Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegebedürftigkeit der Bewohner von Altenheimen, Altenwohnheimen und Pflegeheimen
Leitsatz (NV)
Auf die Verwaltungserlasse, nach denen u.a. bei Bewohnern von Altenheimen, die das 75. Lebensjahr vollendet haben, eine Pflegebedürftigkeit i.S. d. § 4 Nr.16 Buchst. d UStG 1980 i.V.m. § 68 Abs. 1 des Bundessozialhilfegesetzes unterstellt werden kann (Erlaß des Finanzsenators des Landes Berlin vom 23. Juni 1980, StEK UStG 1980, § 4 Ziff.16 Nr.3 und Erlaß des Finanzministers des Landes Schleswig-Holstein vom 14. Januar 1983, StEK UStG 1980, § 4 Ziff.16 Nr.12), kann sich nicht berufen, wer nicht im Besitz einer Erlaubnis zum Betrieb eines Altenheims, Altenwohnheims oder Pflegeheims nach § 6 des Heimgesetzes ist.
Normenkette
UStG 1980 § 4 Nr. 16 Buchst. d; BSHG § 68 Abs. 1; HeimG § 6
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betreibt seit 1983 ein Hotel. Außer ihren Hotelgästen beherbergte sie in den Streitjahren (1986 bis 1989) auch sog. Hotelsenioren, denen Hotelappartements regelmäßig auf Lebenszeit überlassen wurden. Aufgrund einer Vereinbarung der Klägerin mit einem benachbarten Altenwohnheim waren die Hotelsenioren berechtigt, bestimmte Leistungen des Altenwohnheims in Anspruch zu nehmen. Die Klägerin selbst ist nicht im Besitz einer Erlaubnis zum Betrieb eines Altenheims, Altenwohnheims oder Pflegeheims nach § 6 des Heimgesetzes (HeimG) vom 7. August 1974 (BGBl I 1974, 1873).
Im Juni 1991 beantragte die Klägerin, die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre zu ändern und dabei Leistungen an ihre Hotelsenioren gemäß § 4 Nr.16 Buchst. d des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980) steuerfrei zu belassen. Mehr als 2/3 der Hotelsenioren, so führte sie aus, hätten das 75. Lebensjahr vollendet, so daß die für die Steuerbefreiung erforderliche Pflegebedürftigkeit nach dem Erlaß des Finanzministers des Landes Schleswig-Holstein IV 360a-S 7172-44 vom 14. Januar 1983 (Steuererlasse in Karteiform - StEK -, Umsatzsteuergesetz 1980, § 4 Ziff.16 Nr.12) unterstellt werden könne.
Dem folgte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) nicht. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus, der Erlaß, auf den sich die Klägerin berufe, sei nur auf genehmigte Altenheime anwendbar und im übrigen offensichtlich rechtswidrig und für das Gericht nicht verbindlich.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision. Zur Begründung macht sie grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
Entscheidungsgründe
Den von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie im Streitfall nicht klärbar sind.
a) Die von der Klägerin für grundsätzlich gehaltene Frage, ob entsprechend dem erwähnten Erlaß des Finanzministers des Landes Schleswig-Holstein und dem Erlaß des Finanzsenators des Landes Berlin III E 11-S 7172-4/80 vom 23. Juni 1980 (StEK, Umsatzsteuergesetz 1980, § 4 Ziff.16 Nr.3) eine Pflegebedürftigkeit i.S. des § 4 Nr.16 Buchst. d UStG 1980 i.V.m. § 68 des Bundessozialhilfegesetzes bei Personen, die das 75. Lebensjahr vollendet haben, ohne weiteres angenommen werden kann, stellt sich im Streitfall nicht. Die Klägerin stützt ihren Anspruch auf Steuerbefreiung nach § 4 Nr.16 Buchst. d UStG 1980 allein auf diese Erlasse. Beide Erlasse gelten aber - wie sich aus deren Wortlaut und jeweiliger Bezugnahme auf das Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 10. März 1980 IV A 3-S 7130-10/80 (BStBl I 1980, 287) ergibt - nur für Altenheime, Altenwohnheime und Pflegeheime i.S. des § 1 HeimG, für die eine Erlaubnis nach § 6 HeimG erteilt worden ist. Eine solche Erlaubnis besitzt die Klägerin nicht.
b) Deshalb stellt sich auch die weitere von der Klägerin als grundsätzlich bezeichnete Frage im Streitfall nicht, ob unter Vertrauensgesichtspunkten die Steuerbefreiung nach § 4 Nr.16 Buchst. d UStG 1980 versagt werden kann, wenn sich ein Steuerpflichtiger jahrelang entsprechend der Erlaßlage verhalten hat. Im übrigen könnte diese Rechtsfrage schon deshalb nicht in einem Revisionsverfahren geklärt werden, weil sie mit dem Vertrauenstatbestand einen - angesichts der rückwirkend geltend gemachten Steuerbefreiung wenig wahrscheinlichen - Sachverhalt zugrunde legt, den das FG nicht festgestellt hat (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Fundstellen
Haufe-Index 419147 |
BFH/NV 1993, 753 |