Rz. 1
§ 92 AO enthält allgemeine Grundsätze zur Beweiserhebung und eine nicht abschließende Aufzählung einzelner Beweismittel. Um das Besteuerungsverfahren immer weitgehender von personellen Prüfungsanteilen freizuhalten, nehmen Beweislastentscheidungen und pauschalierende Betrachtungen im materiellen Steuerrecht immer größeren Raum ein, sodass kaum Anwendungsfälle für eine Beweiserhebung zu finden sind. Gleichwohl hat die Regelung zur Ertüchtigung des Verifikationsgebots nach wie vor ihre Rechtfertigung. Die Vorschrift entspricht weitgehend § 26 Abs. 1 VwVfG und § 21 Abs. 1 SGB X. Aus §§ 85, 88 AO ergibt sich für die Finanzbehörden das Recht und zugleich die Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts. Die Finanzbehörden haben die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben und den für die Besteuerung relevanten Sachverhalt sowohl zulasten als auch zugunsten des Beteiligten von Amts wegen zu ermitteln. Die Befugnis zur Beweiserhebung folgt somit bereits aus § 88 AO. Dies gilt allerdings seit der Änderung des § 88 Abs. 2 Satz 2 AO im Jahre 2016 nur bis zur Grenze der Unwirtschaftlichkeit. Damit hat eine Beweiserhebung zu unterbleiben, wenn der hiermit verbundene Aufwand nicht im Verhältnis zur fiskalischen Auswirkung des Beweisergebnisses steht. § 92 AO nennt sodann die Mittel der Beweiserhebung und bestimmt, auf welche Art und Weise die Finanzbehörde Beweis zu erheben hat. Die Norm beinhaltet die generelle Ermächtigungsgrundlage dafür, zur Aufklärung des Sachverhalts Beteiligte, andere Personen, Sachverständige und duldungspflichtige Dritte heranzuziehen. Die Befugnis und die besonderen Voraussetzungen zur Anwendung des jeweiligen Beweismittels, besondere Verfahrensregelungen sowie Verweigerungsrechte enthalten schließlich die Spezialregelungen der §§ 93–106 AO.
Im Einzelnen:
Zudem gelten die verfassungsrechtlichen Schutzbereiche, die Eingriffe in den grundrechtlich geschützten Kernbereich ausschließen (z. B. Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 GG im Rahmen der Auskunftspflicht, Schutz der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG, sowie der Schutz der Wohnung nach Art. 13 GG).
Rz. 2
Der Beweismittelkatalog des § 92 S. 2 AO nennt die klassischen Beweismittel der ZPO und StPO sowie des Verwaltungs- und Finanzgerichtsverfahrens.
Die Aufzählung ist nicht abschließend ("insbesondere"). Die Behörden können sich im Rahmen ihres Ermessens vielmehr aller Beweismittel bedienen, die für die Sachverhaltsermittlung geeignet sind (Prinzip des Freibeweises). Letztlich handelt es sich aber bei nahezu allen denkbaren Erkenntnisquellen um einen Katalogbeweis: die vielfach als sonstige Beweismittel aufgeführten Kontrollmitteilungen, Urkunden bzw. Akteninhalte, Mitteilungen anderer Behörden im Weg der Amtshilfe, Auskünfte, Urkunden bzw. Akteninhalte anderer Behörden, Vorlage von Wertsachen, Einnahme des Augenscheins. In Betracht kommt auch die Heranziehung von Ermittlungsergebnissen ausländischer Behörden, wobei die Erlangung der Beweismittel nach Maßgabe des nationalen Rechts zulässig sein muss, sollen sie nicht einem Beweismittelverbot unterfallen.
Rz. 2a
Die Finanzbehörden sind auch nicht daran gehindert, sog. verfahrensfremde Beweismittel heranzuziehen und diese nach Anhörung der Beteiligten frei zu würdigen. Hierzu zählen Beweise, die von anderen Behörden oder von Arbeits-, Sozial-, Straf-, Verwaltungs- und Zivilgerichten erhoben worden sind.
Rz. 3
Anders als z. B. im finanzgerichtlichen Verfahren beinhaltet die Beweiserhebung nach der AO kein förmliches Beweisverfahren. Die Finanzbehörde entscheidet vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen, welches Beweismittel sie zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält.
Rz. 4
Als allgemeine Verfahrensvorschrift gilt die Norm im gesamten Besteuerungsverfahren und damit gleichermaßen im Festsetzungs-, Erhebungs- und Vollstreckungsverfahren. Die Durchgängigkeit der damit einhergehenden behördlichen Ermittlungsbefugnisse dient dem aus Art. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten und in § 85 AO für das Steuerverfahren ausdrücklich geregelten Gebot der gesetz- und gleichmäßigen Besteuerung.
Für die besonderen Verfahren der Außenprüfung, der Steuerfahndung und der Steueraufsicht wird die Regelung durch die spezielleren Normen der §§ 200, 208, 210 und 211 AO teilweise modifiziert und ergänzt.
Für das Steuerstraf- und Steuerbußgeldverfahren, die keine Besteuerungsverfahren im eigentlichen Sinn sind, gilt die Norm hingegen nicht. In diesen Verfahren greifen die Vorschriften der StPO und des OWiG.
Rz. 5
Die Vorschriften der §§ 93ff. AO stellen über die allgemeinen Ermessensgrenzen (vgl. Rz. 16ff.) hinaus eine von den Finanzbehörden zu beachtende Rangfolge der Beweismittel auf. So sollte die Vorlage v...