Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung der Vollziehung des Bescheides für natürliche Personen über Steuern und Ausgleichszahlungen für lohnpolitische Maßnahmen 1990
Tenor
1. Die Vollziehung des Bescheids 1990 für natürliche Personen über Steuern und Ausgleichszahlungen für lohnpolitische Maßnahmen (Steuerrate 1990) vom 19.10.1994 wird bis einen Monat nach Zustellung der Einspruchsentscheidung in Höhe von 7.103,50 DM ausgesetzt.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
3. Die Beschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob im ersten Halbjahr 1990 beschlossene und ausgezahlte Ausschüttungen aus dem Reservefonds einer Produktionsgenossenschaft des Handwerks (PGH) als Einkünfte aus Kapitalvermögen einer Besteuerung nach dem EStG der früheren DDR unterliegen oder ob sie steuerfrei sind.
Der Antragsteller war Mitglied einer PGH. Auf Grund eines Mitgliederbeschlusses vom April 1990 wurden, ebenfalls im April, Auszahlungen aus deren Reservefonds in Höhe von 53.390,– Mark der DDR vorgenommen. Der Antragsgegner sah diese Auszahlung als steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG der DDR an und setzte mit Bescheid vom 19.10.1994 eine Steuerrate in Höhe von 7.103,50 DM fest. Der hiergegen gerichtete Einspruch ruht gemäß § 363 Abs. 2 Abgabenordnung – AO, der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wurde abgelehnt.
Der Antragsteller ist der Auffassung, Ausschüttungen aus dem Reservefonds der PGH seien nicht steuerpflichtig, zumindest bestünden hieran erhebliche Zweifel, so dass der Bescheid insoweit nicht vollzogen werden dürfe.
Der Antragsteller beantragt,
die Vollziehung des Bescheids 1990 für natürliche Personen über Steuern und Ausgleichszahlung für lohnpolitische Maßnahmen vom 19.10.1994 bis einen Monat nach Zustellung der Einspruchsentscheidung in Höhe von 7.103,50 DM auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung zurückzuweisen.
Er trägt vor, die Ausschüttung aus dem Reservefonds sei nach dem PGH-Musterstatut nicht zulässig gewesen. Daher treffe das spezielle PGH-Steuergesetz hinsichtlich dieser Ausschüttung keine Regelung, so dass der Rückgriff auf die allgemeinen Gesetze, d. h. § 20 EStG-DDR, geboten sei. Eine PGH verfüge über genossenschaftliches, d. h. unteilbares Eigentum (Art. 10 der Verfassung der DDR). Die Auflösung einer sozialistischen Genossenschaft, mit dem Ziel, das Vermögen aufzuteilen, sei unzulässig gewesen. Dieser Grundsatz stehe auch einer Ausschüttung der erwirtschafteten Gewinne an die Mitglieder einer PGH entgegen. Der Reservefonds habe laut PGH-Musterstatut nur für bestimmte Zwecke verwendet werden dürfen. Für Ausschüttungen hätten ausschließlich die genossenschaftlichen Konsumtionsfonds, zu denen der Gewinnausschüttungsfonds, der Prämienfonds und der Kultur- und Sozialfonds gehörten, herangezogen werden dürfen. Ausschüttungen aus dem Reservefonds seien nicht denkbar gewesen. Diesen Grundvorstellungen habe das PGH-Steuergesetz entsprochen. Die Regelung des § 8 Satz 2 des Steueränderungsgesetzes vom 06.03.1990, das Einnahmen der Mitglieder von PGH aus der Gewinnverteilung (Gewinnausschüttung) steuerfrei stellt, betreffe nur die Auskehrungen aus dem Gewinnausschüttungsfonds. Im Zeitpunkt der Beschlussfassung über das Steueränderungsgesetz und über die Anordnung vom 26.1.1990 habe das Musterstatut der PGH und damit der Ausschluss von Ausschüttungen aus dem Reservefonds noch gegolten. Da somit Ausschüttungen aus dem Reservefonds keine Ausschüttungen nach § 8 Abs. 1 PGH-Steuergesetz seien, müssten diese gem. § 20 EStG-DDR besteuert werden. Auch verstoße der Antragsgegner nicht gegen § 10 Abs. 3 PGH-Steuergesetz, da eine Jahresveranlagung nur dann zu unterbleiben habe, wenn neben den Einnahmen aus PGH oder Arbeitseinkommen keine anderen Einkünfte erzielt würden. Die §§ 7 und 8 PGH-Steuergesetz regelten aber gemäß der Legaldefinitionen im 5 10 Abs. 4 PGH-Steuergesetz, was unter möglichen Einnahmen zu verstehen sei. Dort nicht geregelte Einnahmen seien daher zwangsläufig andere Einkünfte im Sinne des § 10 Abs. 3 PGH-Steuergesetz, für die keine Befreiung von der Jahresveranlagung eingreife.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag ist begründet.
Gem. § 69 Abs. 3 S. 1 i. V. m. § 69 Abs. 2 S. 2 Finanzgerichtsordnung FGO kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen. Der Antrag kann gem. § 69 Abs. 3 S. 2 schon vor Erhebung der Klage gestellt werden. Ernstliche Zweifel bestehen, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen (BFH-Beschluss vom 14.11.1989 VII B 124/89, BFH/NV 1990, 279). Der Erfolg braucht jedoch nicht wahrscheinlicher zu sein als der Misserfolg (BFH-Besc...