Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung und an substantiierte Sachaufklärungsrügen
Leitsatz (NV)
- Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache muß - abgesehen von dem seltenen, hier nicht gegebenen Fall ihrer Evidenz - schlüssig dargelegt werden. Hat die höchstrichterliche Rechtsprechung die vom Beschwerdeführer für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Rechtsfrage schon früher entschieden, so muß der Beschwerdeführer eingehend begründen, warum er gleichwohl eine erneute Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu der betreffenden Frage im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsentwicklung für erforderlich hält (vgl. z.B. BFH-Beschluß vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479). Hierzu muß er substantiiert darlegen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die bereits höchstrichterlich beantwortete Frage umstritten sei, insbesondere welche neuen gewichtigen, vom BFH bislang nicht geprüften Einwände in der Literatur und/oder in der Rechtsprechung der Instanzgerichte gegen die höchstrichterliche Auffassung erhoben würden (vgl. z.B. BFH-Beschluß vom 23. Januar 1992 II B 64/91, BFH/NV 1992, 676, m.w.N., ständige Rechtsprechung).
- Die schlüssige Rüge der Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes erfordert u.a. die Darlegung des Beschwerdeführers, inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können und aus welchen Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts auch ohne entsprechenden Beweisantrag hätte aufdrängen müssen.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3, Abs. 3 S. 3
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht.
1. Grundsätzliche Bedeutung
a) Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache muß --abgesehen von dem seltenen, hier nicht gegebenen Fall ihrer Evidenz-- schlüssig dargelegt werden. Hat die höchstrichterliche Rechtsprechung die vom Beschwerdeführer für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Rechtsfrage schon früher entschieden, so muß der Beschwerdeführer eingehend begründen, warum er gleichwohl eine erneute Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu der betreffenden Frage im Interesse der Rechtseinheit oder Rechtsentwicklung für erforderlich hält (vgl. z.B. BFH-Beschluß vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479). Hierzu muß er substantiiert darlegen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die bereits höchstrichterlich beantwortete Frage umstritten sei, insbesondere welche neuen gewichtigen, vom BFH bislang nicht geprüften Einwände in der Literatur und/oder in der Rechtsprechung der Instanzgerichte gegen die höchstrichterliche Auffassung erhoben würden (vgl. z.B. BFH-Beschluß vom 23. Januar 1992 II B 64/91, BFH/NV 1992, 676, m.w.N., ständige Rechtsprechung).
b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) weisen darauf hin, daß sie die "Verwaltungsverträge" mit der Firma Ambross S.A. (A) erst im Jahre 1989 und damit zu einer Zeit geschlossen hätten, als diese offensichtlich nicht mehr zahlungsfähig gewesen sei, da sie in den Jahren 1987 bis 1990 einen Gesamtverlust in Höhe von 247 Mio. DM erlitten habe. Infolgedessen könne ein Zufluß der von der A ihnen, den Klägern, gutgeschriebenen "Renditen" durch Novation niemals eingetreten sein. Nach den BFH-Urteilen vom 22. Juli 1997 (vgl. z.B. VIII R 57/95, BFHE 183, 556, BStBl II 1997, 755, und VIII R 12/96, BStBl II 1997, 761) setze auch der Zufluß der Renditen (Kapitalerträge) durch Novation voraus, daß der Schuldner (hier: A) zahlungsfähig sei. Im Unterschied zum hier zu beurteilenden Sachverhalt beträfen die BFH-Urteile vom 22. Juli 1997 Fälle, in denen die Verwaltungsverträge der Anleger mit der A bereits in den Jahren 1987 und 1988 geschlossen worden seien. Für die hier zu entscheidende Fallkonstellation, daß der Anleger den Verwaltungsvertrag mit der A erst 1989 geschlossen und die Kapitaleinlage dementsprechend erst in diesem Jahr der A zur Verfügung gestellt habe, sei eine erneute Überprüfung durch den BFH zwingend erforderlich.
Die Kläger haben es versäumt, die Klärungsbedürftigkeit der von ihnen für grundsätzlich bedeutsam gehaltenen Rechtsfrage substantiiert darzulegen. Hierzu hätte es insbesondere einer eingehenden Auseinandersetzung mit den einschlägigen Senatsurteilen vom 22. Juli 1997 bedurft. Wäre eine solche Auseinandersetzung erfolgt, hätten die Kläger feststellen können, daß der BFH die für den Zufluß von Kapitalerträgen durch bloße Gutschrift in den Büchern des Schuldners (hier: der A) und durch Novation erforderliche Zahlungsfähigkeit der A auch noch für das Jahr 1989 und darüber hinaus sogar bis September 1990 bejaht hat. So heißt es beispielsweise im BFH-Urteil in BFHE 183, 556, BStBl II 1997, 755, unter II. 2. b, cc, bbb wörtlich:
"Nach der Rechtsprechung des BFH kann ein Zufluß i.S. des § 11 Abs. 1 EStG sowohl in den Fällen der bloßen Gutschrift des betreffenden Betrages in den Büchern des Schuldners als auch in den Fällen der Novation grundsätzlich nur dann angenommen werden, wenn der Schuldner in dem betreffenden Zeitpunkt zur Zahlung des Betrages in der Lage gewesen wäre, also nicht zahlungsunfähig war (...). Als Zahlungsunfähigkeit in diesem Sinne ist das auf dem Mangel an Zahlungsmitteln beruhende dauernde Unvermögen des Schuldners anzusehen, seine sofort zu erfüllenden Geldschulden noch im wesentlichen zu berichtigen (...).
Nach diesen Grundsätzen ist im Streitfall davon auszugehen, daß die A in den maßgeblichen Zeitpunkten der jeweiligen Wiederanlagen der 'Renditen' objektiv zahlungsfähig war. Dies folgt schon aus der vom FG ... festgestellten Tatsache, daß die A in dem hier zu beurteilenden Zeitraum (Anfang 1989 bis Mitte Oktober 1989) allen Auszahlungsverlangen ... prompt nachkam. In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob die A in diesem Zeitraum auch imstande gewesen wäre, alle ihre Verbindlichkeiten, also auch die noch nicht innerhalb eines absehbaren Zeitraums (von drei bis sechs Monaten; ...) fällig werdenden Renditen und gekündigten Kapitaleinlagen, auf einmal auszuzahlen. Denn mit einer solchen Konstellation mußte die A bei verständiger und objektiver Beurteilung der ... Sachlage nicht rechnen ...".
Im nicht veröffentlichten Urteil vom 22. Juli 1997 VIII R 56/95 hat der BFH diese Ausführungen für einen Fall bestätigt, in dem einer der Verwaltungsverträge --ebenso wie im Streitfall-- erst im Jahr 1989 geschlossen wurde. Dort ging der BFH von der Zahlungsfähigkeit der A bis Oktober 1990 aus (vgl. im übrigen z.B. die nichtveröffentlichten BFH-Urteile vom 22. Juli 1997 VIII R 45/95, betreffend einen Sachverhalt, in welchem der Verwaltungsvertrag im Dezember 1989 geschlossen wurde, sowie vom 22. Juli 1997 VIII R 75/95, betreffend einen Fall, in dem der letzte Verwaltungsvertrag sogar erst 1990 geschlossen wurde).
Neue, in der Literatur oder in der Rechtsprechung der Instanzgerichte gegen diese Rechtsprechung des BFH erhobene und vom BFH noch nicht bedachte Einwände vermochten die Kläger nicht anzuführen.
2. Sachaufklärungsrügen
a) Soweit die Kläger vorgetragen haben, das Finanzgericht (FG) habe es unterlassen, durch Beiziehung der die A betreffenden Konkurs-, Straf- und Steuerstrafakten aufzuklären, daß die A im Jahr des Abschlusses der hier in Rede stehenden Verwaltungsverträge zahlungsunfähig gewesen sei, genügt die Beschwerdebegründung jedenfalls deswegen nicht den Anforderungen an eine schlüssige Rüge der Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes, weil es die Kläger unterlassen haben darzulegen, inwiefern eine weitere Aufklärung auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl. zu diesem Erfordernis z.B. Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, Rdnr. 228; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rdnr. 65 i.V.m. § 120 Rdnr. 39, 40, m.w.N.).
Im Anschluß an die Rechtsprechung des beschließenden Senats (vgl. oben 1. b) hat das FG den materiell-rechtlichen Standpunkt vertreten, daß die Zahlungsfähigkeit der A trotz der von ihr erlittenen Verluste bis Ende September 1990 zu bejahen war (vgl. FG-Urteil, S. 7 f., unter II. 2. b der Gründe). Nach der vom FG unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des BFH vorgenommenen Deutung des Begriffs der Zahlungsfähigkeit kam es im Gegensatz zu der von den Klägern vertretenen Rechtsauffassung nicht darauf an, ob die A in den Jahren 1989 und 1990 infolge der erlittenen hohen Verluste objektiv überschuldet war, mit anderen Worten außerstande war, alle --auch nicht fälligen-- Verbindlichkeiten aus ihrem Aktivvermögen zu begleichen.
b) Unschlüssig ist schließlich auch die weitere Rüge der Kläger, das FG habe es unterlassen, von Amts wegen aufzuklären, ob ihnen, den Klägern, nicht zumindest im Streitjahr 1990 Anteile an den von der A erwirtschafteten Verluste (als Werbungskosten bei ihren Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 4, 1. Alternative des Einkommensteuergesetzes) zuzuordnen seien.
Die Kläger haben es dieserhalb jedenfalls unterlassen darzulegen, aus welchen Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts in diese Richtung auch ohne entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen (vgl. Herrmann, a.a.O., Rdnr. 228, m.w.N.; Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rdnr. 40, m.w.N.).
Zum Problem der Abziehbarkeit von Anteilen der Ambros-Anleger an den laufenden Verlusten der A als Werbungskosten weist der beschließende Senat im übrigen auf die Ausführungen in seinem Urteil in BFHE 183, 556, BStBl II 1997, 755 (unter II. 4. der Gründe) hin, wonach die Ambros-Anleger auf sie entfallende Verlustanteile jedenfalls nicht in den auch hier in Rede stehenden Streitjahren 1989 und 1990, sondern --wenn überhaupt-- frühestens im Jahr 1991 geltend machen können.
3. Im übrigen wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs von einer Begründung abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 424711 |
BFH/NV 2000, 473 |