Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten bei Geltendmachung von arbeitsrechtlichen Ansprüchen durch den Insolvenzverwalter nach Eröffnung der Insolvenz über ein Unternehmen. Geltendmachung von rückständigem Arbeitsentgelt und rückständigen Betriebsrentenansprüchen. Möglichkeit einer Inanspruchnahme auch der persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft als Arbeitgeber durch die Arbeitnehmer. Befugnis zur Geltendmachung der persönlichen Haftung eines Gesellschafters für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft
Leitsatz (redaktionell)
Nimmt der Insolvenzverwalter im Klageverfahren die Gesellschafter der Gemeinschuldnerin für bestehende arbeitsrechtliche Ansprüche gegen die Gesellschaft in Haftung, so ist hierfür der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten – und nicht zu den Zivilgerichten – gegeben.
Normenkette
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 Lit. a, § 3; InsO § 93
Tenor
Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten wird für zulässig erklärt.
Tatbestand
I.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter der V.-U. GmbH & Co. KG. Über das Vermögen dieser Gesellschaft wurde am 27.12.2002 die Insolvenz eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
Der Kläger nimmt die drei Beklagten in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter auf Zahlung verschiedener, angeblicher Forderungen in Anspruch. Im einzelnen handelt es sich um folgende angebliche Forderungen:
- Ansprüche der Bundesagentur für Arbeit in Höhe von 1 745 789, 69 EUR aus übergangenen Arbeitsentgeltansprüchen gegen die Gemeinschuldnerin für den Insolvenzgeldzeitraum vom 27.9. bis zum 26.12.2002.
- Ansprüche der Arbeitnehmer gegen die Gemeinschuldnerin auf Zahlung von Arbeitsentgelt für die Zeit vom 1 bis zum 26.9.2002 in Höhe von 29059, 15 EUR.
- Ansprüche des Pensions-Sicherungsvereins in Höhe von 1 664 513, 01 EUR, welche die Gemeinschuldnerin ihren Arbeitnehmer versprochen habe. Im Einzelnen handele es sich um rückständige Rentenansprüche von 8 Rentnern, die Barwerte der acht Rentner und die Anwartschaften von zwölf Pensionsanwärtern.
- Sozialplanansprüche der Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin in Höhe von 272 434, 57 EUR.
Die Beklagte zu 1 war Gründungsgesellschafterin der Schuldnerin.
Der Kläger nimmt die drei Beklagten aus der seiner Ansicht nach gebeben Haftung als persönlich haftende Gesellschafter der Gemeinschuldnerin in Anspruch.
Die Beklagten rügen die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Sie sind der Ansicht, die Zivilgerichtsbarkeit sei zuständig.
Entscheidungsgründe
II.
Über die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs war – nach Anhörung der Parteien – gemäß §§ 17 Abs. 3 GVG, 48 Abs. 1 Nr. 2 vorab ohne mündliche Verhandlung durch die Kammer zu entscheiden.
Der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten ist gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a, § 3 ArbGG i.V.m. § 93 InsO gegeben.
Lässt man zunächst außer Acht, dass der Kläger als Insolvenzverwalter gemäß § 93 InsO die Ansprüche geltend macht, ist die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit gegeben. Unerheblich ist dabei zunächst, dass es sich um Ansprüche gegen die angeblich persönlich haftenden Gesellschafter und nicht gegen die ehemalige Arbeitgeberin, d.h. die Gemeinschuldnerin, handelt. Das BAG geht davon aus, dass ein Arbeitnehmer auch die persönlich haftenden Gesellschafter ein Kommanditgesellschaft als Arbeitgeber in Anspruch nehmen kann (BAG 1.3.1983 – 3 AZB 44/92; vgl. a. BAG 19.5.2004 – 5 AZR 405/03 (PM) zur Nachhaftung des persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft). Ob eine persönliche Haftung der in Anspruch genommen Gesellschafter tatsächlich vorliegt, ist sodann eine Frage der Begründetheit der Klage und für die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs nicht erheblich, weil zuständigkeitsbegründende und anspruchsbegründende Tatsachen zusammenfallen (vgl. GK-ArbGG/Wenzel, Stand Oktober 1999, § 3 Rn. 16). Fehlt es an der persönlichen Haftung der Gesellschafter, ist die Klage als unbegründet abzuweisen.
Im Verhältnis zur Gemeinschuldnerin handelte es sich um Forderungen, welche in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit fallen. Für die Ansprüche der Arbeitnehmer auf Arbeitsentgelt für die Zeit vor dem Insolvenzgeldzeitraum ergibt sich dies ohne weiteres. Leistet die Agentur für Arbeit Insolvenzgeld, gehen die Ansprüche der Arbeitnehmer auf Vergütung auf die Bundesagentur über (§ 187 Satz 1 SGB III). Wegen § 3 ArbGGändert dies aber nichts an der Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit (GK-ArbGG/Wenzel, a.a.O., § 3 Rn. 19). Soweit es sich um Ansprüche des Pensions-Sicherungs-Vereins handelt ergibt sich die Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit. a, § 3 ArbGG, weil die Ansprüche und Anwartschaften der Arbeitnehmer aus der betrieblichen Altersversorgung, welche zu den Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis gehören, gemäß § 9 Abs. 2 BetrAVG auf den Pensions-Sicherungs-Verein übergegangen sind (vgl. BAG 1.3.1993 a.a.O.). Auch für Sozialplanansprüche sind die Arbeitsgerichte zuständig. Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 lit a ArbG...