Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenvorstellung gegen Beschlüsse des BFH
Leitsatz (NV)
1. Die Zulässigkeit einer Gegenvorstellung setzt voraus, daß der Antragsteller durch eine vor dem BFH vertretungsbefugte Person vertreten wird.
2. Die Vorlage einer Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung, die das FG nicht zugelassen und der es nicht abgeholfen hatte, enthält keine für den BFH bindende Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsmittels.
Normenkette
FGO § 128 Abs. 3; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; GG Art. 101 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1
Tatbestand
Durch Beschluß vom 27. Dezember 1996 Az.: ... verwarf der Bundesfinanzhof (BFH) die Beschwerde des Antragstellers und Beschwerdeführers (Antragsteller) gegen den Beschluß des Finanzgerichts (FG) vom 17. Juli 1996 Az.: ... wegen Aussetzung der Vollziehung betreffend Festsetzung, Erlaß und Niederschlagung von Verspätungs- und Säumniszuschlägen, Abrechnungsbescheiden, Stundung u. a. als unzulässig. Das FG hatte die Beschwerde gegen die Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung nicht zugelassen.
Der Antragsteller, der sich als "Prozeßbevollmächtigter bei dem Bundesgerichtshof und bei den Oberlandes-, Landes- und Amtsgerichten" bezeichnet, hatte die Beschwerde selbst eingelegt. Der BFH hatte die bezeichnete Beschwerde auch deswegen verworfen, weil der Antragsteller sie selbst erhoben hatte, obwohl er nicht zu den dazu berechtigten Personen nach Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) gehöre.
Aus den gleichen Gründen verwarf der BFH durch Beschluß Az.: ... -- ebenfalls vom 27. Dezember 1996 -- eine Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des FG vom 17. Juli 1996 als unzulässig. Das FG hatte es abgelehnt, dem Antragsteller Prozeßkostenhilfe (PKH) für die bei diesem Gericht anhängigen Verfahren Az.: ... , Az.: ... , Az.: ... zu gewähren.
Die bezeichneten Beschlüsse des BFH vom 27. Dezember 1996 greift der Antragsteller durch zwei am 3. Februar 1997 beim BFH eingegangene Schreiben "vorsorglich" mit "jedem geeigneten Rechtsmittel ... , das eine Änderung der ... bezeichneten Entscheidung" ermögliche, hilfsweise zu einer Abänderung und Berichtigung gemäß §§ 319 bis 321, 323 der Zivilprozeßordnung (ZPO) führe, an.
Zur Begründung macht er jeweils geltend, das FG habe durch die Vorlage der Beschwerdeschrift im Aussetzungsverfahren an den BFH -- für diesen bindend -- die Rechtsmittelzulässigkeit erkannt. Aus den den Schriftsätzen in Kopie beigefügten Dokumenten ergebe sich, daß er als Prozeßbevollmächtigter nach dem "Überbegriff" gemäß § 78 Abs. 4 ZPO i. V. m. § 155 und § 62 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG vor dem BFH postulationsfähig sei. Weil die angefochtenen Beschlüsse bei richtiger Beurteilung fehlerhaft seien, sei auch die Kostenentscheidung falsch. Die Kosten dürften nach § 8 des Gerichtskostengesetzes (GKG) nicht erhoben werden. Der in dem Beschluß Az.: ... mit 1800 DM festgesetzte Streitwert sei zu niedrig und betrage mindestens 13 000 DM.
Entscheidungsgründe
1. Der V. Senat ist nach Abschn. A betreffend den V. Senat i. V. m. Abschn. A Ergänzende Regelungen IV. 1. des Geschäftsverteilungsplans des BFH für 1997 (BStBl II 1997, 104) zuständig, über die Anträge in den am 3. Februar 1997 eingegangenen Schriftsätzen zu entscheiden.
2. Wegen der im wesentlichen gleichen Gründe erachtet es der Senat für zweckmäßig, die Verfahren V S 3/97 (Aussetzung der Vollziehung) und V S 4/97 (PKH) zur einheitlichen Entscheidung unter dem Aktenzeichen V S 3, 4/97 zu verbinden (§ 73 Abs. 1 Satz 1 FGO).
3. Die in den bezeichneten Schriftsätzen enthaltenen Begehren des Antragstellers gegen die unanfechtbaren Beschlüsse des BFH vom 27. Dezember 1996 XI B 160/96 und XI B 161/96 beurteilt der Senat als Gegenvorstellungen.
Die Gegenvorstellungen sind unzulässig.
a) Da die FGO eine förmliche Gegenvorstellung nicht vorsieht, ist sie als außerordentlicher nicht förmlicher Rechtsbehelf, mit dem eine Aufhebung oder Änderung materiell und/oder formell rechtskräftiger Entscheidungen begehrt wird, nur in Ausnahmefällen statthaft und zulässig (BFH- Beschlüsse vom 6. August 1996 VII S 7/96, BFH/NV 1997, 135, und vom 1. August 1996 XI S 35--42/96, BFH/NV 1997, 132). Ein solcher Ausnahmefall könnte gegeben sein -- was aber nicht abschließend entschieden werden muß --, wenn eine offenkundige Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 des Grundgesetzes -- GG --) oder ein Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) substantiiert gerügt wird (vgl. BFH-Beschluß vom 6. August 1996 VII S 8/96, Juris-Dok 687736) oder wenn geltend gemacht wird, daß die angegriffene Entscheidung mit der Rechtsordnung schlechthin unvereinbar sei (BFH-Beschluß vom 27. Juni 1996 IV B 168/95, BFH/NV 1997, 57). Dabei gilt der für das Verfahren vor dem BFH bestehende Vertretungszwang nach Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG auch für das Einreichen einer Gegenvorstellung (BFH- Beschlüsse vom 27. Juni 1996 IX S 3/96, BFH/NV 1996, 926; vom 22. Juni 1995 XI S 15/95, BFH/NV 1996, 164).
b) Der Antragsteller hat die Gegenvorstellungen nicht wirksam erhoben, weil er nicht zu den in Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG abschließend bezeichneten Personen gehört, die wirksam Anträge bei dem BFH stellen können. Dadurch, daß sich der Antragsteller nach den von ihm vorgelegten Ablichtungen in gerichtlichen Verfahren vor Zivilgerichten als Rechtsanwalt ausgegeben hat, obwohl er nach einem Schreiben der Rechtsanwaltskammer A an den BFH als Rechtsanwalt nicht zugelassen ist, hat er die Postulationsfähigkeit nicht nachgewiesen. Er hat auch nicht behauptet, eine andere in Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG bezeichnete Tätigkeit ausüben zu dürfen, die ihn dazu berechtigt, ohne postulationsfähigen Vertreter Anträge beim BFH wirksam zu stellen.
Damit bleiben zugleich seine Rügen ohne Erfolg, daß die von ihm erhobenen Beschwerden gegen die Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung und gegen die Ablehnung der Anträge auf PKH durch die angegriffenen Beschlüsse des BFH nicht wegen mangelnder Postulationsfähigkeit hätten verworfen werden dürfen. Unzutreffend ist auch, daß das FG durch die Vorlage der Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung, die nicht zugelassen worden war und der es nicht abgeholfen hatte, für den BFH bindend über die Zulässigkeit des Rechtsmittels erkannt habe.
Schließlich sind die übrigen Ausführungen gegen die sachliche Richtigkeit der angegriffenen Beschlüsse nicht zur Aufhebung oder Änderung durch Gegenvorstellung geeignet.
4. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen (BFH-Beschluß vom 27. Dezember 1994 X B 124/93, BFH/NV 1995, 534).
Fundstellen