Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Berufsausübungsgemeinschaft. Job-Sharing-Verhältnis. Gesamtpunktzahlvolumen. Regelung des § 44 Abs 2 SGB 10 findet neben § 44 S 2 und 3 BedarfsplRL Anwendung. Berücksichtigung eines deutlich veränderten, angezeigten und nachgewiesenen Leistungsverhaltens
Leitsatz (amtlich)
1. § 44 Abs 2 SGB 10 kann neben § 44 S 2 und 3 BedarfsplRL - BPL-RL (juris: ÄBedarfsplRL) angewandt werden. Die Sonderregelungen in der BedarfsplRL betreffen lediglich Veränderungen in der Zukunft, nicht aber anfänglich rechtswidrige Festsetzungen.
2. Nach § 42 Abs 1 S 7 BedarfsplRL ist ein deutlich verändertes und angezeigtes und nachgewiesenes Leistungsverhalten innerhalb der Partner einer Berufsausübungsgemeinschaft zwischen den Aufsatzquartalen und dem Beginn des Job-Sharings bei der Festsetzung der Obergrenzen zu berücksichtigen (zT entgegen SG Düsseldorf vom 18.3.2015 - S 2 KA 132/13, RdNr 23).
Orientierungssatz
Az beim LSG Darmstadt L 4 KA 33/15.
Tenor
1. Unter Aufhebung des Beschlusses des Beklagten vom 16.07.2014 wird der Beklagte verpflichtet, den Kläger über seinen Widerspruch unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
2. Der Beklagte und die Beigeladene zu 1) haben jeweils zu ½ die Gerichtskosten zu tragen und dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Neufestsetzung des Gesamtpunktzahlvolumens im Rahmen eines sog. Job-Sharing-Verhältnisses mit der seit dem 23.02.2010 angestellten Ärztin Frau Dr. med. F.
Der Kläger ist als Kardiologe zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er ist mit den Kardiologen Dr. C., Prof. Dr. D. und Frau Dr. med. E. in einer Berufsausübungsgemeinschaft (im Folgenden: BAG) mit Praxissitz in A-Stadt tätig. Die BAG gab gegenüber der zu 1) beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung Hessen mit Datum vom 14.03.2007 an, bzgl. der Erweiterten Honorarverteilung (EHV) sollten ab 01.04.2007 folgende Aufteilungsprozentsätze gelten: der Kläger 25 %, Herr Dr. C. 25 %, Herr Prof. Dr. D. 50 %. Für die Zeit ab 01.03.2009 gab die BAG mit Datum vom 26.02.2009 an, es sollten folgende Aufteilungsprozentsätze gelten: der Kläger 40 %, Herr Dr. C. 40 %, Herr Prof. Dr. D. 10 % und Frau Dr. med. E. 10 %. Für die Zeit ab 01.01.2011 gab die BAG unter Datum vom 20.01.2011 folgende Aufteilungsprozentsätze an: der Kläger 40 %, Herr Dr. C. 40 %, Herr Prof. Dr. D. 10 % und Frau Dr. med. E. 10 %. Diese Angaben wiederholte die BAG unter Datum vom 13.07.2011.
Der Zulassungsausschuss für Ärzte bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen gab mit Beschluss vom 23.02.2010 dem Antrag des Klägers mit Datum vom 21.12.2009 auf Beschäftigung der Kardiologin Frau Dr. med. F. als angestellte Ärztin mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden gem. § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V in Verbindung mit § 32b Ärzte-ZV mit Wirkung zum 23.02.2010 statt. Das quartalsbezogene Gesamtpunktzahlvolumen legte er auf der Grundlage der Honorarbescheide der vier vorausgegangenen Quartale (III/08 bis II/09), wobei er jeweils zuzüglich 3 % des Fachgruppendurchschnitts des entsprechenden Quartals hinzurechnete, wie folgt fest:
|
Jahresquartal |
Punktzahl der Klägerin |
3 % der Punktzahl der Fachgruppe |
Gesamtpunktzahlvolumen für das 1. Leistungsjahr |
1 |
2.426.877,6 |
69.516,5 |
2.496.394,1 |
2 |
3.360.256,1 |
64.166,0 |
3.424.422,1 |
3 |
1.564.718,3 |
62.802,2 |
1.627.520,5 |
4 |
1.643.069,1 |
64.093,8 |
1.707.162,9 |
Ausweislich des von den Mitgliedern der BAG unterschriebenen Berechnungsbogens mit Datum vom 15.02.2010 ging der Zulassungsausschuss von einem EHV-Anteil des Klägers von 40 % aus, setzte diesen Prozentsatz aber bei der Berechnung der Quartalsvolumina nur für das Ausgangsquartal II/09 fest, für die Quartale III/08 bis I/09 ging er von 25 % aus.
Der Zulassungsausschuss korrigierte mit Beschluss vom 24.08.2010 die Gesamtpunktzahlvolumina für die Quartale 3 und 4 geringfügig, da für diese Quartale zunächst keine aktuellen Zahlen für die Berechnung vorgelegen hätten. Er setzte das quartalsbezogene Gesamtpunktzahlvolumen wie folgt fest:
|
Jahresquartal |
Punktzahl der Klägerin |
3 % der Punktzahl der Fachgruppe |
Gesamtpunktzahlvolumen für das 1. Leistungsjahr |
1 |
2.426.877,6 |
69.516,5 |
2.496.394,1 |
2 |
3.360.256,1 |
64.166,0 |
3.424.422,1 |
3 |
1.564.718,3 |
63.116,0 |
1.627.834,3 |
4 |
1.643.069,1 |
64.275,8 |
1.707.344,9 |
Die Beigeladene zu 1) setzte mit Bescheid vom 20.06.2012 eine Honorarrückforderung wegen der Überschreitung der Obergrenze im Rahmen des Job-Sharings für die Quartale I bis IV/10 (1. Leistungsjahr) in Höhe von 140.909,91 EUR brutto fest. Mit Bescheid vom 09.09.2013 setzte sie eine weitere Honorarrückforderung für die Quartale I/11 bis IV/12 (2. und 3. Leistungsjahr) in Höhe von 154.211,54 EUR fest. Sie ging jeweils von einem Vergütungsanteil des Klägers von 40 % aus. Gegen beide Bescheide legte die BAG Widerspruch ein.
Die BAG beantragte bei dem Zulassungsausschuss unter...