Rz. 52

[Autor/Stand] Der Anwendungsbereich dieser als Freibetragsregelung zu verstehenden Vorschrift[2] erschließt sich nur schwer. Unstreitig greift sie nicht, soweit der Erwerb zivilrechtlich als nachträgliche Entlohnung vorangegangener Pflege- und/oder Unterhaltsleistungen zu behandeln ist[3], die der Erwerber dem Erblasser/Schenker aufgrund eines Dienstleistungs- oder Geschäftsbesorgungsvertrags erbrachte.[4]

 

Rz. 53

[Autor/Stand] Im Erbfall liegt dann eine sog. Erblasserschuld i.S. des § 1967 Abs. 2 BGB i.H. der geschuldeten, ggf. üblichen, Vergütung vor (§ 612 Abs. 1, 2 BGB),[6] d.h. eine ohnehin nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG abzugsfähige Nachlassverbindlichkeit.[7] Als solche wirkt sie aber nur bei einem Alleinerben uneingeschränkt erwerbsmindernd[8]; Miterben profitieren hiervon lediglich entsprechend ihrer Erbquote, Vermächtnisnehmer und andere Erwerber von Todes wegen selbstverständlich überhaupt nicht.[9] Doch ist auch deren Erwerb nicht erbschaftsteuerbar, soweit sie ihn auch ohne erbrechtliche Rechtsgrundlage beanspruchen konnten[10] und deshalb nicht bereichert wurden.[11] Im Ausnahmefall einer entgeltlichen Erbeinsetzung bzw. Vermächtnisanordnung durch formgültigen Erbvertrag kann der Wert der Pflege- und Unterhaltsleistungen allerdings als Erwerbskosten i.S. des § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG abziehbar sein.[12]

 

Rz. 54

[Autor/Stand] Ebenso scheitert die Annahme einer freigebigen Zuwendung[14], denn soweit das Austauschverhältnis reicht, fehlt die notwendige Unentgeltlichkeit des Erwerbs (s. § 7 ErbStG Anm. 64 ff.).

Gerade deshalb dürfte § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG hier sogar völlig ins Leere gehen: Ist "das Zugewendete als angemessenes Entgelt anzusehen", liegt bereits keine steuerbare Zuwendung vor.[15] Geht es darüber hinaus, kommt auch eine Steuerbefreiung nicht in Betracht. – Hinweis: Es gibt keine klaren Angemessenheitsgrenzen und nur ihre deutliche Überschreitung führt zu einer gemischten Schenkung (s. § 7 ErbStG Anm. 114 ff.). Streitig ist jedoch, ob man sich an den pauschalen Pflegevergütungen nach § 36 Abs. 3 SGB XI orientiert[16] oder an den pflegedienstlichen Tariflöhnen.[17] Die Finanzverwaltung hält inzwischen, orientiert an § 15 Abs. 3 und § 36 Abs. 3 SGB XI (a.F.), einen pauschalen Stundensatz für erbrachte Pflegeleistungen von 11 EUR für unbedenklich.[18] Der II. BFH-Senat akzeptierte einen Stundenlohn von 15 EUR, geschätzt durch das vorinstanzliche FG in Anlehnung an die von einem örtlichen gemeinnützigen Verein gezahlte übliche Vergütung.[19] Der gesetzliche Mindestlohn in der Pflegebranche beträgt derzeit 10,20 EUR (West)/9,50 EUR (Ost).[20]

 

Rz. 55

[Autor/Stand] Da nur die unentgeltliche Bereicherung des Erwerbers dem ErbStG unterliegt[22], kann ein "steuerpflichtiger" Erwerb[23] eigentlich nicht unter der Voraussetzung steuerfrei bleiben, dass er als Entgelt anzusehen ist. Um praktikabel zu sein, muss man § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG offenbar anders lesen: "... soweit das Zugewendete als angemessenes Entgelt anzusehen wäre." Tatbestandlich geknüpft an die (Teil-)Unentgeltlichkeit der Pflege- und Unterhaltsleistungen[24] befreit die Vorschrift damit speziell belohnende Zuwendungen (§ 7 Abs. 4 ErbStG – s. auch § 7 ErbStG Anm. 423)[25] bis zu 5 200 EUR (wenn vor dem 1.1.2009 ausgeführt) bzw. bis zu 20 000 EUR (wenn nach dem 31.12.2008 ausgeführt)[26] von der Erbschaft-/Schenkungsteuer, zumal diese Leistungen ausdrücklich als Vorleistungen erbracht worden sein müssen ("... gewährt haben"). Konsequent ist sie daher in Fällen nachträglicher Dienstleistungen nicht anwendbar. Hatte sich der Erwerber anlässlich einer Schenkung zu Pflegeleistungen nur für den Fall späterer Pflegebedürftigkeit des Schenkers verpflichtet, kann er den Pflegefreibetrag bei Eintritt dieser Bedingung nicht, auch nicht alternativ, rückwirkend beanspruchen,[27] sondern ausschließlich wegen Verringerung seiner Bereicherung eine ggf. niedrigere Festsetzung der Schenkungsteuer verlangen.[28]

 

Rz. 56

[Autor/Stand] Leistungen werden im Übrigen auch bei lediglich konditional/kausalem Zusammenhang mit erwarteten Gegenleistungen zunächst unentgeltlich erbracht (s. § 7 ErbStG Anm. 83 ff.). Würde man den Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG nicht verändern, ließe sich die Norm im Umkehrschluss dafür anführen, dass die nachträgliche Herstellung einer Entgeltlichkeit außerhalb ihres Anwendungsbereichs schenkungsteuerlich unerheblich ist (§ 11 ErbStG).

 

Rz. 56.1

[Autor/Stand] Beachten Sie: Geklärt ist inzwischen, dass bei Anwendung des § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG als Pflegeleistungen nicht nur sog. Pflegesachleistungen i.S. des § 36 SGB XI, sondern auch darüber hinausgehende zusätzliche Unterstützungsleistungen zu berücksichtigen sind, die allerdings allgemein in Geld bewertbar sein müssen.[31] Sind sie geringer als 20 000 EUR, führt dies zu einer entsprechenden Kürzung des Pflegefreibetrags.[32]

 

Rz. 56.2

[Autor/Stand] Feststellungslast: Der Steuerpflichtige hat zwar die Hilfsbedürftigkeit des Erblassers/Schenkers sowie Art, Dauer, Umfang und W...

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