Übertragung eines eingeschränkten kleinen Sorgerechts auf 2 weitere Personen zulässig sein.
- Die Vereinbarung eines Umgangsrechts mit Dritten soll ermöglicht werden.
- Kinder sollen ein eigenes Recht auf Umgang mit Großeltern und Geschwistern sowie anderen Bezugspersonen erhalten.
- Ab dem Alter von 14 Jahren soll Kindern ausdrücklich eine Mitentscheidungsbefugnis zum Sorge- und Umgangsrecht eingeräumt werden.
- Für Fälle auftretender Anhaltspunkte für häusliche Gewalt soll das Familiengericht verpflichtet werden, Hinweisen nachzugehen und eine Risikoanalyse durchzuführen. Gegebenenfalls soll das Familiengericht gegenüber gewalttätigen Personen das Umgangsrecht mit dem Kind beschränken oder ausschließen können.
- Künftig sollen auch unverheiratete Paare ein Kind adoptieren können.
Gründliche Gesetzesvorbereitung im Gesamtkontext einer Familienrechtsreform
Das BMJ sieht das Eckpunktepapier zunächst als Diskussionsvorschlag, auf dessen Grundlage unter Beteiligung von Wissenschaft und Praktikern aus der Justiz, die konkret zu treffenden Regelungen für einen Gesetzentwurf erarbeitet werden sollen. Dabei seien auch die bereits vorgestellten Vorschläge zur Reform des Unterhaltsrechts (insbesondere Wechselmodell) und des Namensrechts zu berücksichtigen. Kritiker der Reformpläne haben sich auch schon zu Wort gemeldet. Bemängelt wird u. a., dass die Reformvorschläge keine Regelungen für nicht binäre Personen enthalten.
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