Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert: Aufhebung eines Gewinnfeststellungsbescheids
Leitsatz (NV)
Ein Antrag, eine gesonderte und einheitliche Feststellung wegen Verjährung der Steueransprüche aufzuheben, ist von materiellrechtlicher und nicht nur verfahrensrechtlicher Bedeutung für diese Feststellung. Folglich ist der Streitwert bei höherem festgestelltem Gewinn bzw. Gewinnanteil nicht lediglich mit 25 v. H. des streitigen Gewinns bzw. Gewinnanteils zu bemessen (Abgrenzung zum Senatsbeschluß vom 11. September 1975 IV B 22 /71 BFHE 116, 530, BStBl II 1976, 22).
Normenkette
GKG § 13
Tatbestand
Die Kläger sowie HB sind Erben der verstorbenen M. HB führt seit deren Tode die von ihr betriebene Gaststätte als Einzelunternehmen auf einem in die Erbmasse fallenden Grundstück allein fort. HB hat seinen Anteil von 25 v. H. gemäß § 7 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) im Betriebsvermögen seines Unternehmens ausgewiesen. Die Kläger haben ihre Anteile an ihn verpachtet.
Das FA hatte auf eine Außenprüfung hin gegenüber den Klägern die streitgegenständliche gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte erlassen, mit der neben Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von x DM solche aus Gewerbebetrieb in Höhe von y DM gesondert und einheitlich festgestellt waren. Letztere resultieren aus der Annahme des FA, daß die Kläger den an HB verpachteten Grundstücksanteil mit Gebäude im Streitjahr entnommen und einen entsprechenden Entnahmegewinn zu versteuern hätten.
Einspruch und Klage, mit der die Kläger Verjährung eingewandt bzw. die Anwendung der günstigeren Besteuerung nach § 34 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erstrebt hatten, sind erfolglos geblieben.
Mit der vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision haben die Kläger die Nichtbeachtung eines Verwertungsverbots durch das FG, die mangelnde inhaltliche Bestimmtheit des angefochtenen Bescheids, den Ablauf der Verjährung sowie die Nichtgewährung der Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 2 EStG gerügt und beantragt, die Vorentscheidung sowie den angefochtenen Feststellungsbescheid und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Nach übereinstimmender Erklärung der Beteiligten hat das FA den angefochtenen Feststellungsbescheid ersatzlos aufgehoben. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Die Kläger sind der Ansicht, daß der Streitwert a DM betrage. Das seien die Steuerbeträge, die der Kläger zu 1 hätte leisten müssen, wenn die Klage abgewiesen worden wäre. Die Steuerbeträge seien bislang von der Vollziehung ausgesetzt gewesen. Dazu haben die Kläger die Aussetzungsverfügung des FA in Ablichtung vorgelegt.
Das FA ist der Ansicht, daß der Streitwert a-1 DM betrage. Könne bei Feststellungsbescheiden die steuerliche Auswirkung genau und ohne Schwierigkeiten ermittelt werden, könne der genaue Betrag zugrunde gelegt werden; es müsse nicht wie sonst üblich auf einen Pauschalsatz zurückgegriffen werden. Folgesteuern dürften jedoch nicht in den Streitwert einbezogen werden. Hiernach ergebe sich folgender Streitwert: . . . (a-1)
Dabei sei bei den Klägern zu 2 und 3 nach den Grundsätzen im Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. März 1970 IV 4/64 (BFHE 99, 11, BStBl II 1970, 547) verfahren worden.
Entscheidungsgründe
1. Aufgrund der übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt (vgl. zu den Wirkungen der Erklärung BFH-Beschluß vom 25. Oktober 1968 III 142/65, BFHE 94, 302, BStBl II 1969, 167).
Da durch die Erledigung der Hauptsache das Urteil des FG gegenstandslos geworden ist (vgl. z. B. BFHE 94, 302, BStBl II 1969, 167; BFH-Urteil vom 15. Juni 1988 II R 224/84, BFHE 153, 431, BStBl II 1988, 761), ist neben den Kosten für das Revisionsverfahren auch über die Kosten des Klageverfahrens zu befinden. Die Kostenentscheidung richtet sich einheitlich nach § 138 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), wonach die Kosten u. a. dann der Behörde aufzuerlegen sind, wenn dem Antrag des Steuerpflichtigen durch Rücknahme des angefochtenen Verwaltungsakts stattgegeben wird. Dies ist hier der Fall. Die Kläger haben sowohl im Klage- wie auch im Revisionsverfahren hauptsächlich die Aufhebung der angefochtenen Feststellung der Einkünfte 1974 beantragt. Dem hat das FA Rechnung getragen.
2. Da der Streitwert des Revisionsverfahrens von den Verfahrensbeteiligten unterschiedlich berechnet wird, ist hierüber zu entscheiden. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist der Streitwert (vgl. § 13 des Gerichtskostengesetzes - GKG -) für ein Verfahren, das die Rechtmäßigkeit einer gesonderten und einheitlichen Feststellung von Einkünften zum Gegenstand hat, durch Anwendung eines bestimmten pauschalen Prozentsatzes auf den streitigen Gewinnbetrag zu ermitteln, wobei grundsätzlich von einem Prozentsatz von 25 v. H. auszugehen ist (vgl. z. B. Beschluß vom 23. Februar 1978 IV E 1/78, BFHE 125, 7, BStBl II 1978, 409). Der Ansatz eines pauschalen Satzes beruht auf der Erwägung, daß schwierige, zum Teil nicht ohne Verletzung des Steuergeheimnisses durchführbare Berechnungen, wie sich die Herabsetzung des Gewinns auswirken würde, ausgeschlossen werden (Urteil in BFHE 99, 11, BStBl II 1970, 547). Einen höheren Prozentsatz hielt der Senat u. a. in der Entscheidung in BFHE 125, 7, BStBl II 1978, 409 jedenfalls dann aus dem Gesichtspunkt der progressiven Besteuerung für angebracht, wenn die Gewinnanteile der einzelnen Mitunternehmer in verschiedenen Streitjahren zwischen rd. 35 000 DM und rd. 100 000 DM und nach dem Revisionsbegehren zwischen rd. 31 500 DM und rd. 83 000 DM liegen. In Ausnahmefällen hat die Rechtsprechung aber auch einen geringeren Prozentsatz angewandt, insbesondere wenn und soweit für sich im Gewinnfeststellungsverfahren abzusehen ist, daß sich einkommensteuerliche Auswirkungen nicht ergeben (BFHE 99, 11, BStBl II 1970, 547; Senatsurteil vom 11. März 1982 IV R 46 /79, BFHE 135, 457, BStBl II 1982, 542).
Der Senat hat eine streitwertmindernde Berücksichtigung der bereits im Feststellungsverfahren erkennbaren einkommensteuerlichen Auswirkungen aber abgelehnt, wenn der Streit um die ersatzlose Aufhebung des Feststellungsbescheids aus Verfahrensgründen geht (Senatsbeschluß vom 11. September 1975 IV B 22 /71, BFHE 116, 530, BStBl II 1976, 22). Denn in einem Streit um die steuerliche Grundordnung des Verfahrens werden die Steuerpflichtigen allein davon und nicht von der vermutlichen steuerlichen Auswirkung berührt. In diesem Fall muß es mit dem Pauschsatz von 25 v. H. des streitigen Gewinns bzw. Gewinnanteils sein Bewenden haben.
Etwas anderes gilt aber dann, wenn sich die Rechtsmittelführer wie im Streitfall die Kläger (auch) auf die Verjährung der Steueransprüche berufen, die aus den festgestellten Besteuerungsgrundlagen abzuleiten wären. Zwar dürfte nach den hier einschlägigen Regeln der Reichsabgabenordnung in diesem Fall ebenfalls kein Grundlagenbescheid mehr ergehen (vgl. weitere Nachweise in BFH-Urteil vom 12. September 1985 VIII R 322/82, BFH / NV 1986, 131). Das Interesse dessen, der sich auf Verjährung beruft, weist jedoch über das Ziel, daß die Feststellung aus lediglich verfahrensrechtlichen Gründen unzulässig ist, hinaus. Denn er behauptet mit seinem Vortrag implizit, daß die entsprechenden Besteuerungsgrundlagen überhaupt der Besteuerung entzogen seien. Insofern erscheint es im Streitfall gerechtfertigt, auf die eingangs aufgezeigten Grundsätze der Streitwertbemessung zurückzugreifen. Hiernach hält der Senat angesichts der Höhe der festgestellten Besteuerungsgrundlagen einen Prozentsatz von 30 v. H. auf die festgestellten Besteuerungsgrundlagen für angemessen, d. h., der Streitwert beträgt 30 v. H. aus . . . = . . . DM. Wegen des Umstands, daß im Konkurrenzfalle bzw. bei Haupt- und Hilfsanträgen vom weitestgehenden Antrag auszugehen ist, wird auf den Senatsbeschluß vom 8. März 1973 IV B 18/69 (BFHE 109, 14, BStBl II 1973, 505) Bezug genommen.
An die Vorstellungen der Beteiligten über die Höhe des Streitwerts ist der Senat nicht gebunden. Bezüglich der Kläger zu 2 und 3 kann nicht deshalb ein auf ein Prozent reduzierter Pauschsatz zur Anwendung kommen, weil ggf. ihre jeweilige Einkommensteuerfestsetzung 1974 auf 0 DM lauten würde. Ob dies der Fall ist, ist abgesehen davon, daß dies für den Senat nach den vorliegenden Akten nicht überschaubar ist, schon deshalb unmaßgeblich, weil dieser Umstand nicht allein aus dem Feststellungsverfahren heraus abzusehen, sondern nur mit den Eigenarten der Besteuerungsgrundlagen im Folgebescheid zu erklären ist. Gerade hierauf soll bei der Streitwertfestsetzung über die Anfechtung eines Feststellungsbescheids aber nicht zurückgegriffen werden müssen.
Fundstellen
Haufe-Index 416466 |
BFH/NV 1990, 183 |