Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB - Verfahrensmängel; Bedeutung der Unterschrift der Richter
Leitsatz (NV)
1. Gründe i. S. von § 116 FGO können nur mit der zulassungsfreien Revision, nicht mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden. Eine Umdeutung ist nicht möglich.
2. Zu den Anforderungen an die Darlegung behaupteter Verfahrensmängel im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde.
3. Durch ihre Unterschrift bekunden die an einem Urteil beteiligten Richter, daß das Urteil mit der absoluten Mehrheit der Stimmen zustande gekommen ist.
Normenkette
FGO § 104 Abs. 1 S. 2, § 115 Abs. 3 S. 3, § 116; GVG §§ 194, 196 Abs. 1
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
1. Soweit die Klägerin und Beschwerdeführerin -- Klägerin -- Verletzung von §§ 104 Abs. 2 und 105 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) rügt, weil die Zeit zwischen Beschließung des Urteils und dessen Übergabe an die Geschäftsstelle unangemessen lang und das Urteil deshalb nicht mit Gründen versehen sei, ist die Beschwerde nicht statthaft. Bei dem gerügten Mangel handelt es sich um einen solchen i. S. von § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO, der nur mit der zulassungsfreien Revision, nicht aber mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden kann. Für die Beschwerde fehlt insoweit das Rechtsschutzbedürfnis. Auch die Umdeutung einer solchen Beschwerde in eine Revision ist nicht möglich (vgl. im einzelnen m. w. N. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 116 Rdnr. 5).
Für die amtswegige Prüfung der Frage, zu welchem Zeitpunkt das Finanzgericht (FG) sein Urteil beschlossen hat, bestand für den Senat sonach keine Veranlassung. Allerdings betrug der Zeitraum, in dem das angegriffene Urteil im Anschluß an die mündliche Verhandlung der Geschäftsstelle des FG übergeben worden ist, nach Aktenlage weniger als drei Monate und lag damit deutlich unterhalb jener Zeitgrenze von fünf Monaten, die nach der Rechtsprechung dazu führt, ein Urteil als nicht mit Gründen versehen zu behandeln (vgl. z. B. Bundesfinanzhof -- BFH --, Urteil vom 10. November 1993 II R 39/91, BFHE 172, 404, BStBl II 1994, 187).
2. Im übrigen hat die Klägerin weder die von ihr gerügten Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) noch die von ihr angenommene grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) in einer den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechenden Weise dargelegt und bezeichnet.
a) Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung hätte sie ausführen müssen, daß nach ihrer Auffassung die Entscheidung des BFH aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dies ist im Streitfall nicht geschehen. Die Wiederholung der Klagebegründung und hier insbesondere die Auseinandersetzung mit der Frage, ob die Nutzenden wirtschaftliche Eigentümer der ihnen überlassenen Software geworden sind, kann diese Darlegung nicht ersetzen. Gleiches gilt für die bloße Behauptung, die aufgeworfene Rechtsfrage sei von allgemeinem Interesse. Im Ergebnis macht die Klägerin lediglich geltend, das FG habe den festgestellten Sachverhalt unzutreffend gewürdigt und falsch entschieden. Ein solches Vorbringen ist nicht geeignet, die Zulassung der Revision zu rechtfertigen, sondern allenfalls die Revision als solche zu begründen.
b) Auch die Verfahrensrügen der Klägerin genügen nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 FGO.
aa) Zur Bezeichnung ihrer Rüge, ihr sei das rechtliche Gehör verweigert worden, hätte auch gehört, substantiiert darzulegen, was bei ausreichender Gewährung des rechtlichen Gehörs noch vorgetragen worden wäre (vgl. BFH-Urteil vom 3. Februar 1982 VII R 101/79, BFHE 135, 167, BStBl II 1982, 355; Beschluß vom 16. März 1988 II B 175/87, BFH/NV 1989, 586). Solche Darlegungen sind nicht erfolgt. Es genügt nicht, abstrakt auf irgendwelche möglichen Einwendungen und die Absicht zu verweisen, sie hätte sich anderenfalls vertieft mit einem von ihr eingeholten Privatgutachten auseinandergesetzt. Dies gilt unabhängig davon, ob die entsprechende Problematik ausdrücklicher Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist oder nicht.
bb) Aus letztlich gleichen Gründen bleibt auch das Berufen auf eine Überraschungsentscheidung erfolglos. Im übrigen genügt es, wenn das Gericht mit den Beteiligten die entscheidungserheblichen Rechtsfragen erörtert und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gibt. Inwieweit diese Gelegenheit wahrgenommen wird, ist Sache der Beteiligten (Gräber/von Groll, a. a. O., § 96 Rdnr. 32 ff., m. w. N. zur Rechtsprechung).
cc) Soweit die Klägerin vorträgt, das FG habe gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen, rügt sie im Ergebnis erneut falsche Würdigung des vorgegebenen und auch vom FG zugrunde gelegten Sachverhalts. Dies aber ist nicht als Rüge der Verletzung von § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO aufzufassen. Vielmehr handelt es sich um die Rüge der materiellen Richtigkeit des Urteils, sonach nicht um einen Verfahrensfehler.
dd) Soweit die Klägerin schließlich Zweifel daran hat, daß die vom FG getroffene Entscheidung gemäß § 52 FGO i. V. m. § 196 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes - GVG - mit der absoluten Mehrheit der an der Entscheidung beteiligten Richter zustande gekommen sein könnte, fehlt es ebenfalls an der erforderlichen Schlüssigkeit des Vorbringens. Die Gesetzmäßigkeit der Entscheidung wird dadurch belegt, daß die (Berufs-)Richter, die das Urteil gefällt haben, dieses unterschrieben haben (vgl. § 105 Abs. 1 Satz 2 FGO; ferner Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 53. Aufl., § 196 GVG Rdnr. 1; Reichsgericht, Urteil vom 18. Dezember 1896 II 241/96, RGZ 38, 410, 412). Der Umstand, daß der Vorsitzende, X, wegen Erkrankung daran gehindert war, seine Unterschrift zu leisten, widerspricht dem nicht. Dieser Umstand und der Verhinderungsgrund sind vom dienstältesten beisitzenden Richter, Richter am FG Y, vermerkt worden (§ 105 Abs. 1 Satz 3 FGO). Eines besonderen Protokolls über Beratung und Abstimmung (vgl. § 194 GVG) bedarf es nicht. In Anbetracht dessen gibt das Vorbringen der Klägerin keinen begründeten Anhaltspunkt dafür, daß das Urteil an einer Verletzung von § 196 Abs. 1 GVG leiden und daß das Urteil darauf beruhen könnte.
Auf den Umstand, daß die Klägerin den von ihr vermuteten Verstoß gegen § 196 GVG erst nach Ablauf der Frist des § 115 Abs. 3 FGO gerügt hat, kam es nicht mehr an, so daß über die Frage einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu entscheiden war.
3. Was die Frage der Berücksichtigung der vom Bundesministerium der Finanzen getroffenen Übergangsregelung (Schreiben vom 3. Januar 1996, BStBl I 1996, 53) zur Anwendung des Senatsurteils vom 5. Oktober 1994 I R 50/94 (BFHE 176, 523, BStBl II 1995, 549) anbelangt, handelt es sich um einen Billigkeitserweis der Finanzverwaltung. Auf ihn kann in dem hier anhängigen Verfahren die Beschwerde wegen der Nichtzulassung ohnehin nicht gestützt werden.
Im übrigen ergeht dieser Beschluß gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 421898 |
BFH/NV 1997, 576 |