Rz. 111
§ 252 Abs. 1 Nr. 4 Hs. 2 HGB ist keine Vorgabe hinsichtlich des Realisationszeitpunkts zu entnehmen. Demnach kommen theoretisch etwa folgende Realisationszeitpunkte in Betracht:[1]
- Vertragsabschluss
- Zugang zur produktionsnachgelagerten Lagerung
- Erfüllung der Lieferungs-/Leistungsverpflichtung
- Erfolgte Gegenleistung/Zahlung
- Ablauf der Gewährleistung
- Ablauf der Produkthaftung
Nach h. M. sowohl im Schrifttum[2] als auch der BFH-Rechtsprechung[3] ist von Gewinnrealisation i. S. d. GoB auszugehen, wenn die Lieferungs-/Leistungsverpflichtung erfüllt ist. Von einer Erfüllung kann regelmäßig ausgegangen werden, wenn ein quasi-sicherer, ausschüttungsfähiger Erfolgsbeitrag vorliegt[4] bzw. die Gefahr (Preis, Untergang etc.) übergegangen und der geschuldete Lieferungs-/Leistungsauftrag wirtschaftlich erfüllt ist.[5]
Daraus ergibt sich, dass sowohl der Vertragsabschluss als auch der Zugang zur produktionsnachgelagerten Lagerung als Realisationszeitpunkte ausscheiden. Der Gefahrenübergang (auf den Käufer/Auftraggeber) ist in diesen Fällen noch nicht erfolgt. Aus der Vorschrift des § 252 Abs. 1 Nr. 5 HGB wiederum folgt, dass Aufwendungen und Erträge unabhängig von den Zeitpunkten der entsprechenden Zahlungen zu berücksichtigen sind (Rz 134 ff.) und damit der Zeitpunkt der erfolgten Gegenleistung/Zahlung für die Realisation irrelevant ist. Zur Berücksichtigung von Gewährleistungs- sowie Produkthaftungsrisiken bedarf es keiner Ausdehnung/Verschiebung des Realisationszeitpunkts.[6] Vorhersehbare Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind, sind gem. § 252 Abs. 1 Nr. 4 Hs. 1 HGB zu berücksichtigen (Rz 102 ff.).
Erfolgt die Gegenleistung/Zahlung vor Erfüllung der Lieferungs-/Leistungsverpflichtung, so ändert dies nichts an der Realisation erst mit Gefahrenübergang. In diesen Fällen erfolgt buchhalterisch eine Berücksichtigung der Zahlung als erhaltene Anzahlung unter den Verbindlichkeiten (C.3.).
Hinsichtlich der Frage, wann im Speziellen von einer entsprechenden Erfüllung der Lieferungs-/Leistungsverpflichtung bzw. einem Übergang der Gefahr auszugehen ist, ist zwischen den möglichen Geschäftsarten (Verkaufsgeschäfte, Dienstleistungen, Nutzungsvergütungen etc.) sowie möglichen Ausprägungen dieser (etwa kurz- oder langfristige Auftragsfertigung) zu differenzieren. Dazu nachfolgend die Rz 112 ff.
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