0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift trat aufgrund des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) am 1.1.2018 in Kraft und entspricht abgesehen von redaktionellen Anpassungen dem bis 31.12.2017 geltenden § 31. Die Vorschrift konkretisiert § 42 Abs. 2 Nr. 6 und regelt im Rahmen der Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Leistungsgruppe i. S. d. § 5 Nr. 1) trägerübergreifend die Voraussetzungen und Ziele der Versorgung mit Hilfsmitteln.
Nach der Gesetzesbegründung zu § 31 in der bis 31.12.2017 geltenden Fassung (BR-Drs. 49/01 v. 26.1.2001 S. 318) fasst die Vorschrift "die in den verschiedenen Leistungsbereichen teils gesetzlich (§ 33 SGB V und § 31 SGB VII, § 13 BVG), teils im Wege der Gesamtvereinbarung festgelegten Grundsätze zur Versorgung behinderter Menschen mit Hilfsmitteln zusammen, soweit diese als Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erbracht werden. ... Zu den Hilfsmitteln i. S. dieser Vorschrift gehören auch die nicht ausdrücklich angesprochenen Blindenführhunde sowie Hilfsmittel zur Wahrnehmung von Aufgaben der Familienarbeit. Geleistet werden die erforderlichen technischen Hilfen. Bei Wahl einer hierüber hinausgehenden Ausführung müssen die Mehrkosten vom Leistungsempfänger getragen werden."
Da die aktuelle Vorschrift (§ 47) zum 1.1.2018 lediglich redaktionell angepasst wurde, ist die Gesetzesbegründung entsprechend auf § 47 übertragbar.
1 Allgemeines
Rz. 2
Gemäß § 10 Nr. 1 SGB I und § 4 Abs. 1 Nr. 1 haben Menschen mit Behinderungen oder drohender Behinderung (§ 2 Abs. 1) ein Recht auf Hilfe, um u. a. die Behinderung abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mindern. Zur Verfolgung dieser Ziele kann dieser Mensch Körperersatzstücke, orthopädische und andere Hilfsmittel beanspruchen (vgl. § 29 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d SGB I).
Der Anspruch umfasst auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung sowie die Ausbildung im Gebrauch des Hilfsmittels (vgl. Rz. 47 ff.). Darüber hinaus schließt die Hilfsmittelversorgung die notwendigen Betriebskosten mit ein (BSG, Urteil v. 18.5.1978, 3 RK 47/77).
Hilfsmittel kommen – je nach Zielsetzung –
- bei den Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Rollstühle, Körperersatzstücke, etc., §§ 42 ff., insbesondere § 47; vgl. Rz. 7 ff.),
- bei den Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (z. B. zur Erledigung der beruflichen Tätigkeit am Arbeitsplatz oder zur Erreichung des Arbeitsplatzes, §§ 49 ff., insbesondere § 49 Abs. 8 Satz 1 Nr. 4; vgl. Rz. 34),
- bei den Leistungen zur Bildung (z. B., wenn ein Hilfsmittel benötigt wird, um dem Schulunterricht folgen zu können; § 75; vgl. Rz. 35) und
- bei den Leistungen zur Sozialen Teilhabe (z. B. Mobilitätshilfen, um Freunde besuchen zu können; § 76 Abs. 2 Nr. 8 i. V. m. § 84; vgl. Rz. 36 ff.)
in Betracht.
Rz. 3
§ 47 regelt den Anspruch auf Hilfsmittel. Ziel ist
- einer drohenden Behinderung bzw. der Verschlimmerung einer bereits eingetretenen Behinderung vorzubeugen,
- den Erfolg der Heilbehandlung, die zur Abwendung oder Minderung einer Behinderung durchgeführt wurde, zu sichern oder
- die Folgen einer Behinderung auszugleichen.
Nach der Rechtsprechung (BSG, Urteil v. 7.5.2020, B 3 KR 7/19 R) dient ein Hilfsmittel selbst dann noch der Vorbeugung einer drohenden Behinderung i. S. d. § 47, wenn mit dessen Einsatz im Schwerpunkt die Verschlimmerung der Behinderung verhütet oder der Hinzutritt einer wertungsmäßig neuen Behinderung abgewendet wird. Dagegen zählen Hilfsmittel, die bei noch nicht bestehender oder drohender Behinderung im Einzelfall erforderlich sind, um lediglich den Erfolg der Krankenbehandlung i. S. d. § 33 SGB V zu sichern (z. B. allergendichte Kissen- und Oberbettbezüge, ferner Orthese zur vorübergehenden Ruhigstellung oder Entlastung eines Körperteils) nicht zu den Hilfsmitteln i. S. d. § 47.
Unter Beachtung dieser Grundsätze (medizinische Rehabilitation, Vorbeugung oder Ausgleich einer Behinderung oder der Folgen einer Behinderung) können folgende beispielhaft aufgezählte Hilfsmittel zu den Hilfsmitteln i. S. d. § 47 gehören:
- Prothesen (z. B. Arm-, Bein oder Brustprothesen)
- Absauggeräte
- Adaptionshilfen
- Applikationshilfen
- Bade- und Duschhilfen (z. B. Badenwannenlifter)
- Blindenhilfsmittel
- Einlagen
- Gehhilfen
- Hilfsmittel bei Tracheostoma und Laryngektomie
- Hörhilfen
- Inhalations- und Atemtherapiegeräte
- Inkontinenzhilfen
- Kommunikationshilfen
- Hilfsmittel zur Kompressionstherapie
- behindertengerechte Betten
- Lagerungshilfen
- Mobilitätshilfen (z. B. Rollstuhl)
- Schienen
- Sehhilfen
- Sitzhilfen
- Sprechhilfen
- Stehhilfen
- orthopädische Schuhe
- Toilettenhilfen
- Haarersatz
- behinderungsbedingter Zahnersatz (z. B. nach onkologischem Eingriff am Kiefer).
Rz. 4
Die konkreten Leistungsansprüche des Rehabilitanden ergeben sich nicht aus § 47, sondern aus den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden speziellen Vorschriften (z. B. § 33 SGB V für die Krankenversicherung, § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB VI für di...