Entscheidungsstichwort (Thema)
Rüge mangelhafter Protokollierung und NZB
Leitsatz (NV)
Mit der Rüge, das FG habe die Protokollierung entscheidungserheblicher Aspekte der mündlichen Verhandlung unterlassen, kann die Zulassung der Revision gegen die Nichtberücksichtigung verfahrensrelevanter Tatsachen nicht erreicht werden. Die fehlende Protokollierung kann nur durch Protokollergänzungsantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung geltend gemacht werden. Nur nach Ablehnung eines solchen Antrags kann ein Rechtsmittel gegen das Urteil auf den Protokollierungsmangel gestützt werden.
Normenkette
FGO §§ 56, 62a, 94, 108, 115 Abs. 2, § 116 Abs. 2 S. 1, § 142; ZPO § 114 S. 1, § 78 Abs. 5, § 117 Abs. 1, § 160 Abs. 4
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) hat die Haftungsinanspruchnahme der Klägerin und Antragstellerin (Antragstellerin) als Mitgesellschafterin einer sog. unechten GmbH-Vorgesellschaft, die es als GbR gewertet hat, wegen deren Lohnsteuerrückständen bestätigt. Eine unechte Vorgesellschaft hat es in Anlehnung an die diesbezügliche Rechtsprechung angenommen, weil die Gesellschafter von vornherein die Eintragung der GmbH nicht ernsthaft betrieben hätten.
Gegen die Nichtzulassung der Revision durch das FG möchte die Antragstellerin Beschwerde einlegen. Sie meint, das FG habe zu Unrecht eine unbeschränkte Haftung nach GbR-Grundsätzen statt einer beschränkten Haftung nach GmbH-Grundsätzen angenommen, weil es in der mündlichen Verhandlung gemachte Aussagen des Geschäftsführers dieser Vorgesellschaft zu den Gründen für die zeitlichen Verzögerungen im Zusammenhang mit dem Eintragungsantrag weder protokolliert noch im Urteil berücksichtigt habe.
Für dieses Rechtsmittelverfahren beantragt sie Prozesskostenhilfe (PKH).
Entscheidungsgründe
II. Der Antrag auf Bewilligung von PKH hat keinen Erfolg, weil die von der Antragstellerin beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
1. Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Für den beim Bundesfinanzhof (BFH) als Prozessgericht zu stellenden Antrag auf PKH besteht kein Vertretungszwang (§ 78 Abs. 5, § 117 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 142, § 155 FGO; Beschluss vom 13. Juli 1995 VII S 1/95, BFH/NV 1996, 10).
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung im Wege einer Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht bereits deshalb erfolglos, weil die Beschwerde nicht innerhalb der Monatsfrist des § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO durch eine vor dem BFH vertretungsbefugte Person oder Gesellschaft i.S. des § 62a FGO erhoben worden ist. Denn einem Beteiligten, der wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, ein Rechtsmittel, das dem Vertretungszwang unterliegt, wirksam zu erheben, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) gewährt werden, wenn ihm PKH bewilligt worden ist.
2. Die Voraussetzungen für die Gewährung von PKH liegen indes nicht vor. Die durch Erhebung der Nichtzulassungsbeschwerde beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Antragstellerin keine Aussicht auf Erfolg. Gründe für eine Zulassung der Revision i.S. des § 115 Abs. 2 FGO sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Der Senat versteht das Vorbringen der Antragstellerin dahin, dass bei gehöriger Protokollierung der mündlichen Verhandlung Aspekte aktenkundig geworden wären, die, hätte das FG sie berücksichtigt, zu einer für die Antragstellerin günstigeren Entscheidung hätten führen müssen. Aber selbst diese im wohlverstandenen Rechtsschutzinteresse der Antragstellerin weitgehende Auslegung zeigt keine Zulassungsgründe i.S. des § 115 Abs. 2 FGO auf. Zwar kann die Nichtberücksichtigung von Tatsachen durch das FG einen Verfahrensfehler i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO darstellen. Das setzt aber voraus, dass das FG diese Tatsachen festgestellt hat, oder dass es diese Feststellung trotz entsprechender prozessualer Hinweise bzw. Anträge der Beteiligten unterlassen hat und dass es --nach der insoweit allein maßgeblichen, ggf. sogar unrichtigen Rechtsauffassung des FG-- bei Berücksichtigung dieser Tatsachen zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre.
a) Ob das Gericht bestimmte Tatsachen festgestellt hat, ergibt sich aus dem Urteil und den darin in Bezug genommenen Unterlagen, insbesondere dem Protokoll der mündlichen Verhandlung. Die Antragstellerin rügt aber gerade die fehlende Protokollierung der vermeintlich entscheidenden Angaben des Geschäftsführers in der mündlichen Verhandlung. Dieser Mangel kann nur durch Protokollergänzungsantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung geltend gemacht werden (§ 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 4 ZPO). Nur wenn das FG einen solchen Antrag abgelehnt hat, kann ein Rechtsmittel gegen das Urteil auf den Protokollierungsmangel gestützt werden (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 94 Rz 9, m.w.N.). Die Antragstellerin behauptet nicht, einen entsprechenden Antrag vergeblich gestellt zu haben.
b) Auch einer vermeintlich mangelhaften Wiedergabe der entscheidungserheblichen Tatsachen im Urteil kann nur mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung beim FG binnen zwei Wochen nach Zustellung des Urteils begegnet werden (§ 108 FGO). Sie kann nicht mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemacht werden (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluss vom 5. Juli 2007 V B 6/06, BFH/NV 2007, 1809, m.w.N.).
c) Wenn die Antragstellerin meinen sollte, das FG habe es verfahrensfehlerhaft unterlassen, den anwesenden Geschäftsführer als Zeugen zu vernehmen, so könnte sie ihrer Beschwerde damit schon deshalb nicht zum Erfolg verhelfen, weil eine unterlassene Zeugeneinvernahme im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht mehr mit der Verfahrensrüge angegriffen werden kann, wenn der in der maßgeblichen Verhandlung selbst anwesende oder fachkundig vertretene Beteiligte den Verfahrensverstoß nicht gerügt und damit auf die Wahrnehmung seiner Rechte verzichtet hat (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Dezember 2003 VII B 10/03, BFH/NV 2004, 529, m.w.N.). So liegt es hier.
d) Schließlich ist weder ersichtlich, dass das FG die Angaben des Geschäftsführers nicht berücksichtigt hat, noch dass diese Angaben --nach der im Urteil mitgeteilten Rechtsauffassung-- für die Entscheidung des FG von Bedeutung waren. Denn es hat die Eintragungsabsicht schon aufgrund des --aus seiner Sicht schon wegen des Zeitablaufs von drei Monaten seit Aufnahme des Geschäftsbetriebes schuldhaft-- verzögerten Eintragungsantrags und der nicht unverzüglichen Beantragung der noch fehlenden Erlaubnis nach § 3 des Güterkraftverkehrsgesetzes verneint.
e) Einwände gegen diese Beurteilung des FG rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht, da die Grundsätze der Tatsachen- und Beweiswürdigung revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen und deshalb der Prüfung des BFH im Rahmen einer Verfahrensrüge entzogen sind (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss vom 14. Februar 2007 VII B 106/06, BFH/NV 2007, 1157, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 1957460 |
BFH/NV 2008, 809 |