Leitsatz (amtlich)

Insolvenzanfechtung: Gläubigerbenachteiligung bei Scheckeinlösung durch Überziehung des Kreditrahmens.

 

Verfahrensgang

LG Ellwangen (Urteil vom 20.08.2004; Aktenzeichen 3 O 299/04)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 11.01.2007; Aktenzeichen IX ZR 31/05)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des LG Ellwangen vom 20.8.2004 - Aktenzeichen 3 O 299/04 - abgeändert:

Die Beklagte wird unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an den Kläger 13.869,16 EUR nebst Zinsen i.H.v. 4 % hieraus vom 26.6.2002 bis zum 16.5.2004 sowie i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz p.a. hieraus seit dem 17.5.2004 zu bezahlen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung seitens des Klägers durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

5. Die Revision wird zugelassen.

Gegenstandswert des Berufungsverfahrens: 13.869,16 EUR.

 

Tatbestand

I. Der Kläger verlangt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma H. und V.-S. (im Folgenden Gemeinschuldnerin) von der Beklagten, einer Sozialversicherungsträgerin, im Wege der Insolvenzanfechtung die Rückerstattung bezahlter Beiträge.

Die Gemeinschuldnerin war mit der Begleichung von Sozialversicherungsbeiträgen in Rückstand geraten. Da sie auf verschiedene Mahnschreiben der Beklagten keine Zahlung leistete, beauftragte diese das Hauptzollamt Hamburg-Stadt mit der Beitreibung des offenen Betrags von 13.869,16 EUR im Wege der Zwangsvollstreckung. Am 10.6.2002 suchte ein Vollziehungsbeamter die Geschäftsräume der Gemeinschuldnerin auf. Da diese sich nicht in der Lage sah, den geforderten Betrag zu übergeben, händigte ihr Geschäftsführer zur Abwendung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das bewegliche Vermögen dem Vollstreckungsbeamten einen auf den 24.6.2002 vordatierten Scheck über 13.869,16 EUR aus. Der Scheck wurde an die Beklagte weitergeleitet, von dieser der kontoführenden Bank, der H. Sparkasse, vorgelegt und dem Konto der Gemeinschuldnerin am 25.6.2002 belastet (Anl. K 3 = Bl. 24/5 d.A.).

Die Belastung des Kontos erfolgte, obwohl dieses sich im Zeitpunkt der Abbuchung mit 155.953,80 EUR (Anl. K 3 = Bl. 24/5 d.A.) im Soll befand und die Hamburger Sparkasse der Gemeinschuldnerin vertraglich lediglich einen Kontokorrentkredit bis 102.000 EUR (vgl. Anl. K 4 = Bl. 33/1) eingeräumt hatte. Die Bank duldete die weitere Überziehung der Kreditlinie.

Am 22.7.2002 stellte die Gemeinschuldnerin beim AG Hamburg einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Anl. K 1 = Bl. 24/1 d.A.). Das AG Hamburg entsprach am 24.9.2002 dem Antrag und ernannte den Kläger zum Insolvenzverwalter (Anl. K 2 = Bl. 24/3 d.A.).

Der Kläger hat vor dem LG die Meinung vertreten, ihm stünde gegen die Beklagte im Wege der Insolvenzanfechtung ein Rückgewähranspruch i.H.v. 13.869,16 EUR zu. Es sei von einer inkongruenten Deckung auszugehen, da die Gemeinschuldnerin den vordatierten Scheck zur Abwendung einer Zwangsvollstreckung hingegeben habe, Die Zahlung sei im letzten Monat vor Antragstellung erfolgt. Die erforderliche Gläubigerbenachteiligung liege vor, obwohl das Konto der Gemeinschuldnerin im Debet geführt worden ist und die Auszahlung trotz einer Überschreitung des vereinbarten Kreditrahmens vorgenommen wurde. Die H. Sparkasse habe durch Einlösung des Schecks konkludent den Kreditrahmen erweitert, wodurch die Gemeinschuldnerin liquide Mittel erhalten habe, die wegen des Grundsatzes der Gläubigergleichbehandlung nach den insolvenzrechtlichen Anfechtungsvorschriften in die Masse zurückgeführt werden müssten.

Der Kläger hat beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 13.869,16 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz p.a. hieraus seit dem 26.6.2002 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie war der Ansicht, die streitgegenständliche Zahlung sei nicht anfechtbar, da die Leistung nicht aus dem freien und pfändbaren Vermögen der Gemeinschuldnerin erfolgt sei. Im Fall der lediglich geduldeten Überziehung einer Kreditlinie stünden keine Vermögenswerte in Rede, auf die die Gläubiger zugreifen könnten. Die Zahlung durch das kontoführende Kreditinstitut habe nur dazu geführt, dass eine Verminderung der Verbindlichkeiten ggü. der Beklagten eingetreten sei und in gleicher Höhe die Bank eine Forderung erhalten habe. Das könne eine insolvenzrechtliche Anfechtung nicht rechtfertigen, weil dadurch eine Verschlechterung der Befriedigungsquote der Insolvenzgläubiger nicht eingetreten sei.

Die Parteien haben im Rahmen der Güteverhandlung vor dem LG Ellwangen einen widerruflichen Vergleich abgeschlossen (Bl. 26 d.A.). Für den Fall des Vergleichswiderrufs stellten die Parteienvertreter die angekündigten Anträge und das LG bestimmte einen Termin zu...

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