Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletzung der Amtsermittlungspflicht; Divergenz; grundsätzliche Bedeutung; Voraussetzungen für eine Anscheinsvollmacht
Leitsatz (NV)
1. Wird eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht geltend gemacht, weil das FG sich nicht mit der schriftlichen Beantwortung der Beweisfrage hätte begnügen dürfen, so muss auch dargetan werden, weshalb der Kläger, obwohl er im finanzgerichtlichen Verfahren fachkundig vertreten gewesen ist und trotz eines ausdrücklichen gerichtlichen Hinweises nicht von sich aus einen entsprechenden Beweisantrag in der letzten mündlichen Verhandlung gestellt hat oder weshalb er daran gehindert gewesen sein will.
2. Gelangt das FG aufgrund einer umfassenden Beweiswürdigung zu dem Ergebnis, im Streitfall hätten die Voraussetzungen für die Annahme einer Anscheinsvollmacht vorgelegen, so könnte allenfalls eine fehlerhafte Beweiswürdigung oder Rechtsanwendung im konkreten Fall vorliegen, die jedoch keine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich macht.
3. Mit der Behauptung, das FG habe im Streitfall die Grundsätze der Anscheinsvollmacht unzutreffend angewendet, wird auch keine im Allgemeininteresse liegende generelle Klärungsbedürftigkeit einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage dargetan.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 2 Nrn. 1-3, § 116 Abs. 3 S. 3; ZPO §§ 295, 377 Abs. 3; EStG § 4 Abs. 3, § 11 Abs. 1
Verfahrensgang
FG Baden-Württemberg (Urteil vom 23.04.2007; Aktenzeichen 6 K 19/07) |
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig und deshalb durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).
Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO sind nicht entsprechend den gesetzlichen Anforderungen gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist dargelegt worden.
1. Die Rüge, das Finanzgericht (FG) hätte Herrn W aufgrund der ihm gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO obliegenden Amtsermittlungspflicht als Zeugen laden und vernehmen müssen und sich nicht mit der schriftlichen Beantwortung der Beweisfrage nach § 82 FGO i.V.m. § 377 Abs. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) begnügen dürfen, entspricht nicht den gesetzlichen Darlegungsanforderungen (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. Februar 2003 III B 117/02, BFH/NV 2003, 810).
Der Prozessvertreter der Klägerin hat zwar im Schriftsatz vom 13. Juni 2003, S. 2, die Einvernahme von Herrn W als Zeugen mit einer Ladung über die in Spanien wohnhafte Klägerin angeregt. Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 23. April 2007 hat der Prozessbevollmächtigte indes diesen Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung nicht mehr gestellt. Die Klägerin hat auch nicht dargetan, weshalb sie, obwohl sie im finanzgerichtlichen Verfahren fachkundig vertreten gewesen ist und trotz des ausdrücklichen gerichtlichen Hinweises in der an den Prozessvertreter ergangenen Ladung vom 21. März 2007, nicht von sich aus den Beweisantrag in der letzten mündlichen Verhandlung gestellt hat bzw. weshalb sie daran gehindert war (vgl. § 295 ZPO i.V.m. § 155 FGO; BFH-Beschluss vom 20. Februar 2008 VIII B 83/07, BFH/NV 2008, 978, m.w.N.).
2. Ebenso wenig hat die Klägerin die Divergenzrüge schlüssig erhoben.
a) Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidung sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung erkennbar zu machen.
Des Weiteren ist insbesondere auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handelt.
Allerdings ist es nicht stets erforderlich, dass das FG den abweichenden Rechtssatz in den Urteilsgründen ausdrücklich formuliert hat. Er kann auch konkludent in scheinbar nur fallbezogenen Rechtsausführungen ausgesprochen sein. Eine Abweichung kann deshalb auch vorliegen, wenn das FG einen bestimmten Sachverhalt einer anderen Rechtsfolge beigemessen hat als sie der BFH zu einem im Wesentlichen gleichen Sachverhalt ausgesprochen hat.
Indes reichen weder eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen noch die angeblich fehlerhafte Anwendung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles noch schlichte Subsumtionsfehler des FG aus. Erforderlich ist vielmehr die Darlegung der Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen (BFH-Beschluss vom 17. August 2007 VIII B 36/06, BFH/NV 2007, 2293, m.w.N.).
b) Diesen Maßstäben entspricht die Darlegung der behaupteten Divergenz durch die Klägerin nicht.
Das FG hat --wie die Klägerin selbst erkennt-- die allgemeinen Grundsätze für die Annahme einer Anscheinsvollmacht zutreffend dargestellt (vgl. dazu BFH-Urteil vom 10. Oktober 2002 VI R 13/01, BFHE 200, 363, BStBl II 2003, 156, m.w.N.; Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 5. März 1998 III ZR 183/96, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1998, 1854, bestätigt durch BGH-Urteil vom 14. März 2000 XI ZR 55/99, BGH-Rechtsprechung Zivilsachen --BGHR BGB-- § 167 Anscheinsvollmacht 9) und seiner Entscheidung zugrunde gelegt.
Es ist aufgrund einer umfassenden Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gelangt, dass im Streitfall die Voraussetzungen für die Annahme einer Anscheinsvollmacht erfüllt sind und deshalb der von Herrn W entgegengenommene Betrag von 48 900 DM der Klägerin im Streitjahr 1996 steuerrechtlich als Einnahme aus ihrer selbständigen Tätigkeit gemäß § 4 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zugeflossen ist.
Wäre diese Beweiswürdigung oder die Rechtsanwendung im konkreten Fall unzutreffend, so handelte es sich allenfalls um einen so genannten schlichten Subsumtionsfehler, der jedoch noch keine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO erforderte.
Insbesondere läge auch kein so genannter qualifizierter Rechtsanwendungsfehler vor, der nur ausnahmsweise bei offensichtlichen materiellen oder formellen Fehlern des FG im Sinne einer willkürlichen Entscheidung die Zulassung einer Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO gebietet (dazu BFH-Beschluss vom 1. September 2006 VIII B 81/05, BFH/NV 2006, 2297, m.w.N.).
3. Die Klägerin hat schließlich die behauptete grundsätzliche Bedeutung einer bestimmten Rechtsfrage i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO auch nicht ansatzweise dargelegt.
a) Einwendungen gegen die materielle Richtigkeit des angefochtenen Urteils stellen grundsätzlich keinen Zulassungsgrund dar. Von vornherein unbeachtlich sind Einwände gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils, die nur im Rahmen einer Revisionsbegründung relevant sein können; denn das prozessuale Rechtsinstitut der Nichtzulassungsbeschwerde dient nicht dazu, allgemein die Richtigkeit finanzgerichtlicher Urteile zu gewährleisten.
Gleiches gilt hinsichtlich einer unzulänglichen Beweiswürdigung, die revisionsrechtlich ebenfalls dem materiellen Recht zuzuordnen ist (BFH-Beschluss vom 17. Januar 2006 VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799, m.w.N.).
b) Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache verlangt substantiierte Ausführungen insbesondere zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärbar ist und deren Beurteilung von der Klärung einer zweifelhaften oder umstrittenen Rechtslage abhängig ist. Hierzu muss sich die Beschwerde insbesondere mit der Rechtsprechung des BFH, den Äußerungen im Schrifttum sowie mit den gegebenenfalls veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen.
Ist über die Rechtsfrage bereits entschieden worden, so ist zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung des BFH für erforderlich gehalten wird. Eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage kann z.B. geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinandergesetzt hat. Darüber hinaus ist auch auf die Bedeutung der Klärung der konkreten Rechtsfragen für die Allgemeinheit einzugehen. Allein das Fehlen einer Entscheidung des BFH zu der konkreten Fallgestaltung begründet weder einen Klärungsbedarf noch erst recht das erforderliche Allgemeininteresse. Ebenso fehlt es an einer grundsätzlichen Bedeutung bei einer lediglich einzelfallbezogenen Beurteilung eines Streitfalles (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2007, 2293, m.w.N.; vom 20. Februar 2008 VIII B 53/07, BFH/NV 2008, 971).
c) Die Klägerin hat erkennbar allein eine unzutreffende Rechtsanwendung in ihrem konkreten Streitfall behauptet, in dem sie vorträgt, zu klären sei, ob die Anwendung der Grundsätze der Anscheinsvollmacht bei einem Fall wie dem vorliegenden zu einer unzulässigen Ausweitung des Rechtsinstituts führe. Damit wird indes keine im Allgemeininteresse liegende generelle Klärungsbedürftigkeit einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage dargetan.
Fundstellen