Entscheidungsstichwort (Thema)
Überraschungsentscheidung; Verstoß gegen Denkgesetze; Divergenz; grundsätzliche Bedeutung
Leitsatz (NV)
1. Die hinreichende Darlegung der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör in Gestalt einer Überraschungsentscheidung setzt voraus, dass der Kläger ausführt, was er bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte und dass dieser Vortrag zu einer anderen Entscheidung hätte führen können.
2. Ein Verstoß gegen Denkgesetze liegt nur vor, wenn das FG einen aus Gründen der Logik schlechthin unmöglichen Schluss gezogen hat. Es genügt nicht, dass das FG nach Meinung des Klägers unrichtige oder fern liegende Schlüsse gezogen hat; ebenso wenig genügen objektiv nicht überzeugende oder sogar unwahrscheinliche Schlussfolgerungen.
3. Zur Darlegung der Divergenz ist es erforderlich, einander widersprechende abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und den Entscheidungen andererseits, von denen die Vorinstanz abgewichen sein soll, gegenüberzustellen.
4. Aufwendungen berühren die Lebensführung eines Steuerpflichtigen, wenn sie durch dessen persönliche Motive mitveranlasst werden, ohne dass deshalb die betriebliche Veranlassung zu verneinen wäre. Aufwendungen dieser Art liegen daher auch bei der Anschaffung eines (ausschließlich) betrieblich genutzten PKW vor.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 7; GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 96 Abs. 2, § 115 Abs. 2, § 116 Abs. 3 S. 3, § 119 Nr. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine KG, erwarb im Jahr 2001 einen PKW zum Preis von rd. 233 856 DM. Bei der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung für das Streitjahr 2001 machte die Klägerin für den PKW Absetzungen für Abnutzung (AfA) und Sonderabschreibungen nach § 7g des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von jeweils rd. 46 571 DM geltend. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) ließ die AfA und die Sonderabschreibungen jeweils nur in Höhe von 15 300 DM zum Abzug zu. Die darüber hinausgehenden Beträge beurteilte das FA als nicht abziehbare Betriebsausgaben i.S. des § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG. Mit der Einspruchsentscheidung verböserte das FA den Gewinnfeststellungsbescheid u.a. dahin gehend, dass es für die private Nutzung des PKW nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG einen Betrag in Höhe von 24 309 DM ansetzte.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage aus den in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2008, 1116 veröffentlichten Gründen ab. Es hat die Revision nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die Klägerin hat die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe zum Teil schon nicht entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) dargelegt; im Übrigen liegen sie jedenfalls nicht vor.
1. Die Klägerin hat die geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) nicht schlüssig gerügt.
a) Die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes) in Gestalt einer Überraschungsentscheidung hat die Klägerin nicht hinreichend dargelegt, da sie nicht ausgeführt hat, was sie bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen hätte und dass dieser Vortrag zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. Mai 2007 VI B 119/06, BFH/NV 2007, 1697, m.w.N.).
Überdies liegt eine Überraschungsentscheidung nicht vor. Die Klägerin musste nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens damit rechnen, dass das FG das Fahrtenbuch des Komplementärs der Klägerin deshalb nicht als ordnungemäßes Fahrtenbuch beurteilt, weil dort vorgenommene Eintragungen zum Zweck der Fahrten von X nach Y keine hinreichende Gewähr für ihre Vollständigkeit und Richtigkeit böten und nicht mit vertretbarem Aufwand auf ihre materielle Richtigkeit hin überprüfbar seien. Denn bereits das FA hatte in der Einspruchsentscheidung ausgeführt, es könne nicht leicht und einwandfrei festgestellt werden, ob die Anlässe für die Fahrten von X nach Y im betrieblichen oder privaten Bereich gelegen hätten. Soweit das FG die fehlende Ordnungsmäßigkeit des Fahrtenbuchs auch darauf gestützt hat, dass die Aufzeichnungen nicht zeitnah erstellt worden seien, ist dies eine selbständig tragende Begründung. Selbst wenn insoweit eine Überraschungsentscheidung vorläge, so würde das Urteil jedenfalls nicht auf diesem Mangel beruhen (vgl. BFH-Beschluss vom 1. September 2004 X B 162/03, BFH/NV 2005, 224, m.w.N.). Aus diesen Gründen kann offenbleiben, ob das FG --wie das FA vorträgt-- die Ordnungsmäßigkeit des Fahrtenbuchs in der mündlichen Verhandlung angesprochen hat.
b) Für die ordnungsgemäße Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) fehlt es insbesondere an der Darlegung, welche Beweise zu welchem Beweisthema das FG hätte erheben müssen und weshalb sich dem FG die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen auch ohne einen entsprechenden Beweisantrag hätte aufdrängen müssen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 10. Oktober 2007 IV B 130, 131/06, BFH/NV 2008, 233, m.w.N.).
c) Mit ihrer Rüge, das FG habe gegen Denkgesetze verstoßen, macht die Klägerin keinen Verfahrensfehler geltend. Ein Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze ist, auch wenn er sich auf die Würdigung von Tatsachen erstreckt, kein Verfahrensfehler, sondern ein materiell-rechtlicher Fehler (z.B. BFH-Beschluss vom 5. Juni 2003 I B 135/02, BFH/NV 2003, 1429, m.w.N.). Zwar vertritt das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) im Urteil vom 19. Januar 1990 4 C 28/89 (BVerwGE 84, 271) die Auffassung, ein Verstoß gegen die Denkgesetze sei ein Verfahrensfehler, wenn hiervon ein Indizienbeweis betroffen sei. Der Senat braucht indes nicht zu entscheiden, ob er dieser Rechtsprechung folgt. Denn die Klägerin hat jedenfalls keinen Verstoß gegen Denkgesetze dargelegt. Ein Verstoß gegen Denkgesetze liegt nur vor, wenn das FG einen aus Gründen der Logik schlechthin unmöglichen Schluss gezogen hat. Es genügt nicht, dass das FG --wie im Streitfall-- nach Meinung des Beschwerdeführers unrichtige oder fernliegende Schlüsse gezogen hat; ebenso wenig genügen objektiv nicht überzeugende oder sogar unwahrscheinliche Schlussfolgerungen (vgl. BVerwG-Beschluss vom 20. Dezember 2000 8 B 238/00, Neue Juristische Wochenschrift 2001, 1151, m.w.N.; sowie Lange in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 96 FGO Rz 166).
2. Soweit die Klägerin die Zulassung der Revision auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO stützt, hat sie die behauptete Divergenz des angefochtenen Urteils zu den Entscheidungen des BFH vom 9. November 2005 VI R 27/05 (BFHE 211, 508, BStBl II 2006, 408), vom 16. November 2005 VI R 64/04 (BFHE 211, 513, BStBl II 2006, 410) und vom 16. März 2006 VI R 87/04 (BFHE 212, 546, BStBl II 2006, 625) sowie vom 19. März 2002 IV B 50/00 (BFH/NV 2002, 1145) nicht erkennbar gemacht. Hierzu wäre es erforderlich gewesen, einander widersprechende abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und den Entscheidungen andererseits, von dem die Vorinstanz abgewichen sein soll, gegenüberzustellen (vgl. BFH-Beschluss vom 5. September 2006 IV B 128/05, BFH/NV 2007, 243, m.w.N.).
Im Übrigen hat das FG seiner Entscheidung die Grundsätze der BFH-Urteile in BFHE 212, 546, BStBl II 2006, 625 und in BFHE 211, 513, BStBl II 2006, 410 zugrunde gelegt. Zwar können --wie die Klägerin zutreffend vorträgt-- bloße Ortsangaben im Fahrtenbuch ausreichen, wenn sich der aufgesuchte Kunde oder Geschäftspartner aus der Ortsangabe zweifelsfrei ergibt, oder wenn sich dessen Name auf einfache Weise unter Zuhilfenahme von Unterlagen ermitteln lässt, die ihrerseits nicht mehr ergänzungsbedürftig sind (BFH-Urteil in BFHE 212, 546, BStBl II 2006, 625). Das FG sah die fraglichen Eintragungen jedoch als allgemein, unpräzis und austauschbar an. Auch hat das FG im Einklang mit dem BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 1145 bei der Beurteilung der Unangemessenheit der Aufwendungen nicht allein auf die Höhe der Anschaffungskosten abgestellt.
3. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
a) Die von der Klägerin sinngemäß aufgeworfene Rechtsfrage, ob Aufwendungen für ein Wirtschaftsgut nur dann i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 7 EStG die Lebensführung berühren, wenn das fragliche Wirtschaftsgut privat mitbenutzt wird, ist nicht klärungsbedürftig. Aufwendungen berühren die Lebensführung eines Steuerpflichtigen, wenn sie durch dessen persönliche Motive mitveranlasst werden, ohne dass deshalb die betriebliche Veranlassung zu verneinen wäre. Aufwendungen dieser Art liegen daher auch bei der Anschaffung eines (ausschließlich) betrieblich genutzten Kfz vor (BFH-Urteil vom 13. November 1987 III R 227/83, BFH/NV 1988, 356, m.w.N.; sowie Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz 1623; Blümich/Wied, § 4 EStG Rz 870). Es sind keine neuen Gesichtspunkte erkennbar, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen. Zudem wäre die Frage nicht klärbar, da das FG eine private (Mit-)Nutzung des PKW durch den Komplementär der KG --für den BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindend-- festgestellt hat.
b) Auch die von der Klägerin vorgetragene Rechtsfrage, ob der AfA bei der Anwendung des § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG ein künftiger Veräußerungserlös für das Wirtschaftsgut gegenzurechnen sei, bedarf keiner Klärung. § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG schränkt den Abzug von Aufwendungen ein, die sonst als Betriebsausgaben abziehbar wären (vgl. BFH-Urteil vom 20. August 1986 I R 29/85, BFHE 147, 525, BStBl II 1987, 108). Veräußerungserlöse sind als Betriebseinnahmen für die Anwendung des § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG von vornherein ohne Bedeutung.
c) Soweit die Klägerin die Rechtsfrage für grundsätzlich bedeutsam erachtet, ob der Wert der Nutzungsentnahme nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG auch dann nach dem inländischen Bruttolistenpreis zum Zeitpunkt der Erstzulassung zu bemessen ist, wenn der Abzug der Aufwendungen für den PKW nach § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG beschränkt ist, hat sie diesen Zulassungsgrund nicht ordnungsgemäß dargetan. Denn die Klägerin hat sich weder mit der Rechtsprechung des BFH zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG (z.B. BFH-Urteil vom 1. März 2001 IV R 27/00, BFHE 195, 200, BStBl II 2001, 403) noch mit den einschlägigen Kommentierungen zu § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG oder Äußerungen in der Literatur zu dieser Frage (z.B. Urban, Entscheidungen der Finanzgerichte 1999, Beilage 6, S. 22) auseinandergesetzt (hierzu z.B. BFH-Beschluss vom 17. August 2007 VIII B 36/06, BFH/NV 2007, 2293, m.w.N.).
4. Die Klägerin wendet sich mit ihren Ausführungen im Grunde gegen die inhaltliche Richtigkeit der Vorentscheidung und setzt ihre Rechtsauffassung an die Stelle derjenigen des FG. Dies vermag die Zulassung der Revision jedoch nicht zu rechtfertigen. Die Klägerin hat auch keinen offensichtlichen Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder greifbar gesetzeswidrigen Entscheidung (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 28. Juli 2003 III B 125/02, BFH/NV 2003, 1445, m.w.N.) dargelegt, der ausnahmsweise zur Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO führt.
Fundstellen