Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Streit über die Rechtmäßigkeit einer Fusion zweier Krankenkassen. vollzogene Fusionsgenehmigung. Antrag gem § 86 Abs 2 SGG auf Verpflichtung zur Schließung/Rückabwicklung der neuen Krankenkasse. Beteiligtenfähigkeit. Antragsbefugnis: keine Verletzung subjektiver Rechte des Landesverbandes oder einer verbandsangehörigen Krankenkasse
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einem Streit über die Beteiligtenfähigkeit eines Beteiligten wird diese für das Verfahren unterstellt.
2. Bei einem Streit über die Rechtmäßigkeit einer Fusion zweier Krankenkassen ist auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ein Vollzug der Fusionsgenehmigung mit Existenz der neuen Krankenkasse dergestalt zu berücksichtigen, dass sich der Antrag nicht auf die Aufhebung der Genehmigung bezieht, sondern auf die Schließung und Abwicklung der neuen Krankenkasse gerichtet ist.
3. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt wie das Hauptsacheverfahren eine subjektive Rechtsverletzung voraus.
4. Eine subjektive Rechtsverletzung mit der Befugnis, aus dieser zu klagen, liegt bei summarischer Erfolgsprüfung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren weder für den Landesverband noch für eine andere Krankenkasse im gleichen Verband vor, auch wenn es um das Ausscheiden der vorletzten Krankenkasse in dem Verband mit der Folge geht, dass der Landesverband untergeht und die verbleibende Krankenkasse dessen Aufgaben übernimmt.
Tenor
Der Antrag der Antragsteller auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vom 21. April 2010 wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2.500.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller wenden sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes und einer Klage gegen die Fusion der AOK Niedersachsen mit der IKK-Niedersachsen zu der Beigeladenen zu 1).
Im Jahre 2007 fusionierten der IKK-Landesverband Nord und der IKK-Landesverband Niedersachsen zum heutigen Antragsteller zu 1). Dabei umfasste der neue Landesverband die Bundesländer Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. Ihm gehörten zunächst die IKK-Direkt, die IKK-Niedersachsen, die IKK-Weser-Ems und die Antragstellerin zu 2) an. Im Jahre 2008 fusionierten die IKK-Weser-Ems mit der HKK-Bremen zur heutigen HKK und im Jahre 2009 die IKK-Direkt mit der Techniker-Krankenkasse zur heutigen Techniker-Krankenkasse. Die Rechtmäßigkeit dieser Fusion ist Gegenstand des Verfahrens L 5 KR 91/09 KL, anhängig beim beschließenden Senat. Damit gehörten dem Antragsteller zu 1) seit 2009 zunächst nur über die Antragstellerin zu 2) und die IKK Niedersachsen.
Nach ihren Angaben im Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beschloss die Antragstellerin zu 2), sich aufgrund der Verschuldung der IKK-Niedersachsen von dieser zu trennen. Zu diesem Zweck beschloss der Verwaltungsrat in der Sitzung vom 3./4. Dezember 2008 die Verlegung ihres Sitzes nach Bremen. Eine Genehmigung seitens des für die Sitzverlegung zuständigen Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren des Landes Schleswig-Holstein erfolgte nicht.
Am 29. Januar und 4. Februar 2010 schlossen die Verwaltungsräte der IKK-Niedersachsen und der AOK-Niedersachsen gleichlautende Vereinigungsbeschlüsse, jeweils unter dem Vorbehalt des Ergebnisses der kartellrechtlichen Zusammenschlusskontrolle und beantragten die Genehmigung der Fusion bei den Antragsgegnern. Die Antragsgegnerin zu 1) informierte daraufhin den Antragsteller zu 1) über die mit Wirkung zum 1. April 2010 beantragte Vereinigung und gab Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Antragsteller zu 1) wies darauf hin, dass die Fusion die Auflösung des Antragstellers zu 1) und dessen Rechtsnachfolge durch die Antragstellerin zu 2) zur Folge habe. Hier bedürften noch diverse Sachverhalte der Klärung.
Die Antragsgegnerin zu 1) genehmigte die Fusion mit Bescheid vom 12. März 2010, der Antragsgegner zu 2) mit Bescheid vom 17. März 2010. Letzterer erfolgte unter dem Vorbehalt der kartellrechtlichen Zusammenschlusskontrolle, der Bescheid der Antragsgegnerin zu 1) wies auf die ihrer Auffassung nach Unbedenklichkeit des Vorbehalts der kartellrechtlichen Zusammenschlusskontrolle in dem Beschluss der Verwaltungsräte hin. Zwar seien Vereinigungsbeschlüsse unbedingt und vorbehaltlos zu treffen. Da jedoch ausweislich der vorliegenden Bewertung des Bundeskartellamtes vom 5. März 2010 keine Gründe für eine Untersagung des Zusammenschlussvorhabens vorlägen und die Beteiligten damit den angesprochenen Vorbehalt als gegenstandslos ansähen, bleibe nunmehr für Zweifel über den Bestand des Vereinigungsbeschlusses kein Raum mehr.
Am 31. März 2010 haben die Antragsteller Anfechtungsklage gegen die Fusionsgenehmigungsbescheide beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht erhoben (L 5 KR 24/10 KL). Am gleichen Tag hat der Antragsgegner zu 1) mit Bescheid vom 31. März 2010 die sofortige Vollziehung des Bescheides vom 12. März 2010 angeordnet, gerichtet an di...