Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Umfang der Auswertungs- und Weiterleitungsbefugnis von Erkenntnissen der Steuerfahndung hinsichtlich anonymisiert gestalteter Tafelpapiergeschäfte bei bestehenden Strafverfolgungshindernissen. Berechtigung der Steufa, die im Rahmen richterlicher Beschlagnahmeanordnung bei einer Sparkasse gewonnenen Erkenntnisse über Kapitalvermögen u. -einkünfte der Kunden bei Strafverfolgungshindernissen ausschließlich für Besteuerungs zwecke auszuwerten
Leitsatz (redaktionell)
(1) Führt die Steuerfahndung auf der Grundlage eines amtsgerichtlichen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses bei einem Kreditinstitut steuerstrafrechtliche Ermittlungen durch, hält sie sich im Rahmen des ihr nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zugewiesenen Aufgabenbereichs und ist deshalb nicht gehalten, von einer Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen Abstand zu nehmen, wenn sich ein Strafverfolgungshindernis herausstellt.
(2) Die Befugnis der Steuerfahndung zur Weiterleitung der auf diese Weise gewonnenen, für die Einkunftsermittlung aus Kapitalvermögen relevanten Daten an die für die Besteuerung der Bankkunden zuständigen Finanzämter ergibt sich unmittelbar aus § 208 Abs. 1 Satz 2 AO.
Normenkette
AO § 208 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 2, §§ 30, 30a Abs. 3
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Eilverfahrens über die Frage, ob die Steuerfahndungs(Steufa)-Stelle des Finanzamts die von der Antragstellerin (Astin.) aufgrund eines Beschlagnahme-Beschlusses des Amtsgerichts erlangten Unterlagen über Tafelgeschäfte ihrer Kunden einschließlich von der Steufa angefertigter Notizen über Kapitalvermögen und -einkünfte an die für die Besteuerung der Kunden der Astin. zuständigen Finanzämter weiterleiten darf, und zwar insoweit, als es sich um Kunden handelt, die nicht Vermögenswerte über die Astin. und die Landesbank nach Luxemburg transferiert haben.
Aufgrund von Kontrollmaterial der Gemeinsamen Steufa-Stelle aus strafprozessualen Maßnahmen gegen die Landesbank, wonach verschiedene Geld- und Wertpapiertransfers über die Astin. auf Konten bei der Landesbank International SA, Luxemburg, stattgefunden haben, leitete die Steufa des Antragsgegners (des Finanzamts -FA-) mit Einleitungsvermerk (§ 397 Abs. 2 Abgabenordnung -AO-) vom 20. Juli 1998 ein Steuerstrafverfahren gegen namentlich noch nicht bekannte Kapitalanleger in Luxemburg ein. Begründet wurde die Einleitung mit dem Verdacht, daß die namentlich noch nicht bekannten Steuerpflichtigen (Stpfl.), die über die Sparkasse Vermögenswerte (Geld und Wertpapiere) nach Luxemburg, insbesondere zur Landesbank International SA, Luxemburg, transferiert haben, durch Nichterklärung dieser Vermögenswerte sowie von Einnahmen aus diesen Kapitalanlagen mindestens für die Veranlagungszeiträume von 1992 bis 1996 Umsatzsteuern (USt), Gewerbesteuer (GewSt) und Einkommensteuer (ESt) in noch festzustellender Höhe hinterzogen haben.
In dieser Ermittlungssache ordnete das Amtsgericht mit Beschluß vom Juli 1998 antragsgemäß die Durchsuchung der Geschäftsräume der Astin. gemäß §§ 103, 105 Abs. 1, 162 Abs. 1 Strafprozeßordnung (StPO) und die Beschlagnahme von im einzelnen aufgeführten Bankunterlagen für den Zeitraum 1992 bis 1996 gemäß §§ 94, 98 Abs. 1, 162 Abs. 1 StPO an. Zu den zu beschlagnahmenden Unterlagen gehören gemäß Aufzählung in dem Beschluß u.a.:
e.) Kassenkontrollstreifen sowie alle Unterlagen, die diejenigen Kundenkonten betreffen, von denen die Vermögenswerte abgebucht bzw. entnommen wurden, die in die Schweiz bzw. nach Luxemburg transferiert worden sind,
q.) alle Unterlagen über Tafelgeschäfte, auch soweit sie vor dem 01.01.92 erstellt wor den sind, jedoch gemeinsam mit den noch vorhandenen Kassenprimanoten zur Iden tifizierung von Kapitalanlegern herangezogen werden können.
Mit der Durchsuchung wurde am … November 1998 begonnen. Die Steuerfahnder sahen die Wertpapiergeschäfte 01. Januar bis 31. August 1992, Tafelgeschäfte 1992 und das Werteeingangsbuch durch. Die Prüfung wurde am … November 1998 sowie am … Januar 1999 fortgesetzt. Durchgesehen wurden folgende Unterlagen:
Wertpapieraufträge/Depotaufträge 1 bis 8/92, Schließfachbegehungskarten, Gebührenkonten Nr. 3 und 9, sowie Konto Nr. 7 (Bankenausgang Leitweg), Nr. 5 (Bankenausgang Kasse Soll) Nrn. 6, 4, 8 (Bankenausgang Soll). Eine Ablichtung des Depotbuches wurde der Steufa ausgehändigt.
Durchgesehen und z.T. kopiert wurden ferner die Belege über Tafelgeschäfte 1991, Depotaufträge 1992 und 1993.
Die Durchsicht bezog sich auf die etwaige Einlieferung effektiver Stücke in Kundendepots und Übertragung ins Ausland, insbesondere nach Luxemburg.
Mit Vermerk vom … Januar 1999 erweiterte die Steufa des FA das Steuerstrafverfahren „um den Verdacht der Steuerverkürzung gegen namentlich noch nicht bekannte Kapitalanleger, die im Besitz von Tafelpapieren waren oder sind.”
Zur Begründung heißt es: „Aus bisherigen Prüfungserfahrungen hat sich ergeben, daß Einnahmen aus Tafelpapieren regelmäßig nicht steuerlich erklärt sind. Es besteht daher der Verda...