Rz. 22

Die Finanzbehörde ist in der Bewertung von ihr ermittelter Sachverhalte grundsätzlich frei. Ist ihre Sachkunde jedoch nicht hinreichend, den Informationsgehalt der vorläufigen Ermittlungsergebnisse zutreffend zu erfassen, kann sie einen Sachverständigen als Hilfsperson zuziehen.[1] Einzelheiten ergeben sich aus den Ausführungsvorschriften der §§ 96, 104 AO.

Sachverständige sind Personen, die der (Finanz-)Behörde das ihr fehlende Fachwissen zur Beurteilung von Tatsachen vermitteln.[2] Der Sachverständige verfügt in einem bestimmten Gebiet über besondere Erfahrung und besonderes Wissen. Diese Sachkenntnis vermittelt er der insoweit nicht sachkundigen Behörde im Weg eines Gutachtens. Die Sachverständigenleistung ist also Bewertungsleistung. Die Zuziehung kommt sowohl zur Feststellung von äußeren und inneren Tatsachen, von allgemeinen Erfahrungssätzen als auch zur Klärung von Schlussfolgerungen, die aus einem allgemeinen Erfahrungssatz für einen konkreten Sachverhalt zu ziehen sind, in Betracht.[3]

Die Abgrenzungskriterien zur Auskunftsperson sind im Wesentlichen folgende:

  • Die Sachverständigeneigenschaft setzt z. B. durch eine berufliche Ausbildung oder einen großen Erfahrungsschatz auf dem zu beurteilenden Gebiet nachweisbare besondere Sachkunde voraus, während Auskunftspersonen keine weiteren Qualifikationsmerkmale erfüllen müssen.
  • Der Sachverständige sagt über gegenwärtige Tatsachen und Umstände aus, während Gegenstand der Bekundungen der Auskunftsperson solche der Vergangenheit sind.
  • Der Sachverständige bewertet die ihm vorliegenden Sachverhalte im Weg sachkundiger Schlussfolgerung, während die Auskunftsperson Wahrnehmungen möglichst wertungsfrei wiedergibt.
  • Der Sachverständige ist anders als die Auskunftsperson, die an der Einmaligkeit des von ihr wahrgenommenen Erlebnisgeschehens teilgenommen haben muss, i. d. R. austauschbar. Er kann durch jede beliebige andere Person mit entsprechendem Fachwissen ersetzt werden.[4]

Die Unterscheidung des Sachverständigen von der Auskunftsperson ist ggf. nur im Weg einer Kombination der Merkmale möglich, da auch Auskunftspersonen über sachverständigentypische Eigenschaften verfügen können.

 

Rz. 23

Deutlich wird das Abgrenzungsproblem am Beispiel der sog. sachverständigen Auskunftsperson. Diese sagt nämlich über Tatsachen oder Zustände aus, die sie nur aufgrund ihrer besonderen Sachkunde hat wahrnehmen können. Nach den gesetzlichen Regelungen[5] sind diese sachkundigen Personen ausschließlich Zeugen bzw. Auskunftspersonen.

[2] BVerwG v. 27.6.1974, I C 10/73, BVerwGE 45, 235.
[3] Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Aufl. 2022, § 26 VwVfG Rz. 27; Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 92 AO Rz. 55.
[4] Vertretbarkeit des Sachverständigen; Söhn, in HHSp, AO/FGO, § 92 AO Rz. 56.

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