Prof. Dr. Alexander Kratzsch
Rz. 13
I. d. R. wird der Wohnsitz dadurch begründet, dass der Stpfl. sich eine Wohnung beschafft, um sie zu bewohnen. Damit sind dann auch die Umstände gegeben, die auf ein Beibehalten und Nutzen schließen lassen. Ausnahmsweise ist kein Wohnsitz begründet, wenn die Verschaffung der Wohnung nur für kurze Zeit geschieht (etwa bis zu 6 Monaten; oder wenn sich aus den sonstigen Umständen ergibt, dass sie nicht beibehalten oder genutzt wird. Die Begründung des Wohnsitzes kann auch dadurch geschehen, dass das Innehaben der Wohnung auf andere Weise hergestellt wird. Zieht nach der Eheschließung der Ehemann in die Wohnung, die seine Ehefrau schon bisher bewohnt hatte, so begründet er damit einen neuen Wohnsitz. Durch die Heirat als solche teilt jedoch der Ehegatte nicht schon die Wohnung des anderen Ehegatten, sodass etwa bei Beibehaltung beider früherer Wohnungen jeder der Ehegatten zwei Wohnsitze hätte. In diesem Fall hat jeder der Ehegatten weiterhin seinen bisherigen Wohnsitz. Nutzen allerdings beide Ehegatten beide bisherigen Wohnungen, so haben sie je zwei Wohnsitze. Ein Wohnsitz in der Wohnung des anderen Ehegatten kann auch dadurch begründet werden, dass äußerlich sichtbare Beziehungen des noch nicht eingezogenen Ehegatten zu der Wohnung hergestellt werden.
In der Begründung eines Wohnsitzes durch einen Ehepartner wird allerdings regelmäßig zugleich auch die Wohnsitzbegründung für den anderen Ehegatten und für die gemeinsamen Kinder liegen, auch wenn die Voraussetzungen des § 8 AO grundsätzlich für jede Person getrennt zu prüfen sind. Auch minderjährige Kinder teilen zwar grundsätzlich den Wohnsitz ihrer Eltern, weil sie über ihre Haushaltszugehörigkeit eine abgeleitete Nutzungsmöglichkeit besitzen und damit zugleich die elterliche Wohnung i. S. d. § 8 AO innehaben, können aber auch eigenen Wohnsitz begründen, da der Wohnsitz nicht zwangsläufig geteilt wird, sondern für jeden Stpfl. gesondert zu prüfen ist. Über das Rechtsinstitut des Familienwohnsitzes kann das "Innehaben einer Wohnung" allerdings durch einen Familienangehörigen vermittelt werden. Diese Aussage gilt uneingeschränkt für das "Beibehalten" eines bereits vorhandenen Wohnsitzes und eingeschränkt für die erstmalige Wohnsitzbegründung; demgegenüber kann ein im Ausland lebender Angehöriger im Inland grundsätzlich keinen Wohnsitz begründen, ohne sich hier aufgehalten zu haben. Diese Vermutungen sind allerdings widerlegbar. Besucht ein Kind auf Dauer ein ausländisches Internat und hält sich nur zweimal jährlich zu Besuchs- und Erholungszwecken im Inland auf, so kann es an einem inländischen Wohnsitz fehlen. Allein das Bereitstehen eines Zimmers für das Kind im Elternhaus reicht für einen Wohnsitz im Elternhaus nicht aus. Maßstab für das Vorhandensein eines Wohnsitzes des Kindes im Inland sind die tatsächlichen Gesamtumstände. Zu diesen gehören das Alter des Kindes, die Dauer und Art der Unterbringung im Ausland (z. B. Wohnen bei den Großeltern) und der Zweck des Auslandsaufenthalts. Bei Kriegsgefangenen und Verschollenen wird angenommen, dass sie vor Eintritt der Gefangenschaft oder Verschollenheit einen Wohnsitz im Inland gehabt haben. Dieser Wohnsitz wird am Wohnsitz der Ehefrau angenommen.
Nach der Fiktion des Art. X des NATO-Truppenstatuts besteht für die Besteuerung dann und solange kein Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt, als ein Mitglied einer Truppe oder eines zivilen Gefolges sich ausschließlich in dieser Eigenschaft im Hoheitsgebiet dieses Staates aufhält. Wenn und solange diese Voraussetzungen nicht bzw. nicht mehr erfüllt sind, ist ein Wohnsitz oder ein gewöhnlicher Aufenthalt unter den normalen Umständen anzunehmen. Das gilt z. B., wenn
- das Mitglied der Truppe oder des Gefolges eine nichtselbstständige oder selbstständige Tätigkeit beginnt,
- wenn ein Wille zur Rückkehr in das Heimatland nach den gesamten Lebensumständen nicht mehr erkennbar ist oder
- sich eine Person auch aus anderen Gründen im Inland aufhält (z. B. u. U. nach Eheschließung mit einem in der Bundesrepublik wohnhaften und berufstätigen Ehepartner).
Zur Regelung des Art. X NATO-Truppenstatut haben sich Abgrenzungsschwierigkeiten für den Wohnsitz insbesondere deutscher Ehefrauen von ausländischen NATO-Truppenangehörigen ergeben, sodass eine Reihe von Entscheidungen ergangen ist. Dasselbe wie nach Art. X des NATO-Truppenstatuts gilt nach Art. 68 Abs. 4 des Zusatzabkommens zum Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrags über die Rechtsstellung ihrer Truppen v. 19.6.1951 (NATOTrStat v. 3.8.1959) für Angehörige der Mitglieder einer Truppe oder eines zivilen Gefolges.