0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Norm wurde durch das Gesetz zur Verbesserung der Handlungsfähigkeit der Selbstverwaltung der Spitzenorganisationen in der gesetzlichen Krankenversicherung sowie zur Stärkung der über sie geführten Aufsicht (GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz) v. 21.2.2017 (BGBl. I S. 265) mit Wirkung zum 1.3.2017 eingeführt. Eine Vorgängervorschrift existiert nicht.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Aufsichtsbehörde des Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-Spitzenverband) kann im Wege der Ersatzvornahme die Geschäfte des GKV-Spitzenverbandes selbst führen oder dafür einen Beauftragten bestellen. Dem Beauftragten können dabei die Befugnisse eines oder mehrerer Organe des Spitzenverbandes ganz oder teilweise übertragen werden. Der Eingriff ist möglich, solange und soweit die Wahlen des Verwaltungsrates und des Vorstands des Spitzenverbandes nicht zustande kommen, der Verwaltungsrat oder der Vorstand sich weigert, seine Geschäfte zu führen, oder der Verwaltungsrat oder der Vorstand die Funktionsfähigkeit des GKV-Spitzenverbandes gefährdet. Aufsichtsbehörde ist das Bundesministerium für Gesundheit (§ 217d Abs. 1 Satz 1). Nimmt der GKV-Spitzenverband seine Aufgaben nach § 217f Abs. 3 wahr, untersteht er der Aufsicht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Die Aufsicht in der Funktion als Verbindungsstelle nach § 219a wird vom Bundesministerium für Gesundheit im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales ausgeübt (§ 217d Abs. 1 Satz 2).
2 Rechtspraxis
2.1 Ersatzvornahme (Abs. 1)
Rz. 3
Die Aufsichtsbehörde kann die Geschäfte des GKV-Spitzenverbandes selbst führen (Satz 1 Alt. 1) oder einen Beauftragten bestellen und ihm ganz oder teilweise die Befugnisse eines oder mehrerer Organe des Spitzenverbandes übertragen (Satz 1 Alt. 2). Über die Ersatzvornahme hat die Aufsichtsbehörde eine Ermessensentscheidung zu treffen. Die Aufsichtsbehörde oder der Beauftragte kann auch zugleich für den Verwaltungsrat und den Vorstand tätig werden, insbesondere wenn schwerwiegende Rechtsverletzungen beider Organe zu beseitigen sind (BT-Drs. 18/10605).
Rz. 4
Die Geschäfte des Verwaltungsrats ergeben sich aus der Vertretung des GKV-Spitzenverbandes gegenüber dem Vorstand auf der Grundlage wirksamer Beschlüsse des Organs (z. B. Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs gegen ein Vorstandsmitglied aufgrund positiver Vertragsverletzung). Die Geschäfte des Vorstands ergeben sich aus der Verwaltung des GKV-Spitzenverbandes und seiner Vertretung im Außenverhältnis aufgrund von Vorstandsbeschlüssen.
Rz. 5
Die Aufsichtsbehörde kann einen Beauftragten bestellen und ihm ganz oder teilweise die Befugnisse eines oder mehrerer Organe des GKV-Spitzenverbandes übertragen. Der Beauftragte hat die Aufgabe, die für das Verwaltungshandeln erforderliche Beschlusslage herzustellen. Der Beauftragte ist verpflichtet, die Weisungen der Aufsichtsbehörde zu beachten, muss aber zugleich die Interessen des GKV-Spitzenverbandes bei seinen Handlungen wahren (BT-Drs. 18/10605). Die Tätigkeit des Beauftragten endet, wenn der gesetzwidrige Zustand beseitigt bzw. der ordnungsgemäße Gang der Verwaltungsgeschäfte sichergestellt ist.
Rz. 6
Die Aufsichtsbehörde kann tätig werden,
- solange und soweit die Wahl des Verwaltungsrates und des Vorstands des GKV-Spitzenverbandes nicht zustande kommt oder
- der Verwaltungsrat oder der Vorstand sich weigert, seine Geschäfte zu führen.
Rz. 7
Die Aufsichtsbehörde kann auch tätig werden, wenn der Verwaltungsrat oder der Vorstand die Funktionsfähigkeit der Körperschaft gefährdet (Satz 2). Das ist insbesondere der Fall, wenn er
- die Körperschaft nicht mehr im Einklang mit den Gesetzen oder mit der Satzung verwaltet,
- die Auflösung des GKV-Spitzenverbandes betreibt oder
- das Vermögen gefährdende Entscheidungen beabsichtigt oder trifft.
Die Eingriffsbefugnis ist notwendig, um in den genannten Fällen die Funktionsfähigkeit der Körperschaften sicherzustellen (BT-Drs. 18/10605). Dies gilt vor dem Hintergrund der besonderen Treuhänderfunktion der Körperschaften insbesondere für den Fall, dass das Vermögen gefährdende Entscheidungen getroffen bzw. beabsichtigt werden.
2.2 Bestellung eines Beauftragten (Abs. 2)
Rz. 8
Ein Beauftragter wird durch einen Verwaltungsakt der Aufsichtsbehörde bestellt (Satz 1). Adressat ist der GKV-Spitzenverband. Gegen den Verwaltungsakt ist eine Aufsichtsklage (vgl. § 54 Abs. 3 SGG) auf dem Sozialrechtsweg (vgl. § 51 Abs. 1 SGG) zulässig. Ein Vorverfahren wird nicht durchgeführt (vgl. § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 3 SGG). Die Aufsichtsklage hat keine aufschiebende Wirkung (Abs. 3 Satz 2). Die aufschiebende Wirkung kann durch das Sozialgericht ganz oder teilweise angeordnet werden (vgl. § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG).
Rz. 9
Wird ein Beauftragter für ein Organ bestellt, ist im Rahmen einer Ermessensentscheidung über seine Befugnisse zu entscheiden. Dabei ist festzulegen, ob die Beauftragung für ein oder mehrere Organe gilt und ob die Befugnisse des jeweiligen Organs ganz oder teilweise übertragen werden. Im gleichen Umfang und für die Dauer der Bestellung ruhen die Befugnisse des Organs im Innen- und Außenverhältni...