Prof. Dr. Bernhard Schwarz †
Rz. 18
Für alle anderen Personen nach §§ 34, 35, AO die nicht gesetzliche Vertreter natürlicher Personen sind, ist die Haftung nach Abs. 1 nur dann ausgeschlossen, wenn kein Vermögensvorteil des Vertretenen vorliegt und der Vertretene die Person, die die Tat begangen hat, sorgfältig ausgewählt und beaufsichtigt hat. Abs. 2 S. 2 enthält nämlich keine einfache Rechtsfolgenverweisung (Ausschluss der Haftung), sondern auch eine Verweisung auf die Voraussetzung des S. 1, dass kein Vermögensvorteil erlangt worden ist. Zusätzliche Voraussetzung ist die sorgfältige Auswahl und Beaufsichtigung. Haftungsgrund ist in diesen Fällen nicht nur die Bereicherung, sondern auch das in der mangelnden Auswahl und Beaufsichtigung liegende eigene Verschulden des Vertretenen. Allein das Berufen auf eine fehlende Bereicherung oder stattgefundene Entreicherung (vgl. Rz. 16) führt also ebenso wenig zum Haftungsausschluss wie umgekehrt der Nachweis sorgfältiger Auswahl und Beaufsichtigung bei Vorhandensein eines Vermögensvorteils.
Hat sich der Vertretene bei der Auswahl und/oder Beaufsichtigung anderer Personen (Vertreter) bedient, so hat er sich deren Verschulden zurechnen zu lassen.
Rz. 19
Für den Begriff "sorgfältig" hinsichtlich der Auswahl und Beaufsichtigung kann nicht ein objektiver Maßstab angelegt und die im Rechtsverkehr erforderliche Sorgfalt verlangt werden. Dies ergibt sich außer aus dem Haftungszweck bereits aus der von § 169 Abs. 2 S. 3 AO abweichenden Formulierung des § 70 Abs. 2 S. 2 AO. Andererseits reicht auch nicht die nach einem rein subjektiven Maßstab zu beurteilende übliche Sorgfalt des Vertretenen, die einen schlampig handelnden Vertretenen bevorzugen würde. Maßgebend ist vielmehr, ob der Vertretene die ihm unter den gegebenen Umständen unter Berücksichtigung seiner Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen zuzumutende Sorgfalt gewahrt hat, als er die Person nach §§ 34, 35 AO ausgewählt und beaufsichtigt hat.
Der Haftungsausschluss nach Abs. 2 S. 2 wird üblicherweise als Exkulpation bezeichnet. Darunter wird vielfach ein Entlastungsbeweis des Vertretenen verstanden. Wie bereits nach dem Wortlaut des § 111 RAO kann es auch bei § 70 Abs. 2 AO – abweichend von dem auch insoweit anders formulierten § 169 Abs. 2 S. 3 AO – nicht darauf ankommen, ob der Vertretene einen Entlastungsbeweis führen kann. Im Steuerverfahren gilt der Untersuchungsgrundsatz, so dass das FA das Fehlen des Vermögensvorteils wie auch die angewandte Sorgfalt zu beachten hat. Im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht hat der Vertretene zur Entlastung dienende Umstände darzulegen und Beweismittel aufzugeben. Das ist insbesondere wegen des subjektiven Maßstabs bei der anzuwendenden Sorgfalt bedeutungsvoll. Es gilt hier in der Tat ein subjektiver Maßstab. Der Vertretene trägt insoweit (zur Feststellungslast bei den Haftungsvoraussetzungen s. Rz. 10) auch die Feststellungslast.