rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsteuerabzug aus Gutschriften bei fehlender Selbstständigkeit bzw. mangelndem Verzicht auf die Kleinunternehmereigenschaft der Leistenden. Darlegungs- und Beweislast für tatsachenbegründeten Abzug der Vorsteuer

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Sind die für einen selbständigen Handelsvertreter tätigen Werber trotz fehlender Anmeldung zur Sozialversicherung, fehlendem Anspruch auf Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall nicht selbstständig tätig, weil sie organisatorisch in den Betrieb eingegliedert und weisungsgebunden sind, sowie kein Vermögensrisiko und keine Unternehmerinitiative tragen, scheidet ein Abzug der in den Gutschriften des Handelsvertreters gesondert ausgewiesenen Umsatzsteuer als Vorsteuer aus.

2. Ein Vorsteuerabzug des leistungsempfangenden Gutschriftenausstellers scheidet auch bei unterstellter Selbstständigkeit der leistenden Werber aus, wenn deren Umsätze die Grenzen des § 19 UStG 1993 nicht überschreiten und ein Verzicht auf die Kleinunternehmereigenschaft nicht ersichtlich ist.

3. Der Unternehmer, der den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen will, trägt die Darlegungs- und Feststellungslast für die Tatsachen, die den Vorsteueranspruch begründen,

 

Normenkette

UStG 1993 § 2 Abs. 1, § 15 Abs. 1, § 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 5 S. 1 Nr. 1, § 19 Abs. 1 S. 3; HGB § 87c

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 26.10.2010; Aktenzeichen V B 104/09)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Vorsteuerabzug.

Der Kläger war im Streitjahr 1997 als selbständiger Handelsvertreter in L./B. im Bereich der Mitgliederwerbung für den Verein für Internationale Flugambulanz e.V. (IFA) tätig. Er hatte am 9.12.1996 einen Geschäftsbesorgungsvertrag mit der W. K. KG in H. geschlossen, die die Exklusivrechte zur Werbung von Neumitgliedern/Fördermitgliedern für die IFA besaß. Der K. KG standen danach für geworbene Mitglieder Provisionsansprüche gegen die IFA zu. Für die Werbetätigkeit bediente sie sich der Firma des Klägers, der nach Abschnitt VII des Vertrages verpflichtet war, die Werbetätigkeit entsprechend den Weisungen der KG wahrzunehmen und die für ihn tätigen Werber und die von diesen geworbenen Mitgliedschaften gewissenhaft zu kontrollieren.

Im Streitjahr waren für den Kläger 39 Werber tätig, mit denen jeweils eine „Vereinbarung für Pressevertriebsagenten bzw. freie Handelsvertreter” bestand. Darin übertrug er dem nach §§ 84 ff HGB tätigen Handelsvertreter die Vermittlung von Mitgliedschaften für die IFA. Unter anderem verpflichtete sich der Handelsvertreter, unverzüglich seine gewerbliche Tätigkeit beim zuständigen Gewerbeamt und Finanzamt anzuzeigen und, sofern er in seinen Rechnungen die gesetzliche Mehrwertsteuer ausweisen sollte, monatliche Umsatzsteuervoranmeldungen einzureichen. Es wurde vereinbart, einmal monatlich nach Zahlungseingangslisten der IFA abzurechnen, der Werber könne aber eine wöchentliche Anzahlung für seine Leistung in Rechnung stellen.

Der Kläger reichte im April 1999 eine Umsatzsteuererklärung beim Finanzamt … ein, in der er für 1997 steuerpflichtige Umsätze in Höhe von 321.699 DM (316.463 DM Lieferungen und sonstige Leistungen + 5.236 DM Entnahmen) erklärte sowie Vorsteuern in Höhe von 48.008,97 DM geltend machte, woraus er eine Umsatzsteuer von 246,09 DM errechnete. Das Finanzamt … führte zunächst eine Umsatzsteuersonderprüfung durch, in der folgendes festgestellt wurde (Tz. 15 des Berichts vom 26.7.2000): Die Werbung von Mitgliedern für die IFA erfolgte über freie Mitarbeiter. Der Kläger selbst übernahm Verwaltungs- und Abrechnungsaufgaben. Im November 1997 verlegte der Kläger seine gewerbliche Tätigkeit von L. nach G., wo er seit 1998 auch wohnte (Tz. 9 des Berichtes). An die freien Mitarbeiter zahlte er Provisionen von insgesamt 154.657,81 DM (im ersten Halbjahr 1997 68.163,93 DM, im zweiten 86.493,88 DM), aus denen er die streitige Vorsteuer geltend gemacht hatte. Er erhielt von den einzelnen Mitarbeitern für neu geworbene IFA-Mitglieder sogenannte Umsatzzettel, die er gesammelt mit der W. K. KG abrechnete. Für jedes neu geworbene Mitglied zahlte die K. KG Provisionen an den Kläger, die dieser an die jeweiligen freien Mitarbeiter weiterleitete. Die Abrechnung erfolgte durch den Kläger auf von ihm erstellten Abrechnungsunterlagen. Der Kläger gab bezüglich der Provisionsabrechnungen an, in keinem Fall geprüft zu haben, ob die jeweiligen Mitarbeiter regelbesteuerte Unternehmer seien. Er habe sie nur darauf verwiesen, dass sie Umsätze als gewerbliche Vermittler tätigen würden.

Aufgrund von Auskunftsersuchen stellte der Prüfer fest, dass von den 39 freien Mitarbeitern nur H. D. und O. K. bei den für sie zuständigen Finanzämtern zwar namentlich bekannt, jedoch unbekannten Aufenthalts sind und seit Jahren geschätzt wurden. Auch K. L. war unbekannten Aufenthaltes. Alle anderen freien Mitarbeiter wurden bei ihren Finanzämtern nicht als Unternehmer geführt. Eine Übersicht aller Werber befindet sich au...

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