Entscheidungsstichwort (Thema)
Verjährungsbeginn bei Steuerberaterhaftung
Leitsatz (amtlich)
Vom Grundsatz, dass die Verjährung der Ansprüche gegen einen Steuerberater erst mit der Bekanntgabe des Steuerbescheides beginnt, ist eine Ausnahme zu machen, wenn der Fehler des Steuerberaters den Schaden bereits vorher unmittelbar und unkorrigierbar herbeigeführt hat.
Verfahrensgang
LG Mainz (Urteil vom 06.04.2004; Aktenzeichen 2 O 218/03) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des LG Mainz vom 6.4.2004 wird zurückgewiesen.
Die Kläger haben auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Klägern wird gestattet, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der beklagte Steuerberater betreute von Mitte 1990 bis Mitte 1995 die Unternehmen der Familie S., die klagenden Eheleute sowie die im Jahre 2002 verstorbene Mutter des Klägers, die von diesem allein beerbt wurde.
Zwischen den betreuten Firmen H. GmbH und K. & S. GmbH & Co. KG war 1975 ein Organschafts- oder Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag (künftig: EAV) privatschriftlich abgeschlossen worden. Diesem Vertrag wurde anlässlich einer Betriebsprüfung in den Jahren 1998 bis 2000 für die Zeit von 1993 bis 1995, die Anerkennung versagt, u.a. deshalb, weil der Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung nicht notariell beurkundet und der Vertrag nicht in das Handelsregister eingetragen war. Folge davon war, dass die Verluste der H. GmbH der K. & S. GmbH & Co. KG nicht zugerechnet wurden und daher deren Betriebsgewinn nicht minderten. Dies führte zu neuen, im März 2001 erlassenen Steuerbescheiden, und nach der Behauptung der Kläger zu Steuernachforderungen, die bei pflichtgemäßem Verhalten des Beklagten hätten vermieden werden können.
Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. Er sei lediglich zur Fertigung der Jahresabschlüsse und der Steuererklärungen für die Geschäftsjahre 1989 bis 1994 beauftragt gewesen. Der EAV sei auf Nachfrage seines Mitarbeiters J. nicht vorgelegt worden. Abschluss, Inhalt und Wirksamkeit im fraglichen Zeitraum müssten daher bestritten werden. Zudem sei der Vertrag auch aus anderen Gründen (mangelnde Eingliederung und Beherrschung) nicht anerkannt worden.
Das LG hat die Klage aus Gründen der Verjährung abgewiesen. Auf die umfassenden tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil nimmt der Senat Bezug. Allerdings war der Abschluss des EAV 1975, dessen Inhalt und Wirkung entgegen der Darstellung im Tatbestand streitig gewesen. Auf Anforderung des Senats (187, 188 GA) ist der Vertrag nunmehr vorgelegt worden (209-214 GA).
Mit der Berufung machen sich die Kläger die Gründe des Urteils zu eigen, soweit sie ihnen günstig sind (Pflichtverletzung, Kausalität). Die Verjährung habe jedoch nach der Rechtsprechung des BGH frühestens mit der Bekanntgabe der Steuerbescheide im Jahr 2001 beginnen können, sei mit Einreichung der Klage im Juni 2003 unterbrochen worden.
Die Kläger beantragen, unter Änderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an das Finanzamt Bingen-Alzey 219.885,54 Euro zu zahlen nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1.5.2003.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er erneuert und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.
II. Die zulässige Berufung ist nicht begründet, das LG hat zu Recht festgestellt, dass die Ansprüche verjährt sind.
1. Der Beklagte hat die ihm den Klägern sowie der verstorbenen Mutter des Klägers ggü. obliegenden steuerlichen Beratungspflichten schuldhaft verletzt. Auf die Ausführungen des LG (8-12) im angefochtenen Urteil (137-141 GA) nimmt der Senat umfassend Bezug (§ 540 Abs. 1 ZPO).
Von 1990 bis Mitte 1995 war der Beklagte beauftragt, die Jahresabschlüsse und Steuererklärungen der seit 1975 organschaftlich verbundenen Unternehmen sowie der Gesellschafter zu fertigen. Er musste dabei notwendigerweise den EAV berücksichtigen, weshalb er nach eigenen Angaben dessen Vorlage und Einsicht verlangt hatte. Dabei durfte er sich nicht mit der (streitigen) Äußerung des Klägers zufrieden geben, der Vertrag existiere, solle aus Kostengründen nicht geprüft werden (41 GA). Denn der Beklagte musste wegen der zwischenzeitlichen Rechtsprechung des BGH (BGH v. 24.10.1988 - II ZB 7/88, AG 1989, 91 = GmbHR 1989, 25 = MDR 1989, 234 = NJW 1989, 295) mit der Möglichkeit rechnen, dass der Vertrag - wie die Verträge vieler anderer Unternehmen - den formalen Anforderungen nicht genügte. Aus diesem Grunde war nämlich mit dem Erlass des Bundesfinanzministers den Unternehmen eine Übergangsfrist bis zum 31.12.1992 eingeräumt worden. Der für den Beklagten tätige Mitarbeiter J. hätte daher den Kläger bei der Nachfrage auf diese gravierende Änderung hinweisen müssen, um ihm die Notwendigkei...