Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbegründetheit der Verfahrensrüge, § 40 Abs. 2 FGO sei fehlerhaft angewandt
Leitsatz (NV)
Die Rüge, das FG habe § 40 Abs. 2 FGO fehlerhaft angewendet, ist unbegründet, wenn aus dem erstinstanzlichen Sachvortrag der Kläger hervorgeht, dass eine Rechtsverletzung offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise vorliegen kann. Auf die Unterscheidung zwischen formeller und materieller Beschwer kommt es dabei nicht an.
Normenkette
FGO § 40 Abs. 2, § 115 Abs. 2 Nr. 3
Tatbestand
I. Mit Schriftsatz vom 7. April 1997 beantragte der Kläger und Beschwerdeführer zu 2 (Kläger zu 2) die Festsetzung von Schenkungsteuer wegen einer behaupteten freigebigen Zuwendung einer Reihe namentlich aufgeführter Personen ―darunter neben dem Kläger zu 2 auch der Kläger und Beschwerdeführer zu 1 (Kläger zu 1)― in gesamthänderischer Verbundenheit an G als Nutzer einer Eigentumswohnung auf einem angeblich der Gesamthand gehörenden Grundstück. Gegenstand der Zuwendung sollte sein, dass G die Wohnung mit einem näher bezifferten Mietwert knapp sechs Jahre unentgeltlich genutzt habe.
Mit Verfügung vom 22. September 1998 stellte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) fest, dass der unterbreitete Sachverhalt keinen Schenkungsteuertatbestand erfüllt. Daraufhin ging beim FA am 28. Oktober 1998 ein Einspruchsschreiben ein, auf Grund dessen das FA gegen die Kläger zu 1 und 2 getrennte Entscheidungen erließ, mit denen es den Einspruch mangels Beschwer verwarf. Die daraufhin erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) nach mündlicher Verhandlung, zu der der Kläger zu 2 zugleich als Vertreter des Klägers zu 1 erschienen war, als unzulässig ab, weil die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt und daher nicht klagebefugt seien.
Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision machen die Kläger geltend, die Entscheidung weiche von näher bezeichneten Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) sowie des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ab und leide unter Verfahrensmängeln. So sei die Klagebefugnis gemäß § 40 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu Unrecht verneint worden. Zudem beruhe die Vorentscheidung auf unzureichender Sachaufklärung und einer Verletzung des Rechts auf Gehör. Schließlich genüge der Tatbestand der Vorentscheidung nicht den Anforderungen des § 105 Abs. 3 Satz 1 FGO.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Soweit die Kläger eine Divergenzrüge gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO erheben, ist bereits den Anforderungen des Abs. 3 Satz 3 der Vorschrift nicht genügt, weil die Kläger den von ihnen wiedergegebenen Rechtssätzen aus den zitierten Entscheidungen des BFH und des BVerfG keine davon abweichenden tragenden Rechtssätze aus dem Urteil des FG bzw. den in Bezug genommenen Einspruchsentscheidungen gegenübergestellt haben (vgl. BFH-Beschlüsse vom 22. März 1993 V B 165/92, BFH/NV 1994, 378, sowie vom 10. August 1994 I B 243/93, BFH/NV 1995, 334). Dabei hätten solche abstrakten Rechtssätze die Frage einer möglichen Rechtsverletzung i.S. des § 40 Abs. 2 FGO betreffen müssen. Nur solchen Rechtssätzen konnte tragende Bedeutung für die Vorentscheidung zukommen, weil das Urteil des FG ausschließlich auf das Fehlen einer derartigen Rechtsverletzung gestützt ist und daher auf die Sache selbst nicht einzugehen brauchte.
2. Von der Rüge fehlerhafter Beurteilung der Klagebefugnis abgesehen, sind auch die Verfahrensmängel nicht in einer § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargetan.
a) So ist nicht vorgetragen, welche weiteren Feststellungen der Tatbestand des finanzgerichtlichen Urteils hätte enthalten müssen, um das Verständnis der Vorentscheidung als Prozessurteil zu ermöglichen. Darauf kann nicht verzichtet werden, auch wenn der Mangel im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten wäre (vgl. Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 115 Rz. 65).
b) Hinsichtlich der Rüge mangelnder Sachaufklärung gemäß § 76 Abs. 1 FGO fehlt es an der schlüssigen Darlegung, dass das Urteil des FG auf dem Mangel beruhen kann (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 13. November 1991 II B 71/91, BFH/NV 1992, 261). Der Beschwerdebegründung ist zwar zu entnehmen, dass eine weitere Sachaufklärung nach Ansicht der Kläger ergeben hätte, dass tatsächlich ein Schenkungsteuertatbestand erfüllt ist; aus ihr geht jedoch nicht hervor, dass das FG auf Grund dieser Erkenntnis bei seinem Rechtsverständnis von der Klagebefugnis i.S. des § 40 Abs. 2 FGO zu einer anderen Entscheidung hätte kommen können.
c) Soweit die Kläger rügen, das FG habe ihren Sachvortrag zur Zulässigkeit der Klage erkennbar nicht in Erwägung gezogen, machen sie die Verletzung rechtlichen Gehörs geltend (vgl. dazu Gräber/von Groll, a.a.O., § 96 Rz. 30). Auch diese Rüge ist nicht schlüssig, weil die Kläger nicht konkret dargelegt haben, dass das FG bei Prüfung der Klagebefugnis die dazu von ihnen vertretene Rechtsauffassung nicht zur Kenntnis genommen habe (vgl. BFH-Beschluss vom 15. Juni 1994 II B 172/93, BFH/NV 1995, 131). Dagegen spricht im Übrigen, dass das FG auf die angeblich bestehende Rechtsunsicherheit, ob in der Zukunft bezüglich des angezeigten Sachverhalts doch noch eine Schenkungsteuer festgesetzt werde, eingegangen ist.
3. Soweit die Kläger eine fehlerhafte Anwendung des § 40 Abs. 2 FGO rügen, ist die Beschwerde unbegründet. Bei der nach dieser Vorschrift erforderlichen Klagebefugnis handelt es sich um eine Sachentscheidungsvoraussetzung, deren fehlerhafte Beurteilung ungeachtet der Tatsache, dass sie den Inhalt der angefochtenen Entscheidung bildet, einen Verfahrensmangel darstellt (so Beschluss des erkennenden Senats vom 6. Juli 1988 II B 183/87, BFHE 153, 509, BStBl II 1988, 897, m.w.N.). Im Streitfall ist § 40 Abs. 2 FGO jedoch nicht fehlerhaft angewendet worden. Das FG hat die Klagebefugnis der Kläger zu Recht verneint.
Die Kläger hatten vor dem FG nicht schlüssig vorgetragen, durch die Ablehnung der verlangten Schenkungsteuerfestsetzung in ihren Rechten verletzt zu sein. Dazu wären Tatsachen vorzutragen gewesen, aus denen sich ―ihre Richtigkeit unterstellt― ergibt, dass sie durch die Ablehnung in ihren Rechten verletzt wären, wenn sich diese als rechtswidrig erwiese. Im Streitfall geht aber bereits aus dem erstinstanzlichen Sachvortrag der Kläger hervor, dass eine Rechtsverletzung offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise vorliegen kann. Es sind nämlich keine Rechte der Kläger erkennbar, die durch die Ablehnung des Antrags auf Festsetzung von Schenkungsteuer berührt sein könnten. Es ist nicht ersichtlich, dass die Ablehnung dieses Antrags an anderen Stellen zu steuerrechtlichen Nachteilen führen könnte. Aus dem von den Klägern angeführten Beschluss des BFH vom 1. Februar 1983 VIII R 30/80 (BFHE 138, 4, BStBl II 1983, 534) sowie der dort getroffenen Unterscheidung zwischen formeller und materieller Beschwer ergibt sich nichts anderes. Die Unterscheidung ist bedeutsam für die Zulässigkeit der gegen Entscheidungen der FG gegebenen Rechtsmittel, nicht aber für die hier anstehende Frage nach der Klagebefugnis i.S. des § 40 Abs. 2 FGO.
Soweit sich die Rechtsverletzung nach Ansicht der Kläger aus der Unsicherheit darüber ergeben soll, ob das FA in der Zukunft auf Antrag anderer Personen doch noch eine Steuerfestsetzung vornehmen werde, haben die Kläger außer der abstrakten Möglichkeit einer künftigen Steuerfestsetzung keinerlei Tatsachen vorgetragen, die Unsicherheit über das künftige Verhalten des FA aufkommen lassen könnten.
Fundstellen
Haufe-Index 425720 |
BFH/NV 2000, 1209 |