Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensunterbrechung bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters
Leitsatz (NV)
Die Unterbrechung eines finanzgerichtlichen Verfahrens gemäß § 240 Satz 2 ZPO i.V.m. § 155 FGO setzt voraus, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen ist. Daran fehlt es, wenn dem Schuldner kein allgemeines Verfügungsverbot (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 InsO) auferlegt worden ist, sondern das Insolvenzgericht nur einen Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 InsO) angeordnet hat.
Normenkette
FGO § 155; ZPO § 240 S. 2; InsO § 21 Abs. 2 Nr. 2
Tatbestand
1. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ―eine GmbH― erhob mit Schriftsatz vom 20. Februar 1999 wegen mehrerer auf Schätzungen beruhenden Steuerverwaltungsakte beim Finanzgericht (FG) Düsseldorf Klage gegen den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ―FA―). Mit Schreiben vom 10. Juni 1999 forderte das FG die Klägerin gemäß § 65 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf, den Gegenstand ihres Klagebegehrens zu bezeichnen. Gleichzeitig setzte das FG der Klägerin zur Bezeichnung des Klagebegehrens eine Frist gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO von einem Monat nach Zustellung des Schreibens.
Wegen der Aufforderung und Fristsetzung legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 14. Juli 1999 Beschwerde ein. Sie begehrte sinngemäß, die Frist um nicht weniger als vier Wochen zu verlängern, damit sie einen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragen könne und ihr rechtliches Gehör gewährt werde. Das FG verlängerte die Frist bis zum 25. August 1999. Außerdem wies es die Klägerin darauf hin, dass die Beschwerde nicht statthaft sei und dem Bundesfinanzhof (BFH) zur Entscheidung vorgelegt werden müsse, falls die Klägerin sie nicht zurücknehme. Die Klägerin reagierte nicht auf diesen Hinweis.
Durch Beschluss vom 13. Oktober 1999 hat das Amtsgericht X im Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der Klägerin einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und der Schuldnerin (= Klägerin) einen Zustimmungsvorbehalt i.S. des § 21 Abs. 2 Nr. 2 der Insolvenzordnung (InsO) auferlegt.
Entscheidungsgründe
2. Die Beschwerde war als unzulässig zu verwerfen.
a) Das Beschwerdeverfahren ist nicht gemäß § 240 Satz 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) unterbrochen worden. Die Unterbrechung des Verfahrens nach dieser Vorschrift setzt voraus, dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen ist. Daran fehlt es. Das Amtsgericht X hat der Klägerin kein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1 InsO), sondern nur einen Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 InsO). Dadurch ist die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Klägerin nicht auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen (s. § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO; Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. Juni 1999 II ZR 70/98, Der Betrieb 1999, 1650).
b) Die Beschwerde ist nicht statthaft. Gemäß § 128 Abs. 2 FGO können u.a. prozessleitende Verfügungen nicht mit der Beschwerde angefochten werden. Zu diesen nicht anfechtbaren Verfügungen gehören auch die Aufforderungen und Fristsetzungen gemäß § 65 Abs. 2 FGO (s. Stöcker in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 65 FGO Rz. 146).
c) Die Beschwerde ist zudem unzulässig, da die Klägerin sich bei Einlegung der Beschwerde nicht ordnungsgemäß hat vertreten lassen.
Gemäß Art. 1 Nr. 1 Sätze 1 und 3 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ―BFHEntlG― vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) i.d.F. des Gesetzes vom 26. November 1996 (BGBl I 1996, 1810, BStBl I 1996, 1522) muss sich jeder Beteiligte, der ―wie die Klägerin― keine juristische Person des öffentlichen Rechts oder Behörde ist, vor dem BFH durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für die Einlegung der Beschwerde (Art. 1 Nr. 1 Satz 2 BFHEntlG). Prozesshandlungen eines nicht ordnungsgemäß vertretenen Beteiligten, der nicht selbst Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer ist, sind unwirksam und führen zur Unzulässigkeit des durch die Prozesshandlung eingelegten Rechtsmittels (s. BFH-Beschluss vom 9. April 1986 II B 56/86, BFH/NV 1987, 316; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., 1997, § 62 Rz. 76 f.).
Fundstellen
Haufe-Index 424896 |
BFH/NV 2000, 734 |