Prof. Dr. Bernhard Schwarz †
Rz. 36
Haftungsbegründend ist die rechtsgeschäftliche Übereignung (s. Rz. 18), wenn dadurch der Fortbestand des Geschäfts möglich ist. Unterliegt die wesentliche Grundlage des Betriebs jedoch der Beschlagnahme oder der Pfandverstrickung, so wäre die geschlossene Verwertung der wirtschaftlichen Einheit infrage gestellt, wenn der Erwerber noch mit unbekannten Steuerforderungen rechnen müsste. § 75 Abs. 2 AO soll hier die geschlossene Verwertung des Geschäfts erleichtern. Wird ein Insolvenzverfahren mangels Masse nicht eröffnet, so ist für die Anwendung des Abs. 2 kein Raum. In einem solchen Fall fehlt es allerdings schon vielfach an der Übereignung eines lebensfähigen Unternehmens (vgl. Rz. 5, 32), vor allem, wenn sich der Mangel an Masse daraus ergeben hat, dass die wesentlichen Betriebs-(Unternehmens-)Gegenstände im Eigentum Dritter stehen.
Rz. 37
Ein Unternehmen oder ein Teilbetrieb wird aus der Insolvenzmasse erworben, wenn es oder er zwischen der Eröffnung und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens erworben wird. Voraussetzung des Haftungsausschlusses ist es, dass das Unternehmen bzw. der Teilbetrieb zur Insolvenzmasse gehört. Ist es unpfändbar oder gem. §§ 47, 48 InsO ausgesondert, so scheidet eine Anwendung des Abs. 2 aus. Bei abgesonderter Befriedigung ist zwar kein Erwerb aus einer Insolvenzmasse gegeben. In diesen Fällen ist aber regelmäßig Abs. 2 anzuwenden, da es sich um einen Erwerb im Vollstreckungsverfahren handelt.
Die Übertragung eines Unternehmens/Teilbetriebs aus einer Insolvenzmasse setzt im Übrigen voraus, dass die wesentlichen Grundlagen des Geschäfts (Unternehmen oder Teilbetrieb) zur Insolvenzmasse gehören, so dass sich die Beschlagnahmewirkung der Insolvenzeröffnung auf sie erstreckt.
Rz. 37a
Im Fall der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters fällt der Erwerb eines Unternehmens bzw. Teilbetriebs von diesem ebenfalls unter Abs. 2. Zwar geschieht dies vor der eigentlichen Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Die Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters geschieht jedoch zur Sicherung des Vermögens des Schuldners. Ist die Sicherung am besten durch Veräußerung des Unternehmens/Teilbetriebs zu gewährleisten, so entspricht dies genau der Veräußerung aus der Insolvenzmasse. Abs. 2 ist also in diesem Fall anzuwenden.
Rz. 38
Bis zum 31.12.1998 war der Erwerb eines Unternehmens oder eines Teilbetriebs aufgrund eines Liquidationsvergleichs nach § 7 Abs. 4 der früheren VerglO möglich. Auch dieser Erwerb war nach der früheren Fassung des Abs. 2 von der Haftung des § 75 AO ausgeschlossen. Dies setzte nicht voraus, dass der Vergleichsvorschlag angenommen oder bestätigt worden war. Der Erwerber musste bereits vorher wissen, ob ein Erwerb risikoreich im Hinblick auf § 75 AO war. Ebenfalls war nicht erforderlich, dass eine Verfügungsbeschränkung angeordnet worden war.
Rz. 39
Ein Erwerb im Vollstreckungsverfahren liegt vor, wenn dies im Rahmen der Verwertung, also der Zwangsversteigerung, der besonderen Verwertung, der Versteigerung oder der anderweitigen Verwertung erfolgt. Dies gilt auch im Fall der Verwertung nach diesem Gesetz oder nach anderen Vollstreckungsgesetzen.