Entscheidungsstichwort (Thema)
Lückenhafte Begründung allein kann nicht zu einem Mangel i.S. des § 119 Nr. 6 FGO führen; Überprüfung der Festsetzung eines Verspätungszuschlags durch das FG nur in den Grenzen des § 102 FGO; Arbeitsüberlastung und Personalengpass bei einem Steuerberater entschuldigt nicht die verspätete Abgabe von Steuererklärungen
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 119 Nr. 6; AO 1977 § 152; FGO § 102
Verfahrensgang
FG Köln (Entscheidung vom 04.09.2002; Aktenzeichen 11 K 4564/01) |
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist als unbegründet zurückzuweisen.
1. Die Revision ist nicht wegen Verfahrensmängeln zuzulassen (§ 115 Abs. 1 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
a) Das Urteil des Finanzgerichts (FG) verletzt nicht § 119 Nr. 6 FGO.
§ 119 Nr. 6 FGO betrifft im Grundsatz nur das Fehlen jeglicher rechtlicher Begründung. Eine lückenhafte Begründung allein kann nicht zu einem Mangel i.S. des § 119 Nr. 6 FGO führen (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 119 Rdnr. 23, m.w.N.).
b) Das FG hat den Anspruch der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) auf rechtliches Gehör (§ 119 Nr. 3 FGO) nicht verletzt. Danach ist das FG zwar verpflichtet, Anträge und Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Diese Pflicht geht aber nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht soweit, dass sich das Gericht mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich befassen müsste; grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen hat (vgl. z.B. Gräber/ Ruban, a.a.O, § 119 Rdnr. 10 a). Hinzu kommt im Streitfall, dass das FG die Festsetzung eines Verspätungszuschlages nur in den Grenzen des § 102 FGO überprüfen konnte.
c) Das FG hat auch nicht § 96 Abs. 1 FGO dadurch verletzt, dass es ―wie die Kläger behaupten― nicht die Gesamtumstände in seine Würdigung miteinbezogen habe. Bei der Frage, ob dem FG ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, ist von dessen materieller Rechtsauffassung auszugehen. Im Streitfall ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass ein Verspätungszuschlag gemäß § 152 der Abgabenordnung (AO 1977) vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ―FA―) nach pflichtgemäßem Ermessen festzusetzen ist (§ 5 AO 1977). Es hat gemäß § 102 FGO die vom FA getroffene Entscheidung darauf überprüft, ob sie die Grenzen des Ermessens überschreitet oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist. Das FG kann grundsätzlich nicht selbst Ermessen ausüben. Es reichte daher aus, wenn es im Urteil ohne ausdrückliche Wiedergabe einzelner Umstände die Gründe angegeben hat, die gegen das Vorliegen eines Ermessensfehlgebrauchs sprechen.
Soweit die Kläger behaupten, § 96 Abs. 1 FGO sei verletzt, weil das FG gegen seine eigene Überzeugung entschieden habe, ist ihr Vortrag unschlüssig. Die in einem Erörterungstermin von einem Mitglied des Senats geäußerte Rechtsauffassung bindet nicht die an der Urteilsfällung beteiligten Richter.
2. Eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).
a) Die Vorentscheidung weicht nicht vom Urteil des BFH vom 29. September 1989 III R 159/86 (BFH/NV 1990, 615) ab. Danach vermögen Arbeitsüberlastung und Personalengpässe bei einem Steuerberater die verspätete Abgabe von Steuererklärungen grundsätzlich nicht zu entschuldigen. Der Vorentscheidung liegt dieser Rechtssatz zugrunde. Der BFH hat in der genannten Entscheidung nicht den Rechtssatz aufgestellt, aus der verspäteten Abgabe von Steuererklärungen in den Vorjahren dürften keine Schlüsse gezogen werden. Vielmehr hat er abgelehnt, aus der Tatsache, dass in den Vorjahren keine Verspätungszuschläge festgesetzt wurden zu schließen, dass stets eine entschuldbare Fristversäumnis vorliegt.
b) Die Vorentscheidung weicht auch nicht von der Rechtsprechung der von den Klägern zitierten FG ab (Niedersächsisches FG vom 24. Januar 1978 VI 245/77, Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 1978, 416; FG Baden-Württemberg vom 20. Juni 1996 14 K 41/92, EFG 1997, 259; FG München vom 9. November 1990 3 K 3209/87, EFG 1991, 440).
Die Vorinstanz konnte sich unter Berücksichtigung der Fristversäumnisse der Kläger bei Abgabe der Steuererklärungen für die vorangegangenen Veranlagungszeiträume nicht davon überzeugen, dass die beiden von ihrem Steuerberater ab 1999 ff. zu betreuenden Betriebsprüfungen die (alleinige) Ursache für die verspätete Abgabe der Steuererklärung für 1999 gewesen sind. Insoweit hat es seiner Entscheidung keinen Rechtssatz zugrunde gelegt, der von denen der anderen FG abweicht. Auf die Frage, ob die beiden Betriebsprüfungen die verspätete Abgabe der Steuererklärung für 1999 entschuldigten, kam es im Streitfall letztlich nicht mehr an.
3. Soweit die Kläger eine Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts für erforderlich halten (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Halbsatz FGO), entspricht die Beschwerdebegründung nicht den vom Gesetz gestellten Anforderungen.
Nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO sind in der Beschwerdebegründung die Zulassungsgründe darzulegen. Dazu hätten, bezogen auf den Vortrag der Kläger, insbesondere Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 275 des Bürgerlichen Gesetzbuchs im Besteuerungsverfahren und zur angeblichen (verfassungs)rechtlichen Problematik enteignungsgleicher Eingriffe bei Anordnung von Betriebsprüfungen gehört.
4. Soweit die Kläger Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO begehren, haben sie nicht i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO "dargelegt", dass die aufgeworfenen Rechtsfragen im Allgemeininteresse klärungsbedürftig und im Streitfall auch klärungsfähig sind (vgl. hierzu z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rdnr. 31 ff.). Die bloße Behauptung, die von den Klägern gestellten Fragen ließen sich nicht an Hand der Gesetze beantworten, genügt nicht (zum Problem der Entschuldbarkeit siehe im Übrigen oben Nr. 2 b).
Die Entscheidung ergeht mit Kurzbegründung gemäß § 116 Abs. 5 FGO.
Fundstellen