Entscheidungsstichwort (Thema)
Faktischer Ausschluß des Prozeßbevollmächtigtenvon der Vertretung
Leitsatz (NV)
Dadurch, daß das Gericht Entscheidungen oder Verfügungen auch an den Beteiligten persönlich zustellt, wird weder eine bestehende Prozeßvertretung beeinträchtigt noch wird der Vertretene gehindert, seine Belange im Prozeß wahrzunehmen (Anschluß an Beschluß vom 25. Juli 1995 VI R 83/93, BFH/NV 1995, 1085).
Normenkette
FGO § 62
Verfahrensgang
Tatbestand
In der Steuerstreitsache der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist unter dem 24. November 1993 ein Gerichtsbescheid ergangen, gegen den Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt worden ist. Mit folgendem Schreiben vom 15. Mai 1994 wandte sich der Senatsvorsitzende des Finanzgerichts (FG) an den Bevollmächtigten:
"In dem Rechtsstreit ... hatten Sie gegen den Gerichtsbescheid ... Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt. Da Sie in vielen Parallelverfahren, in denen dieselbe Rechtsfrage streitig war, die Klage oder die Revision nach Ergehen des Beschlusses des Bundesfinanzhofs in dem Musterverfahren Az.: ... namens anderer Mandanten zurückgenommen haben, bitte ich um Mitteilung ... , aus welchem Grund eine Entscheidung der Klage Ihrer obigen Mandanten aufgrund mündlicher Verhandlung angestrebt wird. Eine entsprechende Begründung liegt bisher nicht vor.
Diese Anfrage ergeht, da ich mit Ihnen der Auffassung bin, daß Ihrer Mandantschaft weitere -- unnötige -- Kosten erspart werden sollten. ...
Sollte ich auf dieses Schreiben ohne Antwort bleiben, gehe ich davon aus, daß Ihre Mandantschaft an einem baldigen Termin zur mündlichen Verhandlung in Kassel interessiert ist.
Wegen der kostenmäßigen Auswirkungen der im Interesse Ihrer Mandantschaft zu treffenden Entscheidung erhält diese eine Durchschrift dieses Schreibens zur Kenntnisnahme."
Hiergegen hat der Prozeßbevollmächtigte namens der Kläger und im eigenen Namen "wegen des faktischen Ausschlusses des Bevollmächtigten" Beschwerde eingelegt. Noch bevor er seinen Mandanten das Schreiben vom 17. Mai 1994 erläutern könne, würden diese durch das Gericht "in der Kostenfrage verunsichert". Das Gericht wolle damit erreichen, daß sich die Kläger von ihrem Prozeßbevollmächtigten trennten, so daß sie unter Verstoß gegen verfassungsrechtliche Grundsätze rechtlos würden. Dadurch würde in die Berufsfreiheit des Prozeßbevollmächtigten eingegriffen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht statthaft. Die Zusendung des Schreibens vom 17. Mai 1994 an die Kläger persönlich beruht auf einer prozeßleitenden Verfügung des Vorsitzenden, die nach § 128 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht mit der Beschwerde angefochten werden kann.
Unabhängig davon ist nicht erkennbar, inwiefern die Rechte der Kläger und des Prozeßbevollmächtigten berührt sein könnten. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mehrfach entschieden, es sei nicht ersichtlich, inwiefern durch eine zusätzliche Zustellung von gerichtlichen Entscheidungen auch an die Beteiligten persönlich die bestehende Vertretung beeinträchtigt sein könnte und der Beteiligte gehindert wäre, seine Belange im Prozeß wahrzunehmen (vgl. BFH-Beschluß vom 25. Juli 1995 VI R 83/93, BFH/NV 1995, 1085, betr. die Zustellung eines Gerichtsbescheids). Nichts anderes gilt in bezug auf Verfügungen der hier zu beurteilenden Art. Zwar darf das Gericht den Prozeßbevollmächtigten im Verfahren nicht übergehen. Es bestehen aber keine Bedenken dagegen, daß das Gericht auch die Beteiligten selbst zusätzlich über den Sachstand und seine Erwägungen hierzu unterrichtet. Eine solche Handhabung dient vielmehr der Sicherung effizienter Interessenwahrnehmung, wenn in Verfahren wie dem vorliegenden, in dem aufgrund einer undatierten Blankovollmacht -- wie massenhaft in anderen Fällen auch -- eine unzulässige Klage erhoben worden ist und trotz einschlägiger Rechtsprechungsgrundsätze aufrecht erhalten wird (vgl. auch Senats beschluß vom 25. Juli 1996 X R 25/94, BFH/NV 1997, 129).
Soweit der Prozeßbevollmächtigte dem mit der Streitsache befaßten Senat des FG und dessen Vorsitzenden vorwirft, diese versuchten permanent, ihn (den Bevollmächtigten) faktisch aus dem Verfahren auszuschließen bzw. seine Mandanten von ihm zu trennen und sie dadurch rechtlos zu machen, ergibt sich daraus nicht, daß das FG durch fehlerhafte Anwendung der Vorschriften über die Vertretung den Prozeßbevollmächtigten tatsächlich nicht als Vertreter der Kläger behandelt hätte. Von einem Erfolg dieser Versuche wird nachvollziehbar nicht berichtet.
Fundstellen
Haufe-Index 422138 |
BFH/NV 1997, 680 |