Rz. 1
Grundsätzlich unterliegen alle Erwerbe nach § 1 Abs. 1 Nr. 1–3 der Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer, sog. Weltvermögensprinzip, sofern sich nicht Ausnahmen aus einem DBA ergeben. Anders als für die Ertragsteuern, bei denen es eine Vielzahl von Doppelbesteuerungsabkommen gibt, hat Deutschland im Hinblick auf die Vermeidung einer Doppelbesteuerung mit Erbschaft- und Schenkungsteuer lediglich mit den Ländern Dänemark, Frankreich, Griechenland, Schweden, Schweiz und mit den USA entsprechende Abkommen geschlossen (s. Rz. 161).
Rz. 2
Erwerbe nach ausländischem Recht unterliegen auch der Erbschaftsteuer, sofern der Erwerbsvorgang einem der Erwerbsvorgänge des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG entspricht bzw. wirtschaftlich gleichkommt (sog. Typenvergleich). Die Rechtsstellung eines Erwerbers richtet sich nach dem sog. Erbstatut (Art. 25 EGBGB). Welches Recht im Erbfall Anwendung findet, richtet sich im europäischen Recht nach der am 16.8.2012 in Kraft getretenen Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO) vom 4.7.2012 (s. Rz. 58).
Rz. 3
Nur dafür ist die Staatsangehörigkeit von Bedeutung.
Lediglich bei der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1b ErbStG (s. Rz. 77 ff.)sowie der erweitert beschränkten Steuerpflicht nach § 4 AStG (Rz. 117 ff.) ist die deutsche Staatsangehörigkeit maßgeblich.
Rz. 4– 5
Einstweilen frei.
Rz. 6
§ 2 ErbStG schränkt jedoch den Umfang des Erwerbs, der von der Steuerpflicht erfasst wird, wieder ein. Gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfasst die Steuerpflicht nur dann den gesamten Vermögensanfall, wenn der Erblasser (oder Schenker) oder der Erwerber des Vermögens Inländer ist zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Dies ist die sog. unbeschränkte Steuerpflicht Steht jedoch der Erwerb unter einer aufschiebenden Bedingung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Alt. 1 ErbStG, tritt sie erst mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung ein. Im Fall der aufschiebend bedingten Erbeinsetzung wird der Erbe erst mit Eintritt der Bedingung ex nunc Eigentümer des Nachlasses. Hierin liegt der innere Grund für den Aufschub der Steuerentstehung in § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG.
Nach § 1922 Abs. 1 BGB geht mit dem Tode einer Person (Erbfall) deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere Personen über. Die Erbschaft geht nach §1942 Abs. 1BGB auf den berufenen Erben unbeschadet des Rechtes über, sie auszuschlagen (Anfall der Erbschaft).
Rz. 7
Als Inländer gelten nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a ErbStG u.a. natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Zusammen mit § 1922 BGB bringt § 1942 BGB den Grundsatz des Vonselbsterwerbs der Erbschaft zum Ausdruck, der sich im Zeitpunkt des Erbfalls ohne Wissen und Willen des Erben vollzieht. Es bedarf keiner Handlung des Erben. Macht er dann von seinem Recht Gebrauch, die Erbschaft auszuschlagen – ohne vorher sie angenommen zu haben nach § 1943 BGB – so gilt der durch Ausschlagung bewirkte Anfall an den Nächstberufenen als mit dem Erbfall erfolgt (§ 1953 Abs. 2 BGB).
Dieser Auffassung folgend hat der BFH mit Urteil vom 17.11.2021 entschieden, dass nach italienischen Erbrecht zwar eine Erbschaft erst mit der Annahmeerklärung ex nunc nach Art. 459 Satz 1 CC (Codice Civile) erworben wird, sie aber nach Art. 459 Satz 2 CC ex tunc auf den Zeitpunkt der Eröffnung der Erbfolge zurückfällt Die Annahme ist lediglich als ein rückwirkendes Ereignis entsprechend § 175 Abs. 1 Satz Nr. 2 AO zu qualifizieren.
Rz. 8
Der BFH hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem die Klägerin ausschließlich die italienische Staatsangehörigkeit besaß. Ihr Vater, ein italienischer Staatsangehöriger mit letztem Wohnsitz in Italien und dort belegenem Nachlass, verstarb 2015. Zu diesem Zeitpunkt lebte die Klägerin, die zu 1/3 als gesetzliche Miterbin berufen war, noch in der Bundesrepublik Deutschland. Ca 3 Monate später teilte sie dem Revisionsbeklagten (Finanzamt) mit, dass sie die Erbschaft noch nicht angenommen habe, wie es das italienische Recht voraussetze. Erst Anfang Juli 2016 habe sie ihren Wohnsitz in Deutschland aufgegeben und dann in drei Teilakten im gleichen Monat die Annahme der Erbschaft erklärt. Der Erbfall sei somit in Deutschland nicht mehr steuerpflichtig gewesen. Einen Von-Selbst-Erwerb kenne das italienische Erbrecht nicht. Erst mit der Annahmeerklärung gemäß Art. 459 Satz 2 CC (Codice Civile) sei sie Erbin geworden. Die Annahme entspreche einer Bedingung i.S.d. § 158 Abs. 1 BGB und des § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG. Werde ein Rechtsgeschäft unter einer aufschiebenden Bedingung nach § 158 Abs. 1 BGB vorgenommen, trete die von der Bedingung abhängig gemachte Wirkung mit dem Eintritt der Bedingung ex nunc ein.
Die Annahme der Erbschaft nach Art. 459 CC ist jedoch laut BFH rechtsvergleichend (Rz. 15–19 des Urteils) mit der Bedingung rechtlich und wirtschaftlich nich...