Entscheidungsstichwort (Thema)
Männersauna kein Heilbad
Leitsatz (NV)
Die Frage, wie ein Ruhebereich einer Sauna beschaffen sein müsse, damit der Betreiber der Sauna den ermäßigten Steuersatz erhalten könne, ist in einem Revisionsverfahren nicht abstrakt, sondern nur im Zusammenhang mit der Entscheidung über den Streitfall klärbar.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2; UStG 1993 § 12 Abs. 2 Nr. 9
Tatbestand
I. Der Beklagte und Beschwerdegegener (das Finanzamt ―FA―) besteuerte die Umsätze der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), die eine ausschließlich männlichen Besuchern vorbehaltene Sauna betrieb, in dem angefochtenen Steuerbescheid für 1997 mit dem allgemeinen Steuersatz. Das FA wies den Einspruch der Klägerin, die eine Besteuerung ihrer Umsätze mit dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 9 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1993 begehrte, zurück. Zur Begründung legte das FA dar, dass die Klägerin den Besuchern als Hauptleistung die Anbahnung von Kontakten ermögliche. Die für den ermäßigten Steuersatz vorausgesetzte "Verabreichung von Heilbädern, die ihrer Art nach allgemeinen Heilzwecken dienten, z.B. Saunabäder" (§ 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG 1993), sei nach den im Streitfall zu beurteilenden Umständen nicht Hauptzweck der erbrachten Leistungen gewesen.
Die dagegen gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) nach einer Augenscheinseinnahme als unbegründet zurück. Zur Begründung führte das FG u.a. aus, es habe aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens die Überzeugung erlangt, die Klägerin stelle Räume zur Kontaktanbahnung zur Verfügung und biete dafür die Möglichkeit an, auch die Sauna zu benutzen. Für diese Überzeugungsbildung war der durch den Augenschein gewonnene Gesamteindruck ausschlaggebend. Der Ruhebereich der Sauna der Klägerin war mit doppelbreiten Liegen ausgestattet. Die Klägerin bot keinen sog. Frischluftbereich an. Sie stellte Kondome bereit, bot Erotikfilme an und erhob einen Eintrittspreis "am oberen Rand" des vorherrschenden Preisniveaus.
Mit der Beschwerde gegen das Urteil des FG vom 17. Januar 2001 begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat keine zur Zulassung der Revision verpflichtenden Gründe (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) dargelegt.
1. Anwendbare Vorschriften
Die Zulässigkeit der Beschwerde bestimmt sich gemäß Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757, BStBl I 2000, 1567) nach den vom 1. Januar 2001 an geltenden Vorschriften, wenn die Entscheidung nach dem 31. Dezember 2000 verkündet oder von Amts wegen anstelle einer Verkündung zugestellt wurde; danach ist insoweit das neue Recht anzuwenden.
2. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
a) Nach ständiger Rechtsprechung hat eine Sache grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Gesamtheit an der einheitlichen Entwicklung des Rechts berührt. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und im Streitfall klärungsfähig sein (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 25. Juli 2000 XI B 122/99, BFH/NV 2000, 1495; vom 14. August 2001 XI B 57/01, BFH/NV 2002, 51, 52). Eine Änderung gegenüber den vor dem 1. Januar 2001 dazu entwickelten Grundsätzen ergibt sich nicht (so auch BFH-Beschlüsse vom 12. November 2001 VIII B 61/01; vom 4. Dezember 2001 X B 112/01, BFH/NV 2002, 346). Gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO müssen diese Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtssache wegen grundsätzlicher Bedeutung dargelegt werden.
b) Dies hat die Klägerin nicht getan. Sie hält die Frage für klärungsbedürftig, wie ein Ruhebereich einer Sauna ausgestattet sein müsse, damit der Betreiber der Sauna den ermäßigten Steuersatz erhalten könne. Die Frage ist in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsbedürftig. In einem Revisionsverfahren wäre nur entscheidungserheblich, ob die von der Klägerin in den Räumen, deren Einrichtung und Verwendung vom FG ―für das Revisionsgericht bindend (§ 118 Abs. 2 FGO)― festgestellt ist, Umsätze durch Kontaktanbahnung oder durch Verabreichung von Heilbädern ausgeführt hat. Mit Angriffen gegen die Richtigkeit der Beurteilung dieser Umsätze durch das FG macht die Klägerin keinen Revisionszulassungsgrund geltend.
3. Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 1. Alternative FGO)
a) Ein Grund, die Revision zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, ist nicht vorhanden. Sieht man in der sog. Rechtsfortbildungsrevision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO einen Spezialfall der Grundsatzrevision, hätte die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin schon deshalb keinen Erfolg, weil die Klägerin eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgeworfen und daher auch nicht die nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Darlegungen hierzu erbracht hat.
b) Sieht man die Rechtsfortbildungsrevision als eigenständigen Revisionszulassungsgrund an, bei dem es auf die Darlegung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht ankommt, muss der Einzelfall Veranlassung geben, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch zu schließen (vgl. BFH-Beschluss vom 30. August 2001 IV B 79, 80/01, BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837).
Eine Gesetzeslücke liegt im Streitfall, in dem es um die Beurteilung eines Umsatzes geht und zu entscheiden ist, welches Gewicht die Möglichkeit hat, eine Sauna zu benutzen, nicht vor. Eine Veranlassung, Leitsätze zur Auslegung einer Rechtsvorschrift oder eines seiner Tatbestandsmerkmale aufzustellen, kann der konkret zu entscheidende Einzelfall nur dann geben, wenn im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung Unklarheiten oder Zweifel hinsichtlich der Auslegung der betreffenden Norm oder einzelner Tatbestandsmerkmale dieser Norm bestehen oder wenn es der Beschwerde gelingt, durch Aufzeigen neuer, bisher nicht berücksichtigter Gesichtspunkte Zweifel an der Aufrechterhaltung einer bereits bestehenden ("herrschenden") Auslegungspraxis zu erwecken.
Beides kommt im Streitfall nicht in Betracht; denn der Vortrag der Klägerin erweckt keine Zweifel daran, dass es im Streitfall um die Beurteilung des von der Klägerin erbrachten Umsatzes nach dessen wirtschaftlichem Gehalt auf Grund der herkömmlichen Grundsätze geht. Dass die Klägerin im Ergebnis zu einer anderen Beurteilung als das FG kommt, verschafft der Rechtssache nicht die Erforderlichkeit, die Revision zur Fortbildung des Rechts zuzulassen.
4. Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO)
Die Klägerin hat nicht in der erforderlichen Weise dargelegt, dass die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative, § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
a) Dieser Zulassungsgrund umfasst jedenfalls die Fälle der bisherigen Divergenzrevision, geht aber noch darüber hinaus, weil es nunmehr nicht mehr darauf ankommt, welches Gericht die Entscheidung, von der abgewichen wird, getroffen hat (BFH-Beschluss in BFHE 196, 30, BStBl II 2001, 837). Selbst wenn ―was abschließend nicht zu entscheiden ist― noch weiter gehend die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung auch erforderlich wäre (vgl. die Gesetzesbegründung in BTDrucks 14/4061 S. 9), um Fehler von erheblichem Gewicht bei der Auslegung revisiblen Rechts zu korrigieren, die geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen, wäre im Streitfall ein Zulassungsgrund nicht gegeben.
b) Die Klägerin hat sinngemäß dargelegt, das FG sei von der Entscheidung des BFH vom 28. Januar 1999 V R 88/98 (BFH/NV 1999, 992) abgewichen. Sie hat aber keine eindeutige Abweichung der Vorentscheidung von Rechtssätzen in dem BFH-Urteil bezeichnen können, weil die den Entscheidungen zugrunde liegenden Sachverhalte nicht vergleichbar sind. Sie hat auch nicht begründet, dass die erwähnte krasse Fehlentscheidung vorliegt. Diese Annahme ist deshalb nicht gerechtfertigt, weil die Klägerin nur in der Beurteilung der wirtschaftlichen Gewichtung der im Streitfall vorhandenen Leistungselemente eine andere Auffassung als das FG vertritt.
5. Einer weiteren Begründung bedarf die Entscheidung nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO nicht.
Fundstellen