Entscheidungsstichwort (Thema)
Verspätungszuschlag neben Vollverzinsung ist verfassungsgemäß
Leitsatz (NV)
1. Es ist geklärt, dass § 152 AO 1977 auch nach der Einführung von § 233a AO verfassungsgemäß ist.
2. Die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit einer ordnungsgemäß zustande gekommenen Norm kann niemals zur Zulassung der Revision wegen eines schwerwiegenden Fehlers führen.
Normenkette
AO 1977 §§ 152, 233a; FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2
Verfahrensgang
Nachgehend
Gründe
Die Beschwerden der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind unzulässig. Es fehlt jeweils an der schlüssigen Rüge eines Revisionszulassungsgrundes i.S. des § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
1. Die Unzulässigkeit der Beschwerde der Klägerin betreffend die Festsetzung eines Verspätungszuschlags zur Umsatzsteuer 1998 ergibt sich schon daraus, dass sich diese Festsetzung ausschließlich gegen den Kläger richtet. Deshalb hat das Finanzgericht (FG) die Klage der Klägerin auch insoweit als unzulässig abgewiesen. Hiergegen gerichtete Revisionszulassungsgründe werden mit der Beschwerde nicht geltend gemacht.
2. Die Kläger haben im Übrigen nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend schlüssig dargelegt, dass die angefochtenen Urteile eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern.
a) Im Ausgangspunkt berufen sich die Kläger allerdings zu Recht darauf, dass mit der Neufassung der Revisionszulassungsgründe durch das Zweite Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (FGOÄndG 2) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757, BStBl I 2000, 1567) auch eine Möglichkeit geschaffen worden ist, die Revision wegen eines besonders schwerwiegenden Fehlers des FG bei der Auslegung revisiblen Rechts zuzulassen. Die Revision ist danach zuzulassen, wenn dem FG bei der Auslegung und Anwendung des Rechts schwerwiegende Fehler unterlaufen sind, die von so erheblichem Gewicht sind, dass sie, würden sie von einem Rechtsmittelgericht nicht korrigiert, geeignet wären, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn Verfahrensgrundrechte oder das aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und Art. 19 Abs. 4 GG abzuleitende Recht eines Beteiligten auf willkürfreie gerichtliche Entscheidung durch das Urteil des FG verletzt werden (vgl. etwa BFH-Beschlüsse vom 10. März 2004 VII B 331/03, juris, und vom 13. Oktober 2003 IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25).
b) Einen derartigen Fehler machen die Kläger jedoch nicht schlüssig geltend. Vielmehr stützen sie sich insoweit allein auf die Klärungsbedürftigkeit der Frage, ob § 152 der Abgabenordnung (AO 1977) verfassungswidrig ist, sowie darauf, dass die Festsetzung der Verspätungszuschläge durch die Behörde ermessensfehlerhaft war. Beide Argumente betreffen, selbst wenn die Meinung der Kläger in der Sache richtig sein sollte, keinen über die Revision wegen schwerwiegender Fehlerhaftigkeit zu beseitigenden Fehler. Die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit einer ordnungsgemäß zustande gekommenen Norm kann niemals zur Zulassung der Revision wegen eines schwerwiegenden Fehlers im Sinne dieses Revisionsgrundes führen. Denn von der Verfassungskonformität eines Gesetzes darf ein Gericht solange ausgehen, bis ausdrücklich die Verfassungswidrigkeit festgestellt ist. Würde ein Gericht eine bereits als verfassungswidrig erklärte Norm anwenden, wäre die Revision wegen Abweichung von der betreffenden Entscheidung zuzulassen.
Soweit die Kläger eine fehlerhafte Ermessensausübung der Behörde rügen, machen sie schon gar keinen Fehler des Gerichts geltend. Denn sie tragen selbst vor, dass das FG keine eigenen Ermessenserwägungen anstellen durfte und die Verspätungszuschläge wegen unzureichender Abwägung des Für und Wider der Höhe nach fehlerhaft festgesetzt worden seien. Im Übrigen wäre auch ein Fehler des FG bei der im Rahmen von § 102 FGO erfolgten Überprüfung der Ermessensentscheidung kein schwerwiegender Fehler im Sinne der oben genannten Definition des Revisionsgrundes.
3. Unschlüssig erhoben ist auch die Rüge, die Rechtssachen hätten grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, deren Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar sein. Das Vorliegen der Voraussetzungen muss in der Beschwerdebegründung schlüssig dargelegt werden (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Beschlüsse vom 15. Juli 1966 VI B 2/66, BFHE 86, 708, BStBl III 1966, 628; vom 9. Februar 1996 VIII B 1/95, BFH/NV 1996, 617, und vom 17. Oktober 2001 III B 65/01, BFH/NV 2002, 217).
Die Beschwerden nehmen zwar ausdrücklich zu den Gründen der behaupteten Verfassungswidrigkeit Stellung. Es fehlt aber an Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit. Diese waren nicht ausnahmsweise wegen offensichtlicher Klärungsbedürftigkeit entbehrlich. Vielmehr drängten sich Ausführungen geradezu auf, weil das FG die Verfassungsmäßigkeit ausdrücklich unter Hinweis auf die --jeweils in Verfahren der beiden Kläger ergangenen-- Senatsbeschlüsse vom 30. November 2001 IV B 30/01 (BFH/NV 2002, 475) und vom 22. Dezember 2000 IV B 5/00 (BFH/NV 2001, 746) bejaht hatte. Mit diesen Entscheidungen in Verbindung mit dem vorangegangenen Urteil des BFH vom 14. Juni 2000 X R 56/98 (BFHE 192, 213, BStBl II 2001, 60) war geklärt, dass § 152 AO 1977 auch nach Einführung des § 233a AO 1977 verfassungsgemäß ist (vgl. auch die Ausführungen in dem gegenüber dem Kläger ergangenen BFH-Beschluss vom 8. Januar 2004 V B 37-39, 57/03, BFH/NV 2004, 829).
4. Die Rüge, die angefochtenen Urteile wichen von der Rechtsprechung des BFH ab (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO), ist ebenfalls nicht ordnungsgemäß erhoben worden. Die schlüssige Darlegung der Divergenz erfordert, dass der Beschwerdeführer einen abstrakten Rechtssatz herausarbeitet, der das FG-Urteil trägt. Dem ist ein abweichender tragender Rechtssatz aus einer genau bezeichneten Entscheidung des BFH gegenüberzustellen (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. z.B. Beschlüsse vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479, und vom 7. Oktober 2003 X B 52/03, BFH/NV 2004, 80). Diesen Anforderungen genügen die Beschwerden nicht. Zwar bezeichnen die Kläger einen Rechtssatz, den der BFH in genau bezeichneten Entscheidungen aufgestellt hat. Sie stellen diesem Rechtssatz jedoch keinen davon abweichenden Rechtssatz der angefochtenen Urteile gegenüber. Vielmehr betreffen die Ausführungen der Kläger ausschließlich die Begründung der Verwaltungsakte, nicht aber die Begründung der angefochtenen Urteile. Eine Gegenüberstellung der vom FG aufgestellten Rechtssätze hätte im Übrigen auch gezeigt, dass eine Abweichung von den bezeichneten BFH-Urteilen nicht vorliegt.
Fundstellen
Haufe-Index 1374684 |
BFH/NV 2005, 1215 |