Rz. 30
Das Vermögen inländischer Familienstiftungen und inländischer Familienvereine unterliegt der sog. Ersatzerbschaftsteuer (§§ 1 Abs. 1 Nr. 4, 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Der Steueranspruch entsteht in Zeitabständen von je 30 Jahren seit dem Zeitpunkt des ersten Vermögensübergangs auf die Stiftung bzw. den Verein (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG).
Rz. 31
§ 30 Abs. 5 ErbStG statuiert "in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 4" eine spezielle Anzeigepflicht der Stiftung oder des Vereins. Sie wird allerdings bereits 30 Jahre vor dem Steuerentstehungszeitpunkt ausgelöst durch den ersten Vermögensübergang auf die Stiftung bzw. den Verein und bezieht sich gegenständlich nur hierauf (Satz 2 Nr. 4 und 5). Der Disput, ob § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG überhaupt einen anzeigebedürftigen "Erwerb" der Besteuerung unterwirft, wird dadurch nicht tangiert. Es kann daher auch dahinstehen (s. aber § 31 ErbStG Rz. 4), ob Abs. 5 lediglich eine ohnehin nach § 30 Abs. 1 ErbStG bestehende Anzeigepflicht konkretisiert, klarstellend ergänzt oder eine Lücke im System der Anzeigepflichten schließt.
Rz. 32
Der erste Vermögenserwerb der Stiftung bzw. des Vereins unterliegt entweder als Erwerb von Todes wegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 iVm § 3 Abs. 1 (insb. Nr. 1 Fälle 1 und 2) oder Abs. 2 Nr. 1 ErbStG der Erbschaftsteuer oder als Schenkung unter Lebenden nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1, spez. Nr. 8 Satz 1 ErbStG der Schenkungsteuer. Als solche(r) ist er grundsätzlich von der Stiftung oder dem Verein als Erwerber anzuzeigen nach § 30 Abs. 1 ErbStG, ggf. aber auch nicht (Abs. 3). Für sog. Familienstiftungen bzw. Familienvereine, die frühestens 30 Jahre später nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG steuerpflichtig werden könnten, kommt mit Abs. 5 – geltend für nach dem 28.12.2020 steuerbare erste Erwerbe (§ 37 Abs. 18 ErbStG) – eine weitere Anzeigepflicht hinzu. Beide Anzeigepflichten bestehen unabhängig voneinander; dies zeigt sich schon daran, dass sie tatbestandlich nicht durch dasselbe Ereignis ausgelöst werden und, jedenfalls bei/nach Erwerb von Todes wegen, nicht stets gegenüber demselben Finanzamt zu erfüllen sind (§ 30 Abs. 1 i.V.m. § 35 Abs. 1/Abs. 2 Nr. 1 ErbStG einerseits, § 30 Abs. 5 i.V.m. § 35 Abs. 4 ErbStG andererseits). Auch dürfte sich die Befreiungsregelung des § 30 Abs. 3 ErbStG nur auf die Anzeigepflicht nach Abs. 1 beziehen. Es ist daher durchaus denkbar, dass der "erste Übergang von Vermögen" allein nach Abs. 5 anzuzeigen ist.
Rz. 33
Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Über den Sinn und Zweck der Anzeige eines Erwerbs gegenüber einer Behörde, die vielleicht 30 Jahre später über einen Steuerfall entscheiden wird anhand des dann aktuellen Stiftungs-/Vereinsvermögens (§ 10 Abs. 1 Satz 7 ErbStG), kann man derzeit nur philosophieren. Die Unterlassung der vorgeschriebenen Anzeige hat keinerlei Sanktionen zur Folge; sie führt auch zu keiner Anlaufhemmung einer allenfalls in ferner Zukunft beginnenden Festsetzungsfrist. War, wie behauptet, wirklich eine klarstellende Regelung im Hinblick auf die streitige Anwendbarkeit des § 30 ErbStG in Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG beabsichtigt, weshalb wurde die Anzeigepflicht nicht konkret mit dem Steuerentstehungszeitpunkt verknüpft? Man könnte aber auch weitergehend darüber nachdenken, die Regelung des Abs. 5 wieder abzuschaffen; mit der zeitgleich erfolgten Änderung des § 31 Abs. 1 ErbStG hat das zuständige Besteuerungsfinanzamt die Kompetenz erhalten, den tatsächlich entscheidungserheblichen Sachverhalt durch Anforderung von Steuererklärungen umfassend aufzuklären.