Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff des "Gegenstands" als Lieferungsmerkmal in §3 Abs. 1 UStG
Leitsatz (NV)
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BFH- Urteil vom 21. Dezember 1988 V R 24/87, BFHE 156, 273, BStBl II 1989, 430 m. N.) umfaßt der Begriff "Gegenstand" als Lieferungsmerkmal in §3 Abs. 1 UStG 1980 sowohl "Sachen" (körperliche Gegenstände, §90 des Bürgerlichen Gesetzbuches), als auch Wirtschaftsgüter, die im Verkehr wie körperliche Sachen behandelt werden (z. B. der elektrische Strom, die Wasserkraft, der Firmenwert, die Kundschaft -- wobei zwischen dem Geschäftswert bei Gewerbebetrieben und dem Praxiswert bei freiberuflichen Praxen nicht unterschieden wird --). Diese Auslegung des Begriffs "Gegenstand" durch die Rechtsprechung hat sich in der Praxis eingebürgert und dadurch eine gewisse gewohnheitsrechtliche Verfestigung erfahren.
Normenkette
UStG 1980 § 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), ein Apotheker, übertrug auf Grund notariellen Übergabevertrages vom 14. Mai 1988 das Grundstück X-Straße in B nebst aufstehendem Gebäude und allen gesetzlichen Bestandteilen und Zubehör unentgeltlich auf seine Mutter. Zugleich wurde der Mutter die auf diesem Grundstück betriebene Apotheke, d. h. das Apothekenrecht, die gesamte Apothekeneinrichtung sowie sämtliche gewerbliche Schutzrechte und immaterielle Vermögenswerte, unentgeltlich übertragen.
Die Mutter des Klägers übertrug auf Grund notariellen Übergabevertrages vom 14. Mai 1988 den vorbezeichneten Hausgrundbesitz -- ausschließlich des Apothekenrechts und der Apothekeneinrichtung -- auf ihre Enkelin I. Am 1. Juli 1988 veräußerte sie das Apothekenbetriebsrecht, die Apothekeneinrichtung sowie den Firmenwert zum Gesamtpreis von 70 000 DM an ihre Enkelin H. Der Kläger übertrug H am selben Tag verschiedene Wirtschaftsgüter, darunter das Warenlager der Apotheke und den zum Betriebsvermögen gehörenden Pkw.
Die Beteiligten sind sich darüber einig, daß der Übertragungsvorgang insgesamt als Betriebsaufgabe durch den Kläger zu werten ist. Demzufolge vertrat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) die Auffassung, daß der Kläger auch den Geschäftswert der Apotheke seinem Unternehmen entnommen habe (Umsatzsteuerbescheid für 1988 vom 17. März 1994). Der hiergegen gerichtete Einspruch des Klägers blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Voraussetzungen des Entnahmeeigenverbrauchs seien im Streitfall erfüllt. Der Kläger habe im wesentlichen alle seinem Unternehmen dienenden Gegenstände zwecks und bei der Beendigung seines Unternehmens auf seine Mutter übertragen. Der Entnahmeeigenverbrauch des Klägers führe hinsichtlich des Firmenwerts mangels einer Befreiungsvorschrift zur Umsatzsteuer.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde, die auf grundsätzliche Bedeutung gestützt wird.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Sie genügt nicht den Begründungsanforderungen des §115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
1. Nach §115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die grundsätzliche Bedeutung ist in der Beschwerdeschrift darzulegen (§115 Abs. 3 Satz 3 FGO).
a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muß klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar sein. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muß in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert dargelegt werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 13. September 1989 II B 77/89, BFH/NV 1990, 513). Hierbei muß regelmäßig dargelegt werden, daß, in welchem Umfang und aus welchen Gründen die mit der Beschwerde herausgestellte Rechtsfrage umstritten ist. Dies erfordert, widerstreitende Meinungen in Rechtsprechung und Literatur im einzelnen darzulegen (BFH-Beschluß vom 15. September 1994 V B 181/93, BFH/NV 1995, 978, m. w. N.).
b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger macht zwar die Ausführungen dazu, daß das FG den Firmenwert nicht unter den Begriff "Gegenstand" des §1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) hätte subsumieren dürfen und begründet seine Auffassung mit bürgerlich- rechtlichen Überlegungen. Es fehlt jedoch die Auseinandersetzung des Klägers mit dem umsatzsteuerrechtlichen Begriff der Lieferung und der Darstellung dazu vertretener Meinungen in Rechtsprechung und Literatur.
In seinem Urteil vom 21. Dezember 1988 V R 24/87 (BFHE 156, 273, BStBl II 1989, 430), in dem die Steuerfreiheit der Überlassung eines sog. Praxiswerts streitig war, hat der Senat folgendes ausgeführt:
"Nach §3 Abs. 1 UStG 1980 sind Lieferungen eines Unternehmers Leistungen, durch die er den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Nach ständiger Rechtsprechung bereits des Reichsfinanzhofs -- RFH -- (vgl. Urteil vom 21. November 1941 V 109/40, RStBl 1942, 284, mit Nachweisen) sollte mit der Verwendung des Wortes "Gegenstand" als Lieferungsmerkmal in §3 Abs. 1 UStG 1934 keine wesentliche Änderung gegenüber dem zuvor verwendeten Wort "Sachen" (körperliche Gegenstände, §90 des Bürgerlichen Gesetzbuchs -- BGB --) vorgenommen werden. Das Wort "Gegenstand" wurde nur deswegen gewählt, damit auch Wirtschaftsgüter, die im Verkehr wie körperliche Sachen behandelt werden, mitumfaßt werden, z. B. der elektrische Strom, die Wasserkraft, der Firmenwert, die Kundschaft (wobei zwischen dem "Geschäftswert" bei Gewerbebetrieben und dem "Praxiswert" bei freiberuflichen Praxen nicht unterschieden wurde).
Diese Auslegung des Begriffs "Gegenstand" durch die Rechtsprechung hat sich seither in der Praxis eingebürgert. Bei den Änderungen des UStG (1951, 1967, 1980) blieb die Begriffsbestimmung der Lieferung in §3 Abs. 1 jeweils unverändert. Das Schrifttum hat dieser Rechtsprechung, soweit ersichtlich, im wesentlichen nicht widersprochen (vgl. u. a. Giesberts in Rau/Dürrwächter/Flick/Geist, Umsatzsteuergesetz/Mehrwertsteuer, Kommentar, 5. Aufl., §3 Anm. 107, 119 "Firmenwert/Praxiswert"); jedenfalls wurde eine gewisse gewohnheitsrechtliche Verfestigung angenommen (vgl. Mathiak, UR 1970, 209, 211)."
Hiermit hätte sich der Kläger in der Beschwerdeschrift auseinandersetzen müssen.
2. Im übrigen ergeht die Entscheidung nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Angabe von Gründen.
Fundstellen