Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerblicher Grundstückshandel in einem Errichtungsfall: Bedingte Verkaufsabsicht bei Bildung von Wohneigentum, Fehlen ganz besonderer Umstände
Leitsatz (NV)
- Die für den gewerblichen Grundstückshandel entwickelte Drei-Objekt-Grenze mit der Haltefrist und der Verwertungsfrist von jeweils fünf Jahren ist auch in den Errichtungsfällen lediglich Beweisanzeichen, das durch andere objektive Sachverhaltsmerkmale überlagert und verdrängt werden kann.
- Die Bildung von Wohneigentum bei Errichtung eines Gebäudes rechtfertigt den Schluss auf eine bedingte Verkaufsabsicht des Eigentümers schon bei Errichtung der Eigentumswohnungen in einem Maße, dass die Überschreitung der fünfjährigen Haltefrist von vier bzw. neun Monaten bei sechs Verkäufen in einem Verwertungszeitraum von zwei Jahren und sieben Monaten nicht ins Gewicht fällt.
- Dass der Eigentümer die Wohnungen möglicherweise wegen der Scheidung von seiner Ehefrau verkauft hat, stellt bei dieser Sachlage keinen anderen ‐ ganz besonderen ‐ Umstand i.S. des Beschlusses des Großen Senats vom 10. Dezember 2001 GrS 1/98 dar, der zweifelsfrei begründen könnte, dass eine zumindest bedingte Verkaufsabsicht von Anfang an gefehlt haben soll.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 2; FGO § 115 Abs. 2, § 56
Tatbestand
I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) errichtete im Juni 1987 auf einem 1985 erworbenen Grundstück sieben Eigentumswohnungen, die er mit unbefristeten Mietverträgen an die jeweiligen Nutzer vermietete. Im August 1990 verkaufte er nach Kündigung des Mieters und dessen Auszug die erste der sieben Eigentumswohnungen. Im August 1991 folgte der zweite derartige Verkauf. Die dritte und vierte Wohnung wurden jeweils im Oktober 1992 an die bisherigen Mieter verkauft. Zwei weitere Wohnungen veräußerte er im März 1993; Käuferin der beiden Wohnungen war eine Mieterin.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) ging vom Vorliegen eines gewerblichen Grundstückhandels aus und erließ entsprechende Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheide. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen.
Die Beschwerde begründete der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit dem am 31. August 2001 nach Ablauf der Begründungsfrist (28. August 2001) eingegangenen Schriftsatz. Mit dem zugleich eingegangenen Wiedereinsetzungsantrag verwies er auf ein Versäumnis seiner Mitarbeiterin, einer Diplom-Finanzwirtin, die nach ihrem Ausscheiden aus der Finanzverwaltung seit März 1998 bei ihm beschäftigt sei und sich als äußerst gründlich und zuverlässig arbeitende Mitarbeiterin bewährt habe. Die Begründungsschrift sei von ihm am letzten Tag der Frist fertig gestellt und unterschrieben der Mitarbeiterin, deren bisherige Arbeitseinstellung, Pflichtbewusstsein, Zuverlässigkeit und fachliche Kompetenz außer Zweifel gestanden habe, zur Weiterleitung per Fax an den Bundesfinanzhof (BFH) mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die Dringlichkeit und den Fristablauf übergeben worden. Ihm sei weder erklärlich, wie es zu dem Versäumnis habe kommen können noch sei es durch organisatorische Vorkehrungen zu vermeiden gewesen. Er habe sich darauf verlassen können, dass seine klare Anweisung ausgeführt werde.
Zur Glaubhaftmachung legte der Prozessbevollmächtigte eine eidesstattliche Versicherung seiner Mitarbeiterin vor, in der sie seinen Vortrag bestätigt und die Gründe für ihr Versäumnis darlegt.
Entscheidungsgründe
II. 1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie wurde fristgerecht begründet, weil Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 Abs. 4 i.V.m. Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) zu gewähren war. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers konnte glaubhaft machen, dass ihn an dem Versäumnis seiner bewährten und ansonsten zuverlässig arbeitenden Mitarbeiterin kein Verschulden trifft. Er konnte unter im Streitfall vorliegenden Voraussetzungen die Fristwahrung auch durch eine konkrete Einzelweisung sicherstellen (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Dezember 1994 X R 176/93, BFH/NV 1995, 798). Er hat die versäumte Rechtshandlung innerhalb der Frist des § 56 Abs. 2 Satz 3 FGO nachgeholt.
2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Revision nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.
Denn die angefochtene Entscheidung entspricht der Rechtsprechung des BFH zur Drei-Objekt-Grenze.
In Übereinstimmung mit den vom Kläger angeführten Entscheidungen des BFH geht das FG davon aus, dass den insoweit genannten zeitlichen Grenzen keine starre Bedeutung zukommt, sondern dass sie lediglich Beweisanzeichen sind, die durch andere objektive Sachverhaltsmerkmale überlagert und verdrängt werden können (BFH-Urteile vom 19. Dezember 1990 X R 165/87, BFH/NV 1991, 381; vom 29. Oktober 1998 XI R 58/97, BFH/NV 1999, 766). Dabei legtauch nach den vom Kläger für seine Ansicht angeführten Urteilen des BFH der enge zeitliche Zusammenhang zwischen Erwerb bzw. Bebauung und Veräußerung der Objekte nach den Regeln der Lebenserfahrung die Annahme einer bedingten Verkaufsabsicht beim Kauf bzw. der Errichtung der Wohnungen nahe(BFH-Urteile in BFH/NV 1999, 766, und vom 11. Dezember 1991 III R 59/89, BFH/NV 1992, 464), wenn sich nicht aus anderen ―ganz besonderen Umständen― zweifelsfrei eine von Anfang an fehlende Verkaufsabsicht ergibt (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 10. Dezember 2001 GrS 1/98, BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291).
Wie der BFH erkennt auch das FG die Möglichkeit an, dass die Beweisanzeichen erschüttert werden können. Es verneint lediglich zu Recht das Vorliegen dafür geeigneter Sachverhaltsmerkmale oder "anderer ―ganz besonderer― Umstände". Denn zum einen stellen die vom Kläger abgeschlossenen unbefristeten Mietverträge ―entgegen seiner Auffassung― keine langfristigen dar, weil die Rechtsprechung dafür eine Mindestmietdauer von fünf Jahren verlangt (BFH in BFH/NV 1999, 766; vgl. auch das vom Kläger genannte BFH-Urteil vom 18. September 1991 XI R 23/90, BFHE 165, 521, BStBl II 1992, 135). Zum anderen hat der Kläger ―anders als in dem mit BFH-Urteil vom 28. September 1987 VIII R 46/84 (BFHE 151, 74, BStBl II 1988, 65) entschiedenen Fall― die neuen Wohnungen trotz anfänglicher Vermietung sofort als Eigentumswohnungen errichtet. Diese sachenrechtliche Gestaltung erhöht von Beginn an die Verkäuflichkeit der einzelnen Wohnungen in einem Maße, das den Schluss des FG auf eine bedingte Verkaufsabsicht des Klägers schon bei Errichtung der Wohnungen rechtfertigt. Dagegen fällt die Überschreitung der fünfjährigen Haltefrist angesichts ihrer Geringfügigkeit von vier bzw. neun Monaten und der Kürze des konkreten Verwertungszeitraums von zwei Jahren und sieben Monaten bei sechs Verkäufen nicht ins Gewicht. In Anbetracht der danach von Anfang an bestehenden zumindest bedingten Verkaufsabsicht kommt dem Umstand keine Bedeutung zu, dass der Kläger die Wohnungen möglicherweise wegen der Scheidung von seiner Ehefrau verkauft hat. Aus einem solchen Ereignis lässt sich nicht herleiten, dass eine zumindest bedingte Verkaufsabsicht von Anfang an gefehlt haben soll. Die Annahme, die Veräußerung der Wohnungen könnte der letzte Akt privater Vermögensverwaltung gewesen sein, hat daher keine zweifelsfreie Grundlage.
Im Ergebnis rügt der Kläger somit lediglich die vom FG vorgenommene Würdigung einzelner Sachverhaltselemente des Streitfalls. Das reicht auch nach neuem Recht für die Revisionszulassung nicht aus (BFH-Beschluss vom 18. Juli 2001 X B 46/01, BFH/NV 2001, 1596) und begründet keine Abweichung des FG-Urteils von Entscheidungen des BFH, die eine Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich machen könnte.
Im Übrigen sieht der Senat von einer Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung nach Maßgabe des § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO n.F. ab.
Fundstellen
Haufe-Index 797091 |
BFH/NV 2002, 1453 |
KÖSDI 2003, 13599 |