Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Behandlung der Kosten eines betrieblich genutzten “Oldtimers”
Leitsatz (NV)
1. Weist ein Unternehmer ein 27 Jahre altes Mercedes 300 SE Cabriolet als Betriebsvermögen aus, so kann der Behandlung als gewillkürtes Betriebsvermögen das Fehlen eines betrieblichen Nutzens entgegenstehen.
2. Soweit es sich infolge der überwiegend betrieblichen Nutzung um notwendiges Betriebsvermögen handelt, sind die Höhe des Einlagewertes und die Angemessenheit der durch das Fahrzeug veranlassten Betriebsausgaben zu überprüfen.
3. Auch wenn das Fahrzeug nach Leitsatz 1 nicht zum Betriebsvermögen gehört, können einzelne Fahrten betrieblich veranlasst und die durch sie veranlassten Kosten steuerlich absetzbar sein.
Normenkette
FGO § 90 Abs. 2, § 115 Abs. 2, § 116 Abs. 6; EStG § 4 Abs. 1, 4, 5 Nr. 7
Verfahrensgang
Sächsisches FG (Urteil vom 13.04.2005; Aktenzeichen 6 K 1101/01) |
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Aufwendungen für einen PKW Mercedes 300 SE Cabriolet, Baujahr 1964, sowie Honorarzahlungen an eine schweizerische Unternehmensberatungs-AG einkommensteuerlich abzugsfähig sind und zum Vorsteuerabzug berechtigen.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine im Jahre 1991 gegründete GbR, ist auf dem Gebiet der Unternehmensberatung tätig. Gesellschafter sind die Eheleute F und M. Die Klägerin übt ihre Beschäftigung in zwei regionalen Schwerpunkten aus und zwar zum einen in Süd-Westdeutschland mit Ausgangspunkt X und zum anderen in Sachsen ausgehend von ihrem Sitz in Y.
Im Sommer 1992 legte M das Mercedes-Cabriolet, das sich damals seit über fünf Jahren in seinem Privatvermögen befand, in das Betriebsvermögen der Klägerin ein. Der anhand eines Sachverständigengutachtens ermittelte Einlagewert belief sich auf 118 500 DM. Ein Fahrtenbuch wurde nicht geführt. Außer dem Mercedes-Cabriolet gehörten noch andere Fahrzeuge zum Betriebsvermögen der Klägerin, mit denen erhebliche Strecken zurückgelegt wurden. Außerdem erkannte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) auch die Kosten für betrieblich veranlasste Fahrten mit Privatfahrzeugen an. Im Jahr 2002 wurde das Mercedes-Cabriolet zum Preis von 13 262 € (netto) verkauft.
Unter den Daten vom 31. März, 31. August und 31. Oktober 1993 erteilte die S Unternehmensberatungs AG mit Sitz in Zürich der Klägerin Rechnungen für erbrachte Beratungsleistungen über insgesamt 60 000 sfr jeweils mit der Zahlungskondition: "netto, sofort nach Erhalt der Rechnung!". M beglich den Gesamtbetrag am 15. März 1994 durch Hingabe eines Schecks. Mit Rechnungen vom 18. Juli und 29. Dezember 1995 stellte die S der Klägerin Beratungsleistungen und Spesen in Höhe von insgesamt 78 000 sfr in Rechnung. Der Geschäftsführer der S, H, bestätigte auf diesen Papieren, jeweils 39 000 sfr am 11. September und am 29. Dezember 1995 bar erhalten zu haben.
Im Anschluss an eine auch für die Streitjahre 1992 bis 1995 durchgeführte Betriebsprüfung erkannte das FA die Aufwendungen für das Mercedes-Cabriolet in Höhe von insgesamt 249 754 DM (Tz. 1.02, 13 des Betriebsprüfungsberichts vom 18. August 1997) sowie die von der S in Rechnung gestellten Beträge nicht als Betriebsausgaben an und ließ die entsprechenden Vorsteuern nicht zum Abzug zu. Die hiergegen gerichteten Einsprüche blieben erfolglos. Auch die gegen die Einspruchsentscheidungen erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Die Revision gegen sein Urteil ließ das Finanzgericht (FG) nicht zu.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, die auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) sowie auf das Vorliegen von Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) gestützt ist.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 116 Abs. 6 FGO).
1. Ein Verfahrensfehler ist darin zu sehen, dass das FG den Zeugen P nicht zu der Frage gehört hat, ob M das Mercedes-Cabriolet genutzt hat, um zu Besprechungen mit der Fa. G GmbH & Co. KG in Z (188 km von X entfernt) zu fahren. Das FG durfte die Vernehmung des Zeugen nicht mit der Begründung unterlassen, diese Reisen seien in der nicht durch den Betrieb der Klägerin veranlassten Beiratstätigkeit des Gesellschafters M begründet gewesen, der zugleich Gesellschafter der Fa. G GmbH & Co. KG in Z gewesen sei. Eine solche Betrachtungsweise lässt sich mit dem eindeutigen Inhalt der Akten nicht vereinbaren. Wie sich aus dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin ergibt, war sie vorwiegend für die Fa. G … GmbH & Co. KG in E beratend tätig. Bei dieser Firma handelte es sich um ein Tochterunternehmen der G GmbH & Co. KG in Z. Daher ist nicht auszuschließen, dass die Fahrten nach Z dem Interesse der Klägerin dienten. Das gilt umso mehr, als die Beiratsvergütungen --wie ausdrücklich vorgetragen und durch die Steuerakten belegt-- bei der Klägerin --im Einvernehmen der Prozessbeteiligten-- als Betriebseinnahmen erfasst wurden. Das ist nur denkbar, wenn die "Beiratsvergütungen" Entgelt für Leistungen darstellten, die M als Mitunternehmer der Klägerin erbrachte.
Des Weiteren hätte das FG die Vernehmung des Zeugen H nicht mit der Begründung ablehnen dürfen, die Durchführung der Fahrt nach Zürich werde als wahr unterstellt, deren betriebliche Veranlassung sei jedoch nicht nachgewiesen. Da es sich bei dem angebotenen Zeugen offenbar um den (damaligen) Geschäftsführer der S handelt, ist nicht auszuschließen, dass er die betriebliche Veranlassung der Fahrt hätte bezeugen können, auch wenn die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen keinen ausreichenden Anhaltspunkt für die betriebliche Veranlassung der an die S geleisteten Zahlungen ergaben. Da für den Zeugen eine inländische Anschrift angegeben war, war er auch als Beweismittel greifbar.
2. Die Klägerin hat auf ihr Recht, die Nichterhebung der angebotenen Beweise zu rügen, nicht verzichtet. Der Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 90 Abs. 2 FGO) bedeutet nicht, dass das Gericht von der gebotenen Sachverhaltsermittlung und Beweiserhebung absehen kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 4. April 2002 I B 140/01, BFH/NV 2002, 1179). Entgegen der Auffassung des FA gilt das nicht nur in den Fällen, in denen der Verzicht zu Beginn des Verfahrens erklärt wurde.
3. Das Urteil des FG stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend dar (§ 126 Abs. 4 FGO in entsprechender Anwendung; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 98, mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).
Zwar ließe sich daran denken, dass die Zuführung des Mercedes-Cabriolet zum Betriebsvermögen der GbR bereits deshalb nicht betrieblich veranlasst war, weil es sich um ein reines Liebhaberfahrzeug handelte (vgl. Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rz E 1200 "Kraftfahrzeugkosten"). Selbst wenn es sich so verhalten sollte, würde das jedoch nicht ausschließen, dass einzelne Fahrten --etwa die, deren berufliche Veranlassung die Zeugen bekunden sollten-- betrieblich veranlasst waren.
4. Für die Behandlung des Falles im zweiten Rechtsgang gibt der Senat folgende Hinweise:
Sollte das FG nach der Vernehmung der Zeugen --etwa wegen Fehlens eines Fahrtenbuchs-- gleichwohl nicht zu der Überzeugung gelangen, dass das Fahrzeug überwiegend (vgl. hierzu z.B. das Senatsurteil vom 23. Mai 1991 IV R 58/90, BFHE 164, 537, BStBl II 1991, 798, unter 2., m.w.N.) betrieblich genutzt wurde, könnte es nicht zum notwendigen, sondern nur zum gewillkürten Betriebsvermögen gehört haben (Senatsurteil vom 2. Oktober 2003 IV R 13/03, BFHE 203, 373, BStBl II 2004, 985). Dem könnte aber --abgesehen von dem Charakter des Fahrzeugs als Liebhaberobjekt-- entgegenstehen, dass es nicht geeignet war, dem Betrieb zu nützen (Senatsurteil in BFHE 203, 373, BStBl II 2004, 985, unter 4.b). Hierfür sprechen die exorbitant hohen Kosten pro gefahrenen Kilometer (nach dem Klägervorbringen 14 797 km in 31 Monaten); und zwar auch dann, wenn man dem Wertverzehr nicht die vorgenommenen Absetzungen für Abnutzung, sondern die auf zehn Jahre verteilte Differenz zwischen Einlagewert und Veräußerungspreis zugrunde legt.
Sollte das FG zu der Überzeugung gelangen, dass das Mercedes-Cabriolet dem notwendigen Betriebsvermögen zuzurechnen war, wäre zu überprüfen, ob der Einlagewert zutreffend war. Selbst wenn er zutreffend gewesen sein sollte, könnte die Einbringung zu unangemessenen Betriebsausgaben i.S. des § 4 Abs. 5 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes führen. Aufgrund des hohen Alters des eingelegten Fahrzeugs könnten sich --abweichend von der Regel (Senatsurteil vom 8. Oktober 1987 IV R 5/85, BFHE 150, 558, BStBl II 1987, 853, unter I.3.b)-- auch die angefallenen Reparaturkosten zumindest teilweise als unangemessen erweisen.
5. Die im zweiten Rechtsgang nachzuholenden Feststellungen zur betrieblichen Verwendung des Mercedes-Cabriolet wirken sich auch auf den Vorsteuerabzug (§ 15 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes) aus.
6. Die Rüge, der Zeuge P habe auch zur Frage der steuerlichen Berücksichtigung der an die S gezahlten Beträge gehört werden müssen, ist unbegründet. Dem entsprechenden Beweisantrag (Bl. 13 der Klagebegründung vom 20. September 2001) lässt sich nicht entnehmen, woher der Zeuge wissen sollte, dass die von der Klägerin gegenüber der Fa. G … GmbH & Co. KG erbrachten Beratungsleistungen auf Vorarbeiten der S beruhten.
Fundstellen
Haufe-Index 1720048 |
BFH/NV 2007, 1106 |