Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 69 FGO
Leitsatz (NV)
- Betrifft das Hauptsacheverfahren die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1984 und 1986, ist ein Antrag nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V. mit Abs. 2 Satz 4 FGO auf Aussetzung der Vollziehung der Vermögensteuerbescheide 1990 bis 1995 unzulässig, weil zwischenzeitlich Hauptfeststellungen der Einheitswerte des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1989 und 1993 durchzuführen waren.
- Der vorläufige Rechtsschutz nach § 69 Abs. 3 FGO kann nicht weiter reichen als der im Hauptsacheverfahren erstrebte Rechtsschutz.
- Im Umfang des in der Hauptsache erstrebten Rechtsschutzes kann Aussetzung der Vollziehung auch aus einem anderen als dem in der Hauptsache geltend gemachten Rechtsgrund gewährt werden.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 2-3
Tatbestand
I. Nach einer Außenprüfung bei der Antragstellerin, einer GmbH, für den Prüfungszeitraum 1983 bis 1985 verblieben mehrere Streitpunkte. Einer betraf mit Auswirkung auf die Körperschaftsteuer und die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens die dem Geschäftsführer der Antragstellerin im Dezember 1985 gegebene Pensionszusage, ein anderer mit Auswirkung nur auf die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens die Frage, in welcher Höhe Investitionszulagen auf Maschinen und Einrichtungsgegenstände zu Teilwertabschlägen berechtigen.
Die geltend gemachte Pensionsrückstellung von nunmehr unstreitig 528 404 DM erkannte der Antragsgegner (das Finanzamt ―FA―) zum 31. Dezember 1985/1. Januar 1986 nicht als Schuldposten an, weil die schriftlich erteilte Zusage nicht ausreichend bestimmt gewesen sei. Gemäß der Zusage sollte sich das jährliche Ruhegehalt unter Berücksichtigung der biometrischen Daten aus einer versicherungsmathematischen Jahresnettoprämie von 80 000 DM errechnen. Nach Ansicht des FA ist das zu unbestimmt, weil es an der Festlegung eines Zinsfußes fehle.
Im Rahmen der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1986 verringerte das FA die bei den Maschinen und Einrichtungen vorgenommenen Teilwertabschläge um 26 992 DM. Die Antragstellerin hatte in Höhe der für diese Wirtschaftsgüter erhaltenen Investitionszulagen Teilwertabschläge von 25 v.H. bzw. 40 v.H. vorgenommen. Das FA ließ nur Abschläge von 10 v.H. zu.
Die Betriebsprüfung führte u.a. am 26. Januar 1989 zu geänderten Bescheiden über den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1984 und 1986, mit denen die Einheitswerte auf 233 000 DM bzw. 372 000 DM festgestellt wurden. Einspruch und Klage, die sich auch gegen die geänderten Ertragsteuerbescheide gerichtet hatten, blieben erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 688 veröffentlicht.
Gegen das Urteil hat die Antragstellerin Revision eingelegt. Soweit diese die Einheitsbewertung des Betriebsvermögens betrifft, ist das Verfahren durch Entscheidung des I. Senats vom 24. März 1999 I R 20/98 abgetrennt worden; zuständig ist nunmehr der II. Senat des Bundesfinanzhofs ―BFH― (Az. II R 44/99). In dem abgetrennten Verfahren hat die Antragstellerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und "abweichend von den Bescheiden betreffend … Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1984 und 1986 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31. März 1984 die Einheitswerte des Betriebsvermögens für 1985 um 23 010 DM" und für 1986 um 26 992 DM zu verringern.
Nach Ablehnung eines entsprechenden Antrags auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) durch das FA beantragt die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren, die Vollziehung der Bescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1984 und 1986 sowie der "hieraus resultierenden Folgebescheide" bezüglich der Vermögensteuer 1990 bis 1995 in Höhe von insgesamt 7 068 DM und der Zinsen auf die Vermögensteuer 1990/1993 in Höhe von 498 DM ohne Sicherheitsleistung auszusetzen.
Das FA beantragt, den Antrag abzulehnen.
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag hat nur zum Teil Erfolg.
1. Soweit es um die AdV der Vermögensteuerfestsetzungen auf den 1. Januar 1990 bis 1995 sowie der Zinsfestsetzungen geht, ist der Antrag unzulässig. Diese Festsetzungen sind selbst nicht Gegenstand eines beim BFH anhängigen Hauptsacheverfahrens. Eine Zuständigkeit des BFH für eine AdV kann sich daher insoweit nur aus § 69 Abs. 2 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ergeben. Ungeachtet weiterer Voraussetzungen müsste es sich dazu bei den betroffenen Vermögensteuerbescheiden um Folgebescheide der beiden Bescheide über den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1984 und 1986, die Gegenstand des anhängigen Revisionsverfahrens II R 44/99 sind, handeln. Dies scheidet jedoch wegen der Hauptfeststellungen der Einheitswerte des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1989 und 1993 und der zum 1. Januar 1990 erfolgten Wertfortschreibung aus, die zwischenzeitlich gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) in der zu diesen Stichtagen geltenden Fassung sowie gemäß § 1 Art. 10 des Steueränderungsgesetzes 1991 (StÄndG 1991) vom 24. Juni 1991 (BGBl I, 1322, BStBl I 1991, 665) bzw. gemäß § 22 Abs. 9 BewG durchzuführen waren. Diese Bescheide ―und nicht diejenigen auf den 1. Januar 1984 und 1986― sind Grundlagenbescheide für die Vermögensteuer- und Zinsfestsetzungen, deren Vollziehung die Antragstellerin ausgesetzt haben will.
2. Soweit es um die AdV des Bescheides über den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1984 geht, ist der Antrag ebenfalls unzulässig, weil die Antragstellerin bezüglich dieses Bescheides in der Hauptsache keine Rechtsverletzung i.S. des § 40 Abs. 2 FGO geltend macht (vgl. BFH-Urteil vom 4. April 1984 I R 269/81, BFHE 140, 509, BStBl II 1984, 563, unter II. 1.) und der vorläufige Rechtsschutz nach § 69 FGO nicht weiterreichen kann als der im Hauptsacheverfahren erzielbare (Koch in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl. 1997, § 69 Anm. 21 und 25). Keiner der mit der Klage und der Revision verfolgten Streitpunkte betrifft die Einheitswertfeststellung auf den 1. Januar 1984. Die geltend gemachte Teilwertminderung um 23 010 DM bei den Maschinen und Einrichtungen betrifft bereits nach dem Revisionsantrag ―in Übereinstimmung mit dem Klageantrag― nicht den 1. Januar 1984, sondern den 1. Januar 1985. Dabei handelt es sich auch nicht um eine Falschbezeichnung des betroffenen Jahres. Ausweislich der Tz. 21 und der Anlage 6 des Prüfungsberichts betrifft die Aufstockung der Teilwerte um 23 010 DM durch das FA nicht den Einheitswert auf den 1. Januar 1984, sondern den auf den 1. Januar 1985. Dies wird durch einen Abgleich der Zahlen mit der Vermögensaufstellung auf den 1. Januar 1985 bestätigt. Auf diesen Stichtag wurde jedoch mangels Erreichens der Wertgrenzen kein Einheitswert des Betriebsvermögens festgestellt. Falls die Antragstellerin der Ansicht ist, unter Berücksichtigung der geltend gemachten Teilwertminderung um 23 010 DM, wäre auf den 1. Januar 1985 doch eine Wertfortschreibung vorzunehmen gewesen, hätte dies beim FA beantragt und im Falle der Ablehnung eine Verpflichtungsklage erhoben werden müssen. Im Rahmen der Anfechtungsklage gegen die Einheitswertfeststellung auf den 1. Januar 1984 kann dagegen diesem Begehren nicht entsprochen werden. Auch der Streitpunkt der Pensionsrückstellung kann den Stichtag 1. Januar 1984 offensichtlich nicht betreffen, weil die Pensionszusage erst im Dezember 1985 erteilt worden ist.
3. Soweit es um die AdV des Bescheides über den Einheitswert des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1986 geht, ist der Antrag dagegen begründet. Dabei kann auf sich beruhen, ob ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 FGO daran bestehen, dass die Kürzung der Teilwertabschläge bei den Maschinen und Einrichtungen um 26 992 DM rechtmäßig ist. Im Umfang der begehrten Herabsetzung des Einheitswerts um 26 992 DM ergeben sich ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Feststellungsbescheides auf den 1. Januar 1986 bereits daraus, dass aufgrund der im Dezember 1985 erfolgten Pensionszusage ein gemäß § 104 Abs. 1 bis 3 BewG abziehbarer Schuldposten ernsthaft in Betracht kommt. Die Antragstellerin hat ihren Revisionsantrag zwar ausdrücklich auf die Auswirkung der geltend gemachten Teilwertabschläge beschränkt; dies steht jedoch innerhalb der dadurch gezogenen Grenzen einer Minderung des Einheitswerts aus anderen materiell-rechtlichen Gründen nicht entgegen.
Gemäß § 104 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BewG i.d.F. des Art. 2 des Steuerentlastungsgesetzes 1981 ―StEntlG 1981― (BGBl I, 1381, BStBl I 1980, 534) darf eine Pensionsverpflichtung nur abgezogen werden, wenn
- der Pensionsberechtigte einen Rechtsanspruch auf einmalige oder laufende Pensionsleistungen hat,
- die Pensionszusage keinen schädlichen Vorbehalt enthält und
- die Pensionszusage schriftlich erteilt ist.
Die Abzugsvoraussetzungen entsprechen damit denen des § 6a Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. des § 19 Nr. 3 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 19. Dezember 1974 (BGBl I, 3610, BStBl I 1975, 22). Beide Vorschriften stimmen im Wortlaut überein.
Das FA versagt den Abzug der Pensionsverpflichtung wegen der angeblich fehlenden Bestimmtheit, die ertragsteuerrechtlich zur Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) in Höhe der Pensionsrückstellung führe. Aufgrund dieser Unbestimmtheit handele es sich in Wahrheit nicht um eine Rückstellung, sondern ―mangels steuerrechtlich anzuerkennender Verbindlichkeit― um eine Rücklage. Ungeachtet der Frage, welche Folgerungen sich allgemein aus der ertragsteuerlichen Annahme einer vGA für die bewertungsrechtliche Beurteilung ergeben (vgl. BFH-Urteil vom 13. April 1973 III R 69/72, BFHE 109, 470, BStBl II 1973, 622) und ob im konkreten Fall die angeblich fehlende Bestimmtheit der Zusage, den nach § 104 Abs. 1 Nr. 1 BewG erforderlichen Rechtsanspruch auf die Pensionsleistung oder das Erfordernis der Schriftform nach Nr. 3 der Vorschrift berührte, ergeben sich ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bereits daraus, dass gewichtige Gründe gegen die Unbestimmtheit der Zusage sprechen. Insoweit schließt sich der erkennende Senat dem Beschluss des BFH vom 24. März 1999 I S 8/98, der zwischen den Beteiligten bezüglich desselben Sachverhalts zur Körperschaftsteuer ergangen ist, an. Danach ist es durchaus möglich, im Wege der Auslegung der Zusage und ggf. durch Beweiserhebung über deren Inhalt zu einer ausreichenden Bestimmtheit zu gelangen.
Fundstellen
Haufe-Index 425562 |
BFH/NV 2000, 1100 |