Entscheidungsstichwort (Thema)
Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung
Leitsatz (NV)
Die Rechtsfrage, wann und unter welchen Voraussetzungen eine Stromerzeugungsanlage aufgrund ihres Gewichts als ortsfest anerkannt werden kann, ist dann nicht klärungsfähig, wenn das Gewicht für das FG im Rahmen einer Gesamtberachtung aller Umstände nur eines der von ihm berücksichtigten Kriterien für die Beurteilung der Anlage als ortsfest war.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 3; MinöStG § 8 Abs. 2; MinöStDV § 17 Abs. 5
Tatbestand
Der Beklagte und Beschwerdeführer (das Hauptzollamt - HZA -) setzte mit Steuerbescheid u. a. Mineralölsteuer in Höhe von . . . DM gegen die Klägerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin) mit der Begründung fest, die Klägerin habe in der von ihr betriebenen Stromerzeugungsanlage kein steuerbegünstigtes Mineralöl verwenden dürfen, weil die Anlage nicht ortsfest i. S. des § 8 Abs. 2 des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG) i. V. m. § 17 Abs. 5 der Mineralölsteuer-Durchführungsverordnung (MinöStDV) gewesen sei.
Die Klägerin versorgte zwei Hallen, von denen eine als Hühnerstall für Legehennen und die andere als Eierabpack- und Lagerungsstätte diente, mit selbsterzeugtem Strom. Dazu ging sie wie folgt vor: Sie ließ mit einem Tieflader einen alten, nicht mehr betriebsbereiten Lkw (zwar noch mit Rädern, aber ohne Motor, Getriebe und Spurstangen) auf ihr Anwesen befördern und neben einer der Hallen aufstellen. Auf der Ladefläche des mit einem festen Kastenaufbau versehenen Fahrzeugs montierte sie einen Lkw-Dieselmotor und einen Generator zur Stromerzeugung. Durch die Bodenplatte des Fahrzeugs wurde ein etwa 12 mm dicker Eisenstab, der an seinem oberen Ende fest mit der Stromerzeugungsanlage verbunden war, ungefähr 2 m tief ins Erdreich getrieben. Die Treibstoffzufuhr erfolgte aus einem ebenfalls neben der Halle aufgestellten Tank mittels zweier lose gelegter Schläuche; auch das Stromkabel vom Generator zur Halle war lose verlegt. Die Klägerin hat mit dieser Anlage die Stromerzeugung aufgenommen, ohne ihre Absicht, dabei Mineralöl steuerbegünstigt zu verwenden, dem HZA anzuzeigen.
Die gegen den Steuerbescheid eingelegte Sprungklage hatte im wesentlichen Erfolg. Anders als das HZA hielt das Finanzgericht (FG) die Stromerzeugungsanlage für ortsfest, so daß die Klägerin zu Recht nach § 8 Abs. 2 MinöStG Mineralöl zum ermäßigten Steuersatz habe verwenden dürfen. Nach § 17 Abs. 5 MinöStDV komme es für die Beurteilung einer Stromerzeugungsanlage als ortsfest entscheidend darauf an, ob die Anlage nach der Gesamtheit ihrer Herrichtung, insbesondere der Art ihrer Verbindung mit dem Erdboden und ihrer Bauweise, hinreichende Gewähr dafür biete, daß sie nicht nur vorübergehend am Ort ihrer Errichtung bleibe und ausschließlich ihrem dortigen Verwendungszweck diene. Auch das Gewicht könne einer Anlage die Eigenschaft der Ortsfestigkeit vermitteln, insbesondere wenn zusätzliche Vorkehrungen hinsichtlich der Verbindung zum Erdboden getroffen würden. Das FG sah diese Anforderungen im vorliegenden Fall deshalb als erfüllt an, weil das Fahrzeug, auf dem die Anlage montiert ist, selbst im Falle einer Beseitigung der in den Boden getriebenen Eisenstange nach den gesamten Umständen nicht fortbewegt werden, sondern den Aufstellungsort nur mit Hilfe eines Krans oder eines Tiefladers verlassen könnte. Neben diesem Aspekt des Eigengewichts der Anlage falle für die rechtliche Würdigung zusätzlich die durch die Eisenstange hergestellte feste Verbindung zum Erdboden ins Gewicht. Kein Zweifel bestehe an der Absicht der dauerhaften Beibehaltung des Standorts der Anlage und ihrer Verwendung nur zur Stromerzeugung für die Geflügelzucht. Die unterlassene Anzeige der Klägerin, Mineralöl unter Steuerermäßigung zu verwenden, führe für sich nicht zur Enstehung einer Mineralölsteuerschuld.
Mit seiner Beschwerde begehrt das HZA die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Zu klären sei die Frage, wann und unter welchen Voraussetzungen eine Stromerzeugungsanlage aufgrund ihres Gewichts als ortsfest anerkannt werden kann. Die Definition der Ortsfestigkeit in § 17 Abs. 5 MinöStDV sei nach den bisherigen Erfahrungen nicht geeignet, eine klare Abgrenzung zwischen begünstigten und nichtbegünstigten Anlagen zu treffen. Zunehmend werde für Stromerzeugungsgeräte in Transportcontainern mit erheblichem Eigengewicht, aber ohne konstruktive Verbindung mit dem Erdboden, von den Betreibern Ortsfestigkeit behauptet. Sowohl auf seiten der Zollverwaltung als auch auf Betreiberseite herrsche eine beträchtliche Rechtsunsicherheit bei der Beurteilung solcher Anlagen. Zudem stünden - bei einer Steuerermäßigung von etwa 85 % - einerseits erhebliche wirtschaftliche Interessen großer Teile der Wirtschaft, andererseits das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherung eines ordnungsmäßigen Steueraufkommens auf dem Spiel. All dies erfordere eine abschließende höchstrichterliche Entscheidung.
Die Klägerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Die vom HZA als von grundsätzlicher Bedeutung bezeichnete Rechtsfrage könne im anhängigen Verfahren nicht zur Überprüfung gestellt werden, weil das FG seine Entscheidung nicht allein auf das Gewicht der Anlage, sondern auf eine Gesamtschau der Dinge (Gewicht der Anlage, feste Verbindung mit dem Boden durch die Eisenstange, betriebsuntauglicher Zustand des Lkw, Verwendungszweck der Anlage) gestützt habe. Überdies könne über die Ortsfestigkeit einer Anlage, die nicht durch ein Fundament, sondern ,,in anderer Weise" mit dem Erdboden verbunden sei, nicht generell, sondern nur nach den jeweiligen Umständen von Fall zu Fall entschieden werden.
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
Die vom HZA aufgeworfene Rechtsfrage, wann und unter welchen Voraussetzungen eine Stromerzeugungsanlage aufgrund ihres Gewichts als ortsfest i. S. des § 8 Abs. 2 MinöStG i. V. m. § 17 Abs. 5 MinöStDV anerkannt werden kann, mag zwar nach den Darlegungen in der Beschwerdeschrift durchaus von grundsätzlicher Bedeutung sein (§ 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 3 FGO); sie ist aber im Streitfall nicht klärungsfähig. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs setzt die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung voraus, daß die Entscheidung des Rechtsstreits von der betreffenden Rechtsfrage abhängt. Es muß zu erwarten sein, daß die Rechtsfrage in dem vorliegenden Rechtsstreit voraussichtlich wird geklärt werden können (Senatsbeschluß vom 26. Juli 1988 VII B 82-83/88, BFH/NV 1989, 88; vgl. auch Klein / Ruban, Der Zugang zum Bundesfinanzhof, Rz. 58; Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, Rz. 146).
An dieser Klärungsfähigkeit fehlt es im Streitfall deswegen, weil das FG seine Entscheidung nicht auf das Gewicht der streitbefangenen Stromerzeugungsanlage schlechthin, sondern auf ihr Gewicht und auf die durch die Eisenstange geschaffene feste Verbindung zum Erdboden gestützt hat. Das Gewicht ist also nach den Ausführungen des FG nur eines der von ihm berücksichtigten Kriterien für die Beurteilung der Ortsfestigkeit der streitbefangenen Anlage. Das FG hat ausdrücklich, wie auch die Klägerin mit Recht hervorhebt, die Ortsfestigkeit der Stromerzeugungsanlage nach der Herrichtung insgesamt beurteilt und dabei auch der in den Boden getriebenen Eisenstange als zusätzlicher Vorkehrung, durch die eine Verbindung zum Erdboden geschaffen worden ist, für die Annahme der Ortsfestigkeit entscheidungserhebliche Bedeutung beigemessen. Das FG ist also ersichtlich aufgrund einer Gesamtbeurteilung der besonderen Umstände des Falles zu dem Ergebnis gekommen, daß die streitbefangene Anlage i. S. des § 17 Abs. 5 MinöStDV ortsfest ist, nämlich ,,in anderer Weise" fest mit dem Erdboden verbunden und nach der Art ihrer Verbindung, ihrer Bauweise und ihrem Verwendungszweck dazu bestimmt, ihren Standort nicht nur vorübergehend beizubehalten (vgl. dazu auch Senatsbeschluß vom 11. August 1987 VII B 35/87, BFHE 150, 484).
Eine Entscheidung der Frage, wann und unter welchen Umständen allein das Gewicht einer Anlage zur Anerkennung ihrer Ortsfestigkeit führen könnte, wäre somit für das Ergebnis des Streitfalls ohne Bedeutung. Insofern liegt der Fall anders als die vom HZA zur Unterstützung der Behauptung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage angeführten Fälle der in (bewegliche) Transportcontainer montierten Stromerzeugungsanlagen mit erheblichem Eigengewicht.
Fundstellen
Haufe-Index 418248 |
BFH/NV 1992, 772 |