Rz. 1
Die Versicherung an Eides statt ist die stärkste Beteuerungsform eines Beteiligten im Besteuerungsverfahren. § 95 Abs. 1 AO trifft Regelungen zu den persönlichen (vgl. Rz. 6ff.) und sachlichen Voraussetzungen (vgl. Rz. 11ff.), Abs. 2 bis 5 zum Verfahren (vgl. Rz. 21ff.) und Abs. 6 zur Nichterzwingbarkeit (vgl. Rz. 32) der eidesstattlichen Versicherung. Sie dient als ergänzendes Beweismittel der qualifizierten Glaubhaftmachung einer steuererheblichen, aufklärungsbedürftigen, entscheidungsrelevanten und in ihrem Wahrheitsgehalt zweifelhaften Beteiligtenauskunft nach § 93 AO. Die Aufnahme einer Versicherung an Eides statt fällt – anders als eine eidliche Vernehmung nach § 94 AO – nicht in den Zuständigkeitsbereich der Gerichte, sondern ist den Finanzbehörden überlassen. Die praktische Bedeutung der Norm ist gering. Die Finanzbehörden machen von ihr nur selten Gebrauch.
Rz. 2
Eine Vorschrift mit ähnlichem Regelungsinhalt findet sich in § 27 VwVfG. Dort ist die Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung aber nicht im allgemeinen Verwaltungsverfahren als Beweismittel zulässig. Die behördliche Befugnis hängt vielmehr davon ab, dass die Abnahme durch Gesetz oder Rechtsverordnung ausdrücklich vorgesehen ist. Im Zivilprozess ist die Versicherung an Eides statt ein Beweismittel in allen Fällen, in denen die Glaubhaftmachung eines Tatsachenvortrags zugelassen ist.
Rz. 3
Als allgemeine Verfahrensvorschrift gilt § 95 AO in allen Sachaufklärungsverfahren und damit ohne Einschränkungen auch im Rechtsbehelfs-, Außenprüfungs- und Steuerfahndungsverfahren. Die Norm kann über § 249 Abs. 2 AO auch im Vollstreckungsverfahren herangezogen werden.
Weitere Erscheinungen der Versicherung an Eides statt finden sich noch in § 16 Abs. 2 AStG, wenn der Stpfl. behauptet, ihm seien (weitere) Tatsachen nicht bekannt bzw. wenn er die Richtigkeit seiner Angaben versichern soll und in § 90 Abs. 2 S. 3 AO. Erstere enthält einen Rechtsfolgenverweis, während letztere als lex specialis eigene Voraussetzungen (keine Auskunftsklausel mit dem anderen Staat) für die Abgabe der Versicherung an Eides statt enthält.
Als Gegengewicht zu dem hohen Druck, mit dem die Finanzbehörden die Ermittlung des Steuersachverhalts betreiben können, dient das Steuergeheimnis, durch das die Finanzbehörde ihrerseits unter Strafandrohung die ermittelten Angaben des Stpfl. zu schützen verpflichtet ist. Dieses Gleichgewicht gerät immer mehr ins Schwanken, da die Erlaubnistatbestände, in denen die Finanzbehörde so erlangte Erkenntnisse weitergeben dürfen, kontinuierlich ausgeweitet werden. Hält diese Entwicklung weiter an, steht zu befürchten, dass – insoweit vergleichbar zu anderen Verwaltungszweigen – auch im Besteuerungsverfahren auf die üblichen Erkenntnismittel zurückgegriffen werden muss, da die erheblichen Eingriffsbefugnisse der Finanzbehörden nicht länger als dem Schutzinteresse des Auskunftspflichtigen angemessen anzusehen sind.
Rz. 4
Die Finanzbehörden gehen im Rahmen der Vollstreckung in das bewegliche Vermögen wegen Geldforderungen aber regelmäßig nach der Spezialregelung des § 284 AO vor. Eine ermessensfehlerfreie Anwendung des § 284 AO setzt nicht voraus, dass die Finanzbehörde zunächst vergeblich die auf § 249 Abs. 2 AO i. V. m. § 95 AO gestützte Abgabe eines Vermögensverzeichnisses und die eidesstattliche Versicherung der darin gemachten Angaben verlangt hat. Dies gilt selbst für den Fall, dass der Vollstreckungsschuldner die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach § 95 AO ohne die Folge einer Eintragung in das Schuldnerverzeichnis freiwillig angeboten hat. Anderenfalls könnte der Vollstreckungsschuldner die Rechtsfolge des § 284 Abs. 7 AO (Eintragung in das Schuldnerverzeichnis) ohne Weiteres unterlaufen. Auch etwaige – mit der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis einhergehende – berufsrechtliche Folgen führen zu keiner Begrenzung des der Finanzbehörde zustehenden Ermessens. Schließlich steht es einer auf § 284 AO gestützten Aufforderung zur Abgabe einer Versicherung an Eides statt nicht entgegen, dass der Vollstreckungsschuldner zuvor bereits eine eidesstattliche Versicherung nach § 95 AO abgegeben hat.
Rz. 5
Die Vorschrift begründet keine eigenständige Auskunftspflicht. Sie setzt deren Bestehen nach § 93 AO vielmehr voraus und bedarf grundsätzlich auch einer hiernach bereits erteilten Auskunft. Hinsichtlich dieser Auskunft muss die Finanzbehörde Zweifel in Bezug auf den Wahrheitsgehalt haben.