Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindung des Finanzamts an die gemeindliche Bescheinigung über das Vorliegen von Maßnahmen i.S. von § 177 BauGB bei der Prüfung der Steuerbegünstigung nach § 10f EStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Stellt die Gemeindebehörde in einer Bescheinigung gemäß § 7h Abs. 2 S. 1 EStG das Vorliegen von Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen im Sinne von § 177 des Baugesetzbuches positiv fest, ist die Finanzbehörde hieran bei der Bewilligung der Steuerbegünstigung für die in einem Sanierungsgebiet belegene eigengenutzte Wohnung gebunden. Das gilt auch für die Frage, welchen Umfang die Baumaßnahme haben darf, um noch als (steuerbegünstigte) Sanierung zu gelten, und auch dann, wenn nur sehr wenig von der alten Bausubstanz erhalten und das zu beurteilende Gebäude weitgehend neu errichtet worden ist.
2. Vertritt die Finanzbehörde eine von der Gemeindebehörde abweichende Auffassung, so hat sie nur die Möglichkeit, bei der Gemeinde darauf hinzuwirken, dass diese gegebenenfalls ihre Bescheinigung zurücknimmt oder ändert, und ist nach erfolgloser Remonstration auf den Verwaltungsrechtsweg verwiesen.
Normenkette
EStG § 7h Abs. 2, 1 S. 1, § 10f Abs. 1 S. 1; BGB § 177; AO 1977 § 171 Abs. 10
Nachgehend
Tenor
1. Die Einkommensteuerbescheide für 2003 und 2004 vom 14. Oktober 2005 und 22. Februar 2006 werden unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 16. Oktober 2006 dahingehend geändert, dass jeweils nach § 10f des Einkommensteuergesetzes Aufwendungen von 18.986 EUR wie Sonderausgaben abgezogen werden.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich des sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluß ergebenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 7/6 des vorgenannten Betrages abwenden, es sei denn die Kläger leisten zuvor Sicherheit in dieser Höhe.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, in welchem Umfang die Bescheinigung einer Gemeindebehörde nach § 7h Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für Gewährung des Abzugsbetrages nach § 10f EStG bindend ist.
Die zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Kläger schafften mit Kaufvertrag vom 13. Mai 2002 ein mit einem Wohnhaus wiederzubebauendes Grundstück an. Die Bauarbeiten begannen nach Vertragsschluß. Das neu errichtete Gebäude wurde 2003 fertiggestellt, nachdem der Vorgängerbau – ein ruinöses Wohnhaus aus dem 19. Jahrhundert – bis zum Erdgeschoß abgebrochen war. In das selbstgenutzte Wohnhaus wurden aus Gründen des Denkmalschutzes im wesentlichen die erhaltenen historischen Kellerwände aus Natursteinmauerwerk sowie ein Stück Außenmauer (Höhe 1/3 des Erdgeschosses) integriert. Die Kläger beantragten für die Streitjahre eine Förderung nach § 10f EStG ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 189.853 EUR (240.972,80 EUR von der Gemeindebehörde als bescheinigungsfähig anerkannte Kosten einschließlich 166,50 EUR Gebühren ./. 51.120 EUR Bemessungsgrundlage für Eigenheimzulage). Sie legten unter anderem eine Bescheinigung der Stadt … (G) vor, wonach sich das Gebäude in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet befindet und daß Rekonstruktionsmaßnahmen im Sinne des § 177 des Baugesetzbuches (BauGB) sowie Maßnahmen, die der Erhaltung, Erneuerung und funktionsgerechten Verwendung des Gebäudes, das wegen seiner städtebaulichen Bedeutung erhaltenswert ist, durchgeführt wurden. Weiter heißt es, daß die Bescheinigung „nicht alleinige Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigung [ist]. Die Finanzbehörde prüft weitere steuerliche Voraussetzungen”. Eine betriebsnahe Veranlagung kam zu dem Schluß, daß es sich um ein neues Gebäude handelte und daß der Wertanteil des erhaltenen Kellerwandbereiches gemessen am Gesamtwert der Gebäudekonstruktion als sehr gering – unter 10 v.H. – anzusehen sei. Eine Remonstration gegen die Bescheinigung der Stadt G blieb nach Prüfung indes mit Schreiben vom 13. Juni 2005 erfolglos. Mit Einkommensteuerbescheiden für 2003 und 2004, die zuletzt geändert am 14. Oktober 2005 und 22. Februar 2006 ergingen, setzte der Beklagte die Einkommensteuer auf 9.634 EUR und 11.356 EUR fest, ohne die Abzugsbeträge nach § 10f EStG zu berücksichtigen. Nachdem Einsprüche hiergegen mit Entscheidung vom 16. Oktober 2006 zurückgewiesen waren, erhoben die Kläger am 15. November 2006 Klage.
Sie sind der Auffassung, der Abzug sei zu gewähren. Der Beklagte könne sich nicht auf die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) X R 19/02 vom 14. Januar 2004 (BFHE 205, 87, BStBl II 2004, 711) berufen, weil sie zu § 7i EStG ergangen sei. § 7h EStG, der dem Streitfall zugrunde liege, stelle demgegenüber auf § 177 BauGB ab. Der Beklagte habe daher nur zu prüfen gehabt, inwieweit die Stadt G Baumaßnahmen nach § 177 BauGB bescheinigt habe. Eine solche Bescheinigung liege vor. Sie sei Grundlagenbescheid, dessen Bindung sich darauf erstrecke, ob es sich um ...