Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung Krankengeld
Leitsatz (amtlich)
Für die Deckelung von Krankengeld durch die Höhe zuvor gewährten Übergangsgeldes fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage.
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 10.11.2015 und der Bescheide vom 24.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.09.2016 verurteilt, dem Kläger ab dem 10.10.2015 Krankengeld unter Zugrundelegung eines Regelentgelts von 67,33 €, also in Höhe von 47,13 € (brutto), zu gewähren und die Leistungen ab dem 01.04.2016 entsprechend in gesetzlicher Höhe zu dynamisieren.
2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe von Krankengeld und speziell die Frage im Streit, ob die Begrenzung des Krankengeldes auf die Höhe des zuvor gewährten Übergangsgeldes zulässig ist.
Der am ... geborene Kläger führte vom 12.01.2015 bis zum 09.10.2015 eine Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben zu Lasten der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) durch. Seit dem 09.10.2015 war der Kläger arbeitsunfähig. Die DRV Bund zahlte ein kalendertägliches Übergangsgeld als Leistung zum Lebensunterhalt nach § 45 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung i.V.m. § 20 SGB VI in Höhe von 41,11 € bis zum 09.10.2015, wobei sie von einem Regelentgelt von zuletzt 86,03 € ausging.
Nach Erkrankung des Klägers und dadurch bedingter Beendigung der Reha-Maßnahme bewilligte die beklagte gesetzliche Krankenversicherung dem Kläger mit Bescheid vom 10.11.2015 Krankengeld ab dem 10.10.2015 in Höhe von kalendertäglich 36,62 € netto (brutto 41,11 € abzüglich 3,84 € Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung und 0,65 € Beiträgen zur gesetzlichen Pflegeversicherung).
Der Kläger legte mit Schreiben vom 18.11.2015 Widerspruch bezüglich der Höhe des Krankengeldes ein. Die Beklagte setze für die Berechnung des Krankengeldes das Übergangsgeld in Höhe von 41,11 € als Bruttoentgelt an und ziehe hiervon Beiträge ab, beachte hierbei jedoch nicht, dass es sich insoweit bereits um ein Nettoentgelt handele. Als Bemessungsgrundlage sei das zuletzt bezogene Einkommen anzusetzen und nicht das zuvor bezogene Übergangsgeld, bei dem es sich bereits um eine Lohnersatzleistung handele.
Die Beklagte wies den Kläger darauf hin, dass das Krankengeld für das Übergangsgeld eine Entgeltersatzfunktion ausübe, weswegen das davor bezogene Arbeitsentgelt nicht berücksichtigt werden könne.
Mit einem ersten Änderungsbescheid vom 24.06.2016 erfolgte eine Neuberechnung des Krankengeldes für die Zeit ab dem 10.10.2015. Die Neuberechnung der Leistung führte zu einer Verminderung des Beitrags zur Pflegeversicherung um 0,03 €, was zu einer Erhöhung des netto gezahlten Krankengeldes auf 36,65 € führte.
Mit einem zweiten Änderungsbescheid vom 24.06.2016 wurde das Krankengeld für die Zeit ab dem 01.04.2016 auf netto 37,61 € erhöht (42,19 € brutto abzüglich 3,94 € Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung und 0,64 € Beiträgen zur gesetzlichen Pflegeversicherung).
Anschließend wies die Beklagte den darüberhinausgehenden Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 15.09.2016 als unbegründet zurück. Nach § 47 Abs. 1 SGB V betrage das Krankengeld 70 % des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommen, soweit es der Beitragsberechnung unterliege (Regelentgelt). Die Ermittlung des Regelentgelts sei für Arbeitnehmer in § 47 Abs. 2 SGB V festgelegt. Abweichend davon gelte nach § 47 Abs. 4 Satz 2 SGB V für Rehabilitanden als Regelentgelt der kalendertägliche Betrag, der zuletzt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit für die Beitragsbemessung maßgeblich gewesen sei. Für Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, die im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 6 SGB V versicherungspflichtig seien, gelten als beitragspflichtige Einnahmen 80 % des Regelentgelts, das der Berechnung des Übergangsgeldes zugrunde liege, § 235 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe mit Beschluss vom 11.01.1995 (1 BvR 892/88) entschieden, dass die Berechnung laufender Lohnersatzleistungen nicht zu einer Verzerrung der wirtschaftlichen Situation von Versicherten oder gar zu einer Besserstellung gegenüber ihrer Situation ohne Eintritt des Versicherungsfalles führen dürfe. Dementsprechend habe auch das Bundessozialgericht (BSG) immer wieder die Entgeltersatzfunktion des Krankengeldes betont. Demnach könne Krankengeld grundsätzlich nur als Ersatz für diejenigen Einkünfte beansprucht werden, die der Versicherte vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bzw. vor Beginn der stationären Behandlung als Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen bezogen habe und die wegen der Erkrankung entfielen. Das zur Beitragserhebung heranzuziehende fiktive Einkommen sei nicht zu berücksichtigen, selbst wenn Versicherte betroffen seien, die keine Arbeitnehmer seien, sodass § 47 Abs. 4 Satz 2 SGB V auf die Beitragsbemessung verweise. Dieser aufgezeigte Grundsatz habe auch insoweit Ausdruck im Gesetz gefunden, als § 44 Abs. 1 Satz 2 SGB V