Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung eines bei einer Flughafen-GmbH Tätigen wegen MfS-Tätigkeit und Falschbeantwortung einer Frage hiernach
Orientierungssatz
1. Einem bei einer GmbH angestellten Arbeitnehmer kann nicht gemäß Anlage I Kap XIX A III Abs 5 Nr 2 EinigVtr gekündigt werden, auch wenn deren Gesellschaftsanteile von der öffentlichen Hand gehalten werden. Dies könnte höchstens dann von Bedeutung sein, wenn der Arbeitgeber unmittelbare Verwaltungsaufgaben, wenn auch in der Form des Privatrecht, wahrnähme. Das ist bei dem Betrieb eines Verkehrsflughafen nicht der Fall.
2. Eine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 Abs 1 BGB oder eine ordentliche Kündigung wegen früherer MfS-Tätigkeit kann auch außerhalb des öffentlichen Dienstes kündigungsrechtlich von Belang sein. So kann etwa der Bereich der betrieblichen Verbundenheit und des Betriebsfriedens betroffen sein, wenn sich herausstellt, daß der Arbeitnehmer frühere eigene Kollegen bespitzelt hatte. Oder der Arbeitgeber müßte darlegen, inwieweit die Zuverlässigkeit des Arbeitnehmers durch eine viele Jahre zurückliegende Tätigkeit als inoffizieller Mitarbeiter betroffen und beeinträchtigt sein soll.
3. Die Falschbeantwortung von Fragen nach einer Tätigkeit für das MfS ist außerhalb des öffentlichen Dienstes nicht kündigungsrelevant.
4. Revision eingelegt unter dem Aktenzeichen 2 AZR 559/00.
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig vom 05.05.1999 - 2 Ca 14146/97 - abgeändert.
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien
weder durch die außerordentliche noch durch die hilfsweise
ausgesprochene ordentliche Kündigung mit Schreiben der Beklagten vom
10.12.1997, dem Kläger am 11.12.1997 zugegangen, aufgelöst worden ist.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwischen ihnen mit Schreiben der Beklagten vom 10.12.1997.
Der am 19.07.1948 geborene Kläger, verheiratet, drei unterhaltsberechtigte Kinder, steht unter Anrechnung einer Betriebszugehörigkeit seit 01.05.1968, seit 19.03.1990 in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten. Er war zunächst als Betriebsleiter vom Dienst in der Abteilung Flugsicherung eingesetzt. Bereits bis 1989 war der Kläger im Bereich Flugsicherung des ... tätig gewesen.
Die ihm in einem von der Beklagten vorgelegten Vordruckfragebogen gestellten Fragen nach einer Tätigkeit für das MfS beantwortete der Kläger am 10.02.1992 mit "nein", ebenso entsprechende Fragen in einem Antrag auf Anerkennung von Beschäftigungszeiten am 20.07.1992. Auf der Rückseite des Vordruckfragebogens gab der Kläger an, er habe im Rahmen seiner Tätigkeit für die Flugsicherung Kontakte zum MfS gehabt.
Im Jahre 1996 wurde bei der Beklagten eine inoffizielle Tätigkeit des Klägers für das MfS bekannt. Auf einer Betriebsratssitzung am 06.12.1996 erklärte der Kläger, der seit 1991 als Betriebsratsvorsitzender bei der Beklagten fungierte, mit den Vorwürfen konfrontiert: "Ja, dazu kann ich Euch etwas sagen. Das stimmt, ich war von 1975 bis zum Ausscheiden aus dem Betrieb Flugsicherung 1988 für das MfS tätig" (siehe auch die schriftliche Erklärung des Klägers vom 06.12.1996, Bl. 15 d. A.).
Mit Arbeitsvertrag vom 12.12.1996 (Bl. 16 bis 19 d. A.) beendeten die Parteien hierauf das bisherige Arbeitsverhältnis einvernehmlich zum 07.12.1996 und vereinbarten eine Weiterbeschäftigung ab 07.12.1996 als vollbeschäftigter Angestellter in der Stabstelle Flugplan bei der Beklagten mit Anwendbarkeit des BAT-O in Vergütungsgruppe IV a BAT-O. In § 11 dieses Arbeitsvertrages legten die Parteien Folgendes fest:
"Herr ... verpflichtet sich eine allumfassende Selbstauskunft bei der
"Gauck-Behörde" über seine frühere Tätigkeit für das Ministerium für
Staatssicherheit zu beantragen und diese nach Erhalt vollständig der
Geschäftsführung der ... vorzulegen. Sollten sich im Rahmen dieser
Selbstauskunft Tatsachen ergeben, die es als unzumutbar erscheinen lassen,
Herrn ... nach der Tätigkeit nach Artikel II § 1 dieses Vertrages zu
beschäftigen, behält sich die ... ausdrücklich vor, das Arbeitsverhältnis
durch Kündigung zu beenden. Herr ... verzichtet unwiderruflich bei einer
entsprechenden Kündigung auf den Einwand, die ... habe mit der
vorliegenden Änderung des Arbeitsvertrages oder dem nachfolgenden
Zeitablauf ihr Recht auf Kündigung verwirkt."
Die Beklagte hatte zunächst mit Schreiben vom 19.12.1996 das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien außerordentlich gekündigt. Das Arbeitsgericht Leipzig stellte mit rechtskräftigem Urteil vom 10.09.1997 (Az.: 2 Ca 57/97, Urteil siehe Bl. 22 bis 36 d. A.) die Unwirksamkeit dieser Kündigung fest und verurteilte die Beklagte zur vorläufigen Weiterbeschäftigung.
Am 11.12.1996 stellte der Kläger einen Antrag auf Akteneinsicht beim BStU und bat am ...