Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässige Aufklärungsrüge; keine grundsätzliche Bedeutung bei nicht entscheidungserheblicher Rechtsfrage
Leitsatz (NV)
1. Einem in keiner Weise substantiierten neuen Vorbringen in der mündlichen Verhandlung nach zuvor mehrfach wechselndem Sachvortrag braucht das FG nicht nachzugehen.
2. Eine Rechtsfrage, die nicht entscheidungserheblich ist, ermöglicht keine Zulassung der Revision gemäß §115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1, 3, Abs. 3 S. 3
Gründe
Die Beschwerde ist bezüglich der Verfahrensrügen unzulässig, weil diese nicht den Anforderungen des §115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) genügen. Im übrigen ist sie unbegründet.
1. Hat ein Beteiligter in der Vorinstanz keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt, erfordert eine gemäß §115 Abs. 3 Satz 3 FGO schlüssige Rüge, das Finanzgericht (FG) habe gegen seine Pflicht zur Sachaufklärung gemäß §76 Abs. 1 FGO verstoßen, die Angabe der Tatsachen, die es auch ohne besonderen Antrag hätte aufklären müssen, oder der zu erhebenden Beweise sowie die Darlegung, weshalb sich dem FG die Notwendigkeit weiterer Sachaufklärung oder einer Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen, was sich bei weiterer Sachaufklärung voraussichtlich ergeben hätte und inwiefern das Ergebnis vom materiell-rechtlichen Standpunkt des FG aus entscheidungserheblich gewesen wäre (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 17. Mai 1994 X B 280/93, BFH/NV 1995, 114; vom 13. Oktober 1994 I B 109/94, BFH/NV 1995, 788, sowie vom 13. März 1995 XI B 160/94, BFH/NV 1995, 817). Daran fehlt es im Streitfall.
a) Soweit der Kläger rügt, daß das FG keine Ortsbesichtigung vorgenommen hat, hat er nicht dargetan, weshalb sich dies dem FG hätte aufdrängen müssen, was eine Ortsbesichtigung ergeben hätte und weshalb das Ergebnis für das FG entscheidungserheblich gewesen wäre.
b) Hinsichtlich der Rüge, das FG habe den privaten Nutzungsanteil der Räume des Obergeschosses nicht aufgeklärt, ist ebenfalls nicht ausreichend dargelegt, weshalb sich dem FG eine weitere Sachaufklärung auch ohne dahingehenden Antrag hätte aufdrängen müssen. Es gibt keinen Verfahrensgrundsatz, wonach das FG bei jedem neuen Vortrag in der mündlichen Verhandlung, dem sich die Gegenseite nicht anschließt, ohne entsprechende (Beweis-)Anträge gemäß §76 Abs. 1 FGO eine weitere Sachaufklärung zu betreiben habe. Soweit ein Beteiligter meint, im konkreten Fall habe sich aus seinem neuen Vorbringen eine derartige Verpflichtung zu weiterer Sachaufklärung ergeben, muß er dies begründen. Vorliegend ergab sich eine solche Verpflichtung jedenfalls nicht von selbst. Der in keiner Weise substantiierte neue Vortrag zu den Nutzungsverhältnissen des Obergeschosses in der mündlichen Verhandlung stellte nur eine weitere Einlassung in einer Reihe wechselnder Angaben zu dem Punkt dar und beruhte nach der eigenen Aussage des Klägers lediglich auf dem "salominischen" Prinzip des 50 zu 50. Unter diesen Umständen und aufgrund der Tatsache, daß der Kläger dazu keinen Beweis etwa durch Benennung von Angestellten als Zeugen angeboten hatte, konnte sich das FG damit begnügen, den neuen Vortrag i. V. m. den bisherigen Einlassungen einer Würdigung dahin zu unterziehen, welche Angabe den höheren Grad der Glaubhaftigkeit für sich hat.
2. Soweit der Kläger geltend macht, die Rechtssache habe gemäß §115 Abs. 2 Nr. 1 FGO grundsätzliche Bedeutung, ist die Beschwerde unbegründet. Die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage ist im Streitfall nicht klärungsfähig.
Da es nicht Aufgabe des Revisionsgerichts ist, abstrakte Rechtsfragen zu klären, ist eine Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nur zuzulassen, wenn die dargelegte Rechtsfrage für die Entscheidung des Streitfalls erheblich ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 21. Dezember 1992 X B 42/91, BFH/NV 1993, 549, sowie vom 1. Februar 1994 VII B 127/93, BFH/NV 1994, 873).
An dieser Rechtserheblichkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage fehlt es im Streitfall. Soweit der Kläger sich bei der Formulierung der Rechtsfrage von angeblich grundsätzlicher Bedeutung auf die Rechtsprechung des BFH zu §75 Abs. 5 und 6 des Bewertungsgesetzes (BewG) bezieht, wonach nur solche Räumlichkeiten Wohnungen sein können, die Wohnzwecken dienen oder zu dienen bestimmt sind, und soweit er dabei die zweite Alternative, nämlich die Bestimmung zu Wohnzwecken, für ausfüllungsbedürftig hält, übersieht er, daß der BFH diese zweite Alternative ausdrücklich dahin erläutert hat, daß sie auf leerstehende Räumlichkeiten bezogen ist (vgl. BFH-Urteile in BFHE 142, 570, BStBl II 1985, 284, sowie vom 17. April 1991 II R 96/87, BFH/NV 1992, 445). Damit ist die Rechtsfrage im Streitfall unerheblich, weil es nicht um den Einfluß einer leerstehenden Raumeinheit auf die Grundstücksart geht, sondern um die Bedeutung einer teils freiberuflich, teils privat genutzten Raumeinheit für die Grundstücksbewertung. Bei solchermaßen tatsächlich genutzten Räumen ist unerheblich, ob für die Zukunft eine Nutzungsänderung geplant oder bautechnisch möglich ist.
Verstünde man die Beschwerdeschrift dahin, daß es dem Kläger unabhängig von der Anknüpfung an das Merkmal der Bestimmung zu Wohnzwecken um die Frage zu tun ist, ob und inwieweit die freiberufliche Mitbenutzung einer Raumeinheit deren Eigenschaft als Wohnung entgegensteht, ergäbe auch dies keinen Grund, eine Revision zuzulassen. Die Frage stellte sich nämlich nur dann, wenn im Streitfall die sonstigen Voraussetzungen einer Wohnung i. S. des §75 Abs. 5 und 6 BewG erfüllt wären. Dies ist aber vorliegend gerade nicht der Fall, weil das Obergeschoß am streitigen Stichtag, abgesehen vom Handwaschbecken in der Toilette, keine Waschgelegenheit aufwies (vgl. zu diesem Erfordernis BFH-Urteil vom 5. Oktober 1984 III R 192/83, BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151) und eine Hinzurechnung des Sanitärbereichs im Untergeschoß wegen der Verbindung über das gemeinsame Treppenhaus keine abgeschlossene Wohnung ergäbe.
Die weitere Rechtsfrage, die bei großzügiger Auslegung der Beschwerdeschrift noch entnommen werden könnte, nämlich die, ob wegen der über die beiden Wohnungen hinausgehenden weiteren zu Wohnzwecken (mit) genutzten Räume entsprechend der Entscheidung des Niedersächsischen FG vom 13. Oktober 1992 I 631/88 (Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1993, 368) das Grundstück als Mietwohngrundstück bewertet werden kann, stellt sich im Streitfall ebenfalls nicht, weil das Grundstück nach den bindenden Feststellungen des FG nicht zu mehr als 80 v. H. Wohnzwecken dient.
Fundstellen
Haufe-Index 66875 |
BFH/NV 1998, 604 |